Gelsenkirchen. „Das schlaue Füchslein“ hat es auf unseren Bühnen nicht leicht. Was an Stärken in Janáčeks Meisteroper steckt, zeigt das Musiktheater im Revier.

Wenn Sie Ihre Opern-Passion nicht allein im Bermuda-Dreieck von Mozart, Verdi und Wagner versenken, dann hält die Region seit dem Wochenende einen Abend der Extraklasse bereit. „Das schlaue Füchslein“ am Musiktheater im Revier (MiR) ist ein vorläufiger Höhepunkt der Saison an Rhein und Ruhr – ausgerechnet dieser kompositorischen Solitär, der es bis heute schwer hat an den Opernhäusern der westlichen Welt!

Und das zu Unrecht: Vom ersten bis zum letzten Takt – offene Ohren vorausgesetzt – tritt man mit Leoš Janáčeks Meisterwerk eine aufregende, musikhistorisch unvergleichliche Klangexpedition an. Die Neue Philharmonie Westfalen wächst (den zu lauten Einstieg von Rasmus Baumanns Dirigat vergisst man rasch) über sich hinaus. Was für ein Klang! So tönt Waldweben 40 Jahre nach Wagner. Listige Orchestrierung und Ideenreichtum der Partitur sind so ausgefuchst kreativ, dass der Orchestergraben das Zeug hat, der Szene die Schau zu stehlen. Von naturmagischer Ekstase bis zu keck-militant hingetupfter Ironie führt das brillante Orchester Janáčeks Vokabular (famos in Form: die Hörner!) mustergültig auf den Lippen. Eine exzeptionelle Leistung.

Überragende Orchesterleistung

Und doch findet sie in einem alten Hasen (pardon) ihre starke Entsprechung auf der Bühne: Intendant Michael Schulz hat das Stück zur Chefsache gemacht. Was tun mit einem Märchen, das den Komponist einst als Comic-Strip animierte? Ein Förster (unglückliche Ehe, andere Begehrlichkeiten bei beiden Partnern) fängt eine Füchsin; doch sie dauerhaft ans Haus zu binden, schlägt fehl. Am Ende stirbt das Tier in der Natur durch den Schuss eines Halunken. Alles ist Gleichnis in diesen 90 Minuten: Die verfehlten Gefühle, die schal gewordenen Träume der Menschen stehen in Beziehung zu einer Fauna, die nicht selten wissender ist, aber auch unmittelbarer ihrem Herzen folgt.

Janáčeks „Das schlaue Füchslein“, Triumph am Musiktheater im Revier

Es singen Dachs, Hahn und Dackel. Lauter Tiere! Wie macht man das, ohne eine ehrenwerte Oper auf den „König der Löwen“ kleinzukochen? Schulz schenkt dem singenden Bestiarium fein gearbeitete Auftritte, treffsicher choreografiert, lauter zoologische Porträts, liebevoll bis scharfsichtig. Und urkomisch oft: etwa die scharrenden Hühner, es kratzen die Reisigbesen, die gelben Füße sind gummibestiefelt. Martina Feldmann hat von der Schnecke bis zur gravitätisch schreitenden Gottesanbeterin kitschfreie Kostüme erdacht, mit einem warmen Hauch „Alice in Wonderland“.

Das alles geschieht zwischen den wuchtigen Baumstämmen, die Heike Scheele für ein erzromantisches, durch schwarze Zwischenvorhänge vom filmischen „Zoom“ regiertes Bühnenbild in den Himmel wachsen lässt. Freilich geschieht das nicht ohne Brüche: Das Wirtshaus, in dem die Provinz-Honoratoren ihre kleine Welt verhandeln, atmet samt Geweih und Fertiggerichten die abgestandene Säuernis von Thomas Bernhards Utzbach.

Glanzvolles Orchester, Ensemble lässt kaum Wünsche offen

Das Ensemble (bereichert durch den Opernkinderchor der Chorakademie Dortmund) lässt kaum Wünsche offen. Bele Kumberger zeigt in der Titelrolle, wie sehr ihr Sopran an Reife, Größe, Intensität gewonnen hat. Johannes Martin Kränzles Bariton erspürt anrührend die Melancholie des Förster. Begeisternd vielseitig Lina Hoffmanns Mezzo, erst Xanthippe im Forsthaus, dann charmant-potenter Fuchs.

Försters singende Dackelhündin ist am MiR ein Tenor: Khanyiso Gwenxane als Singer-Songwriter an der langen Leine. Der Chor ist so wendig wie souverän. Urkomisch in jedem Augenblick bewährt sich Anke Sieloff in gleich drei Partien: Wirtin, Oberhenne und die füchsisches Liebesglück missgünstig beäugende Eule – im stummen Spiel ein Kabinettstück dieses sehr guten Abends. Reicher Applaus.

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KARTEN UND TERMINE

„Das schlaue Füchslein“, Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen. Dauer: ca. 105 Minuten, eine Pause. Gesungen wird tschechisch mit deutschen Übertiteln.

Karten kosten 15-45 Euro unter Tel. 0209-4097200.

Die nächsten Aufführungen sind am 22. und 26. Dezember. Weitere Termine 2023 am 7., 22., 27. und 29. Januar, 18. und 24. Februar und 5. März.