Bottrop. Die erste Schau im neuen Anbau des Museums Quadrat präsentiert die Geschichte von Josef Albers’ zentraler Werkgruppe. 120 Arbeiten sind zu sehen.
Josef Albers, das ist der mit den Quadraten, kenn’ ich. Wer die erste Ausstellung in Bottrops neuer Josef-Albers-Galerie besucht, wird diese Einschätzung ebenso rasch widerlegt finden, wie der Herbstwind die Blätter vor dem Neubau im malerischen alten Stadtgarten aufwirbelt. Denn: Quadrat ist bei Josef Albers (1888-1976) eben nicht gleich Quadrat.
Das zeigt diese bislang wohl umfangreichste Schau, die sich unter dem Titel „Huldigung an das Quadrat“ ausschließlich der zentralen Werkgruppe „Homage to the Square“ des Künstlers widmet, in großer Farbpracht. Schwer zu sagen, ob dabei das neue Haus mit seinen acht Ausstellungsräumen, deren Mischung aus Natur- und Kunstlicht, Aus- und Durchblicken, die Kunst – oder die Kunst das wohl proportionierte Haus vier Monate lang in Szene setzt.
Museen und Privatsammler gaben zentrale Werke nach Bottrop
Am Anfang war alles Schwarz, Grau, Weiß. Ausgehend vom düster-nüchtern erscheinenden ersten „Homage to the Square“ aus dem Jahr 1950 bis zu den späten Arbeiten, die noch kurz vor Albers’ Tod 26 Jahre später entstanden, entfaltet Kurator Heinz Liesbrock von Raum zu Raum die Entwicklungslogik dieses großen, weltweit rund 2200 Gemälde umfassenden Zyklus in etwa 120 sorgfältig ausgewählten Arbeiten.
Die stammen nur zum Teil aus der hauseigenen 300 Werke (darunter 100 Gemälde) umfassenden Sammlung. Für diese sichtlich sorgfältig vorbereitete Ausstellung gaben Museen und Privatsammler, vornehmlich aus Deutschland, der Schweiz und den USA, zentrale Werke als Leihgaben nach Bottrop. Man sieht: Die langjährige Auseinandersetzung mit Albers’ Werk, dessen Pflege und Erforschung, öffnet Liesbrock als langjährigem Direktor des Bottroper Museums viele wesentliche Türen.
Der so entstandene Parcours zeigt bereits im zweiten Raum: Der Star bei Albers ist die Farbe in all ihren Wirkungen und Schattierungen. Oder wie der Maler es selbst formuliert: „Farbe ist der Kern meiner Sprache. Sie ist sich selbst genug.“ So steht es nüchtern auf der weißen Wand im Raum, in dem die Farben erstmals kontrastreich explodieren. Dass es dem Wahl-Amerikaner aus Bottrop nicht so sehr um das Format ging, erfährt man aus seinem Mund, denn für ihn war das „Quadrat nur wie ein Tablett für die Farbe.“
Höhepunkt der Leihgaben ist Paul Cézannes bekannter „Steinbruch von Bibémus“
Die abstrakten Steinformationen und vor allem die Farbgebung beeinflussten Albers für einige seiner Bilder der Werkreihe „Homage to the Square“. Da ist zum Bespiel der rote Raum: Monochromatische rote Homages aus den 60er und 70er Jahren vereinen unterschiedlichste Rottöne, eröffnen aber auch den Blick auf die Arbeitsweise des Malers, die eben nicht schablonenhaft war.
Dort befinden sich auch zwei andere Arbeiten. Eine rote Farbfeldmalerei von Ad Reinhard, dessen Kunst immer wieder Impulse von Albers bekam, und ein Stillleben von Giorgio Morandi, den Albers wiederum sehr schätzte. Für eine weitere dieser Beziehungen steht ein Objekt von Donald Judd, einem Hauptvertreter der Minimal Art der 60er Jahre.
Höhepunkt der ausgesuchten Leihgaben ist sicher Paul Cézannes bekannter „Steinbruch von Bibémus“, ein Hauptwerk der Essener Folkwang-Sammlung. Der junge Josef Albers sah dieses Werk im Alter von 20 Jahren in der Hagener Osthaus-Sammlung, die vor 100 Jahren nach Essen verkauft wurde.
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Nach der Plünderung durch die Nazis wurde Cézannes Gemälde übrigens erst in den 60er Jahren wieder für die dortige Folkwang-Sammlung zurückerworben. Die abstrakt anmutenden Steinschichtungen und vor allem die Farbgebung des „Carrière de Bibémus“ mit seinen dominierenden Grün- und Brauntönen nahm Albers wiederum in einer ganzen Anzahl seiner „Homages to the Square“ auf.
Entstanden ist eine sinnlich-üppige Schau
Einige historische „Haltepunkte“ runden diese trotz ihrer strengen Hängung sinnlich-üppig daherkommende Ausstellung ab. So stießen Heinz Liesbrock und die amerikanische Albers-Forscherin und Kuratorin der Josef-and-Anni-Albers-Foundation, Jeannette Redensek, auf Zeugnisse der frühen Albers-Schauen in Deutschland in den 1950er und 60er Jahren: Die erste große Bottroper Ausstellung 1958, damals mangels Museum noch in der Berufsschule zu sehen, die erste Albers-Schau überhaupt zwei Jahre zuvor in Hagen, dann Münster, Freiburg oder eben Essen.
Für Interessierte wie Spezialisten: Die neue Bottroper „Huldigung an das Quadrat“ legt im Gegensatz zu den letzten großen Josef-Albers-Austelllungen „Interaction“ in Essens Villa Hügel oder „Der junge Josef Albers“ in Bottrop anlässlich des Bauhausjubiläums den Fokus einzig auf dessen bekannteste Werkgruppe. Sie zeigt damit auch, dass Albers nicht nur Pädagoge oder Bauhauskünstler war, sondern vor allem auch ein großer Maler des 20. Jahrhunderts.