Essen. . Während bei Rückenschmerzen früher Bettruhe verordnet wurde, ist heute Bewegung angesagt. Rücken-Spezialist Dr. Jörg Franke verrät, was man gegen Rückenschmerzen sonst noch tun kann und stellt verschiedenen Behandlungsformen für Bandscheibenvorfälle vor.
Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit: Der Großteil der Menschen hierzulande leidet zumindest hin und wieder darunter. Aber was tun, wenn der Schmerz unerträglich wird oder von selbst nicht weggeht? Diese Frage haben wir mit Priv.-Doz. Dr. Jörg Franke, Chefarzt und Direktor der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie am Klinikum Dortmund, erörtert.
Herr Dr. Franke, muss es Ihrer Meinung nach bei schlimmen Rückenbeschwerden immer gleich eine Operation sein? Oder gibt es sinnvolle Alternativen?
Dr. Jörg Franke: Natürlich gibt es die. Eine Injektionstherapie kann helfen. Und in vielen Fällen reicht schon die Behandlung der akuten Beschwerden mit Schmerztabletten und etwas Geduld aus.
Früher wurde den Betroffenen geraten, sich ins Bett zu legen und zu schonen. Das ist heute nicht mehr so.
Dr. Franke: Genau. Bei akuten Schmerzen ist es zwar in Ordnung, wenn Patienten eine Schmerztablette nehmen, sich hinlegen und erst einmal versuchen, zu schlafen. Sie müssen also nicht in den Schmerz hinein laufen. Aber es ist absolut falsch, sich gar nicht mehr zu bewegen. Oft sind Blockaden oder Muskelverhärtungen der Schmerzauslöser. Und da ist es wichtig, sich zu bewegen.
Und wie ist die Situation bei einem Bandscheibenvorfall?
Dr. Franke: Dazu ist erst einmal wichtig, festzustellen, dass ein Bandscheibenvorfall keine eigene Krankheit ist. Wir haben es mit einer Abnutzung zu tun, die oft genug sogar unbemerkt bleibt, weil sie selbst erst einmal nicht für Schmerzen verantwortlich ist. Weh tut es erst, wenn die Bandscheibe etwa verrutscht und Druck auf die Nervenbahn ausübt. Es gibt eine interessante Studie aus der Schweiz. Danach litten zwei Drittel der Erwachsenen an einem Bandscheibenvorfall, oftmals, ohne davon zu wissen.
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Muss denn bei einem schmerzenden Bandscheibenvorfall automatisch auch operiert werden?
Dr. Franke: Auch bei einem Bandscheibenvorfall bietet sich die Chance, zunächst eine konservative Behandlung zu wählen. Das gilt allerdings nicht, wenn beispielsweise Lähmungen vorliegen oder es Probleme beim Wasserlassen oder Stuhlgang gibt. Wichtig ist zudem, rechtzeitig zu operieren, wenn sich bei konservativer Behandlung keine Besserung einstellt. Das bringt allerdings nur dann etwas, wenn auch die Ursachen in ihrer Gänze beachtet werden. Liegt etwa zusätzlich eine Instabilität in einem Wirbelsegment vor, dann bringt es unter Umständen gar nichts, wenn nur der Bandscheibenvorfall behandelt wird.
Welche Rolle spielt der Muskelaufbau bei der Vermeidung oder Bekämpfung von Rückenschmerzen?
Dr. Franke: Das kann durchaus eine wichtige Rolle spielen. Körperliche Aktivierung ist grundsätzlich gut. Dabei sind neben der Rückenmuskulatur, Muskulatur allgemein, auch die körperliche Fitness und die koordinativen Fähigkeiten von Bedeutung. Wer sprichwörtlich eine ,Wirbelsäule für 50 Cent statt einem Euro‘ hat, kann mit einem guten muskulären Korsett gewisse Schwächen überbrücken. Wie sich jemand betätigt ist dabei nicht so wichtig. So ist es zwar richtig, dass Skilanglauf grundsätzlich besser für den Rücken ist als Tennis. Aber wer sein Leben lang Tennis spielt, hat sich entsprechende koordinative Fähigkeiten angeeignet. In jedem Fall gilt: Auch Tennis ist besser als überhaupt kein Sport.
Früher hieß es, nach einem Bandscheibenvorfall solle der Rücken am besten ein Leben lang nicht mehr voll belastet werden. Gilt das Ihrer Meinung nach heute immer noch?
Dr. Franke: Definitiv nicht. Selbst bei Versteifung eines Wirbelsäulensegments oder Einsetzen einer Bandscheiben-Prothese soll und kann der Rücken später wieder ganz normal belastet werden, so es die Beschwerden zulassen. Ein gutes Beispiel aus dem Sport ist Olympia-Ruderer Max Hacker. Der startete nur sechs Wochen nach seiner Operation bei der WM.
Rückenschmerzen - was tun?