Bayreuth. Herbstliche Turbulenzen in Bayreuth: Die Festspielleitung hat den skandalumwitterten Jonathan Meese vor die Tür gesetzt. Sein Regiekonzept für den “Parsifal“ für die Eröffnungpremiere 2016 sei zu kostspielig. Stimmt so nicht, sagt Meese und schießt zurück.

Im Herbst herrscht normalerweise Ruhe auf dem Grünen Hügel zu Bayreuth. Im Frühjahr zur Proben- und im Sommer zur Festivalzeit kehrt dann Leben ein in Richard Wagners Festspielhaus. Doch Turbulenzen und Schlagzeilen gibt es rund um das Kulturereignis von Weltrang ganzjährig. Jetzt wehrt sich der skandalumwitterte Künstler Jonathan Meese gegen seine Ausbootung als Regisseur für die Eröffnungspremiere 2016.

Am Freitag hatte die Festspielleitung die Trennung von Meese bekanntgegeben - er sollte in gut eineinhalb Jahren eigentlich die Oper "Parsifal" auf die Bühne bringen. Am Geld lag's, heißt es offiziell. Meeses Konzept hätte das Budget gesprengt und sei deshalb nicht finanzierbar. Das stimme so nicht, ließ der Künstler über sein Büro am Sonntag mitteilen: "Die aktuellen Kostengründe sind konstruiert und lediglich ein Vorwand für eine Trennung von Jonathan Meese."

Im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schreibt Meese: "Es geht in Bayreuth schon lange nicht mehr um Kunst. Es geht um Selbsterhalt, Macht und den Kampf gegen die sinkende Relevanz." Zudem sprach er von Einschüchterungsversuchen und einer "Kultur von Befehl und Gehorsam".

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Meese hält finanzielle Gründe für vorgeschoben

2012 hatten die Festspielchefinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier sichtlich stolz die Verpflichtung Meeses verkündet. Dass der Künstler mit der langen dunklen Haarmähne gerne mit Hitlergruß und anderen NS-Symbolen hantiert, schien in Bayreuth mit seiner braunen Vergangenheit keine Rolle zu spielen. Mehrfach versicherte Katharina Wagner, Meese wisse um die spezielle Konstellation bei den Festspielen. Adolf Hitler ging früher in Bayreuth bei Wagners ein und aus, Richard Wagner (1813-1883) äußerte sich wiederholt deutlich antisemitisch.

Viele konservative Wagner-Anhänger blieben skeptisch: Was würde Meese, bekannt für provokante Installationen und Bilder, aus Wagners "Bühnenweihfestspiel" machen? Die Wagnerianer hatte er schließlich als "Niederknieer" bezeichnet, die das Festspielhaus bitteschön in Ruhe lassen sollten. Andere freilich freuten sich darauf, einen Liebling des Kunstmarktes in Bayreuth zu erleben und hofften auf radikal Neues und Spektakuläres auf der Bühne.

Jetzt bleibt: Eine Festspielleitung ohne Regie, Bühnenbild und Kostüme für die Premiere 2016 und ein verärgerter Jonathan Meese, der die finanziellen Gründe für vorgeschoben hält. Laut seiner eigenen Kalkulation hätte er die Budgetgrenze sogar unterschritten, teilte sein Büro mit. Zudem habe er vorgeschlagen, Sponsoren zu werben und mit einer Bürgschaft für mögliche Mehrkosten einzutreten. All das sei in Bayreuth abgelehnt worden. "Wenn man in Bayreuth nicht mit Jonathan Meese arbeiten möchte, und nur darum scheint es zu gehen, dann hätte man ihn einfach nicht beauftragen sollen. Damit hätte Bayreuth sich viele Diskussionen erspart."

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Katharina Wagner unter Druck

Hatten die Festspielverantwortlichen plötzlich Angst vor der eigenen Courage bekommen? Dabei hat Mut sich in Bayreuth meist ausbezahlt. Die inzwischen als Jahrhundert-"Ring" gepriesene Version der Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" von Patrice Chéreau in den 1970er Jahren wurde erst ausgepfiffen, dann heiß geliebt.

Auch dem Künstler Christoph Schlingensief wehte zunächst Ablehnung entgegen, als er 2004 "Parsifal" inszenieren sollte. Doch obwohl Festspielleitung und Schlingensief im Vorfeld sogar anwaltlichen Beistand ob diverser Streitereien brauchten, blieb der große Skandal aus. Stattdessen erntete Schlingensiefs Deutung sogar Wohlwollen.

Andererseits steht Katharina Wagner, ab 2015 alleinige Hügel-Chefin, unter Druck. Womöglich ist die Experimentierfreude deshalb gebremst. Der ganz große Wurf ist Bayreuth noch nicht gelungen unter ihrer Ägide. Das Projekt Meese hätte grandios scheitern können - oder ein großer Erfolg werden können. Man wird es nun nie erfahren. Sicher ist jedenfalls: Im nächsten Jahr inszeniert die Chefin selbst die Eröffnungspremiere von "Tristan und Isolde". (dpa)