Essen. . Experten erinnern nach der Entscheidung von Angelina Jolie, sich die Brüste entfernen zu lassen, an die Risiken von Erbgutanalysen. Nicht jeder kann mit schlechten Prognosen leben. Und die Familie ist immer mit betroffen.
Wie groß ist mein Risiko, an Krebs zu erkranken? Habe ich hierfür eine erbliche Vorbelastung? In früheren Zeiten Fragen für Kaffeesatzleser. Heute gibt es darauf – für Brust- und Darmkrebs – Antworten von Ärzten. Sie können aus den Genen auch andere Risiken herauslesen. Der medizinische Fortschritt macht’s möglich. Dennoch stellt sich die Frage: Will man das alles überhaupt wissen?
Angelina Jolie wollte und ließ ihre Brüste aus Angst vor Krebs amputieren. Weltweit wird über ihre Entscheidung diskutiert – und über den Sinn von Erbgut-Analysen. Medizinethiker warnen davor, sich die Entscheidung für solche Tests leicht zu machen. Denn unter Umständen hat der Betroffene danach an einer schlechten Prognose schwer zu tragen.
„Ob ein Gentest sinnvoll ist, hängt nicht zuletzt davon ab, ob dabei für den Getesteten etwas zu ,gewinnen’ ist“, meint Prof. Dominik Groß, Medizinethiker an der RWTH Aachen. Bei Angelina Jolie sei das so. „Sie bekam durch die Analyse Kenntnis über ein bestehendes genetisches Brustkrebs-Risiko und konnte dieses durch den Eingriff drastisch reduzieren.“ Ähnlich verhalte es sich mit Darmkrebs, der auch familiär vererbt werden könne. Groß: „Wer sein Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, kennt, der kann etwas tun: engmaschigere Kontrolle, eine andere Ernährung, auf Alkohol verzichten.“
Selbst nach einer Brust-Amputation noch fünf Prozent Risiko
Dr. Oliver Hoffmann, Oberarzt an der Uni-Frauenklinik Essen, betont, dass er es auch akzeptiere, wenn Frauen sagten: Ich will nicht wissen, ob ich eine erbliche Vorbelastung für Brustkrebs habe. „Es steht mir als Arzt nicht zu, dies zu beeinflussen. Ich versuche allerdings, den Kontakt zur Patientin zu halten und das weiter mit ihr zu besprechen.“ Ebenso müsse eine Frau nach einem ungünstig ausgefallenen Gentest wissen, „ob sie ein hohes Sicherheitsbedürfnis hat und sich für eine vorsorgliche Brust-Amputation entscheidet oder ob sie sich lieber engmaschig ärztlich kontrollieren lassen möchte und damit ein Restrisiko eingeht. Und selbst nach einer Brust-Amputation besteht noch ein rund fünfprozentiges Risiko, dass eine Frau trotzdem an Brustkrebs erkranken kann“.
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Medizinethiker Dominik Groß erinnert an Chorea Huntington, eine unheilbare erbliche Nervenkrankheit. Diese könne man durch einen Gentest erkennen, im Verlauf aber nicht beeinflussen. „Ist es sinnvoll, von einem Risiko zu wissen, wenn man nichts dagegen tun kann?“ Auch sei die Entscheidung, wann eine Erbgut-Analyse sinnvoll sei, eine Typ-Frage. „Es gibt Menschen, die mit Ungewissheiten nicht leben können. Andere sagen: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“
Amputation aus Sorge vor Krebs
Es geht auch um viel Geld
Für Dr. Eva Winkler vom Nationalen Centrum für Tumor-Erkrankungen ist das „Recht auf Nichtwissen“ fundamental wichtig. Auch das Recht auf Nichtwissen der Familie. Denn wer bei der Analyse seines Erbgutes auf Risiken stößt, steht schnell vor der Frage: Muss ich Schwester, Bruder, Kinder informieren? Soll ich ihnen raten, sich ebenfalls testen zu lassen? Christiane Woopen (Deutscher Ethikrat) verweist auf die Grenzen der Gen-Diagnostik: „Sie birgt die Gefahr, dass man dem Irrtum aufsitzt, alles, was in den Genen steht, ist auch schon ein festgeschriebenes Schicksal.“ Der Ethikrat warnt, Gentests seien eine Quelle von „Fehlinterpretationen und Missverständnissen“.
Schließlich geht es auch um Geld, sagt Ethiker Groß: „DNA-Tests begründen einen Wachstumsmarkt.“ Unternehmer könnten mit den Analysen viel verdienen.