Dortmund. Martha Argerich meldete sich krank, in Dortmund rettete Kirill Gerstein den Beethoven-Abend mit dem Orchestre de Paris.
Es muss eine maximale Herausforderung sein, in letzter Minute für eine Pianisten-Legende wie Martha Argerich einzuspringen. Die Künstlerin mit dem unvergleichlichen Charisma, ohnehin nur noch selten allein am Flügel zu erleben, sagte ihren Auftritt mit dem Orchestre de Paris im Konzerthaus Dortmund kurzfristig ab: aus gesundheitlichen Gründen.
Kirill Gerstein sprang ein für Martha Argerich bei Beethovens 2. Klavierkonzert
Kirill Gerstein ließ sich spontan darauf ein, den Solopart im 2. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven zu übernehmen. Er spielt es feingliedrig, mit stilsicherer Musikalität und einer Brillanz, die den klassischen Gestus des Werks aufleuchten lässt. Rhythmisch klar strukturiert, wechselt sein Zugriff zwischen trockener Attacke und einem verschleierten Klang, in dem die Prägnanz dem Unbestimmt-Diffusen weicht.
Im Adagio lässt er der Musik viel Ruhe, rückt sie in mildes Licht. Das abschließende Rondo federt wunderbar vital: Es hat Drive, letztlich mehr Biss als der Kopfsatz. Als Zugabe gibt es weihnachtliches Naschwerk: Vierhändig spielen Dirigent Lahav Shani und Kirill Gerstein Tschaikowskys „Tanz der Zuckerfee“ aus dem Nussknacker-Ballett.
Tschaikowskys 5. Sinfonie dürfte selten weniger martialisch geklungen haben als an diesem Abend. Lahav Shani und das Orchestre de Paris setzen ganz und gar auf Leidenschaft, musizieren rund und bruchlos wie aus einem Guss. Kraftvoll, aber nobel von den Blechbläsern unterstützt, branden Emotionen hoch und sinken wieder zurück, oft mit schmerzlicher Resignation.
Große Pariser Eleganz: Das Orchestre de Paris begeistert im Dortmunder Konzerthaus
Das Orchestre de Paris folgt diesem Ansatz bedingungslos und mit großer Eleganz. Es entwickelt einen Sog, der niemals nachlässt. Der nicht mehr frei gibt, was er einmal erfasst hat. Aber für Kriegerisches ist kein Platz, selbst im finalen Sturmlauf nicht. Statt Triumphmärschen unter Trompeten-Geplärre feiert Shani die Herzenswärme, die Befreiung von den düsteren Klarinettenklängen des Beginns.