Düsseldorf. Die Rheinoper spielt wieder „Hänsel und Gretel“. Anke Krabbe ist seit 23 Jahren dabei. Kann sich die Jugend heute noch für den Stoff begeistern?
Alles noch da, und genau wie früher. Der finstere Wald, der gelbe Mond. Das Knusperhäuschen – der Ofen, in dem die Hexe auch diesmal unweigerlich landen wird. Jetzt in der Weihnachtszeit bleibt die Kulisse zu Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ wenn eben möglich stehen. Seit über 50 Jahren gehört Grimms Märchen an der Rheinoper zum Feiertagsprogramm und ist damit die älteste noch laufende Inszenierung des Hauses. In diesen Tagen freut sich Anke Krabbe wieder über Fanpost ihrer kleinen Zuschauer. „Ich bin froh, dass die Hexe weg ist“, schreiben sie. Oder „gut gemacht, Gretel!“. Denn Gretel - das ist Anke Krabbe. Sie singt die Partie seit 23 Jahren. „Wenn ‘Hänsel und Gretel’ läuft, ist für mich Weihnachten.“
Über hundertmal hat die heute 52-jährige Sopranistin die Rolle gespielt. Bereits an ihrer Hochschule – in jeder Weihnachtszeit, seit sie an der Rheinoper engagiert ist, wobei Hänsel, Gretel und die Hexe in dreifacher Besetzung an den Start gehen, so dass sie nicht jedes Mal dabei ist. Parallel ist sie aktuell die „Rosalinde“ in „Die Fledermaus“ und probt für die Contessa Almaviva in „Le nozze di Figaro“ im Januar.
Hänsel und Gretel in Duisburg und Düsseldorf: „Manchmal wie ein Rockkonzert“
Noch immer freut sie sich über die Reaktionen: Buhrufe für die Hexe, Tipps für Hänsel und Gretel und Extra-Applaus, wenn sie die garstige Person versenkt haben. „Manchmal ist es eher wie in einem Rockkonzert“, erlebt Anke Krabbe. „Ich mag das, wenn Leben in der Bude ist.“ Verändert haben sich die Kinder in dieser Hinsicht nicht. Tapferes Geschwisterpaar gewinnt den Kampf gegen das Böse und wird dabei von Engeln beschützt, „das ist schön und tröstlich.“ Und das kommt immer noch an.
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Ein Ende als Gretel ist nicht in Sicht. Sobald sie auf der Bühne steht und beginnt, herumzutoben, verwandele sie sich wieder ein Kind, erzählt die Sopranistin. „Das macht das zauberhafte Bühnenbild. Eine Zeitreise. Das konserviert einen.“ Nur die Hänsel – die würden immer jünger. Und ein ehemaliges „Knusperkind“, eine Sängerin des Kinderchors, ist jetzt selbst auf dem Weg zur Opernkarriere. Daran sieht man, wie die Zeit vergeht.
Viele bekannte Lieder
Längst sind die Aufführungen für die Mutter zweier Töchter eine weihnachtliche Tradition. Ihre Familie kennt das; und wenn Anke Krabbe an den Feiertagen auf der Bühne steht, gehen eben alle mit. Große Vorbereitungen braucht sie nicht mehr. Auch fürs Foto hat sich die kleine zierliche Frau mit ein paar Handgriffen „vergretelt“, wie sie sagt: Zwei Zöpfe, fertig. Wobei die Rolle es in sich hat. Sie ist sehr „bewegungsintensiv“ und Krabbe fast die ganze Zeit auf der Bühne. Obendrein darf sie im wuchtigen humperdinckschen Orchesterklang nicht untergehen, muss aber mädchenhaft zart klingen.
Langweilig ist ihr die Oper nie geworden, die schon auf dem Spielplan stand, als sie noch gar nicht geboren war. Am 26. Oktober 1969 feierte die Inszenierung von Andreas Meyer-Hanno Premiere und blieb seither unverändert – gespielt wird immer noch im Bühnenbild von Gerda Zientek. Nur dass der Lebkuchen Attrappen wich. Krabbe erinnert sich noch, dass Hänsel und sie früher bei der Szene mit der Nascherei schon mal Probleme mit dem Singen bekamen. Auch andere Dinge blieben im Gedächtnis. Etwa dass das Hexenhäuschen am Ende nicht immer plangemäß explodierte. Oder als ihre damals vierjährige Tochter mit ihrer Mutter auf der Bühne gar nicht zurecht kam – und umgehend nach Hause wollte.
Hänsel und Gretel: Die Oper wird zum Ritual
Anke Krabbe mag die Oper mit ihrem nostalgischen Charme und den vielen bekannten Liedern, von „Suse liebe Suse“ über „Ein Männlein steht im Walde“ bis zum „Abendsegen“. Heute ist sie wieder auf der Bühne. Und sieht ihr Publikum wieder, das alte und das neue. Viele kommen seit vielen Jahren, inzwischen mit dem eigenen Nachwuchs. Und das gefällt Anke Krabbe besonders: „Es ist schön, wenn die Oper es schafft, zu einem Ritual zu werden.“