Berlin/Bonn. Kinder und Jugendliche essen genau das gern, wovor Eltern warnen: fettige Hamburger, süße Softdrinks, überzuckerte Schokoriegel. Experten geben aber Entwarnung: “Protestphasen“ in der Ernährung sind gerade bei Jugendlichen normal. Eltern sollten aber gesunde Alternativen zu Pommes und Co. anbieten.

Sie haben zum Frühstück "keinen Hunger", in der Pause "keine Zeit" und mittags "keine Lust" auf gesundes Essen: Viele Schulkinder und vor allem die Teenager unter ihnen würden am liebsten alle elterlichen Ratschläge in den Wind schreiben und sich nur von Spaghetti, Hamburgern und Cola ernähren - zumindest phasenweise. Das klingt nicht gut, ist es auch nicht. Aber eine Katastrophe ist es auch nicht, meint der Berliner Kinder- und Jugendmediziner Ulrich Fegeler vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland.

"Der Mensch entwickelt sich nicht gleichmäßig sondern in Schüben, und entsprechend wechselhaft ist gerade in den Wachstumsphasen auch sein Bedarf an Kalorien und Nährstoffen." In den meisten Fällen holten sich die Heranwachsenden langfristig sehr wohl, was sie für ihr Wachstum bräuchten. "Vorausgesetzt, es ist in Reichweite."

Gerade Teenager, die tagsüber nicht zu Hause äßen, drückten sich abends gern in der Küche herum und plünderten dort Kühlschrank und Regale, sagt Fegeler. "Deshalb sollte da auch etwas Substantielles drin sein. Nicht Chips, Salzstangen und Riegel sondern lieber Studentenfutter, frisches Obst, Joghurt und Vollkornprodukte. Auch keine Softdrinks, sondern besser Mineralwasser und Milch, gelegentlich auch Fruchtsäfte ohne Zuckerzusatz."

Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher tatsächlich wenig oder kaum etwas esse, gehe sein Körper buchstäblich "ans Eingemachte", verbrauche also gespeicherte Reserven. Gehen die zur Neige, wird so gut wie immer auch wieder gegessen, beruhigt der Mediziner: "Kein Kind und auch kein Jugendlicher verhungert freiwillig."

Keine falsche Panik - Essstörungen aber ernstnehmen

Wirkt das Mädchen oder der Junge dabei allerdings müde und unkonzentriert oder leidet an Kopfschmerzen, rät Fegeler, einen Kinder- und Jugendarzt aufzusuchen. "Denn dann könnten psychische Probleme oder eine Essstörung dahinter stecken."

Von der Idee, Kindern Geld mit in die Schule zu geben, damit sie sich dort etwas zu essen kaufen, hält der Jugendarzt gar nichts. "Die meisten Schulen bieten inzwischen ein akzeptables Mittagessen an. Wer das nicht essen möchte, sollte Brot, Obst oder Joghurt von zu Hause mitnehmen. Alles andere ist ein Fall für's Taschengeld und sollte nicht von den Eltern gefördert werden."

Gesunde Alternativen zumindest anbieten

Das sieht auch die Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung so: "Die meisten Eltern geben beim Thema Essen viel zu schnell auf." Dabei könne man sich fast immer darauf verlassen, dass Kinder durchaus auch zu vollwertiger Nahrung greifen, "wenn sie nicht immerzu mit süßeren, fetteren Alternativen gelockt werden - der Faktor Gewohnheit ist hier sehr stark."

Gesunde Ernährung

1. Vielseitig essen- Was zählt, ist die Menge und die Kombination nährstoffreicher und energiearmer Lebensmittel.
1. Vielseitig essen- Was zählt, ist die Menge und die Kombination nährstoffreicher und energiearmer Lebensmittel. © imago stock&people imago
2. Getreideprodukte, wie Nudeln, Brot und Reis, enthalten Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe sowie Spurenelemente. Genauso gesund sind auch Kartoffeln.
2. Getreideprodukte, wie Nudeln, Brot und Reis, enthalten Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe sowie Spurenelemente. Genauso gesund sind auch Kartoffeln. © imago stock&people imago
3. Fünf Portionen Gemüse und Obst sollte man am Tag zu sich nehmen. Genauso wie Getreide und Kartoffeln enthalten Obst und Gemüse viele Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe.
3. Fünf Portionen Gemüse und Obst sollte man am Tag zu sich nehmen. Genauso wie Getreide und Kartoffeln enthalten Obst und Gemüse viele Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe. © imago stock&people imago
4. Während man täglich Milch trinken sollte, sind Fisch, Fleisch und Eier nur einmal in der Woche zu empfehlen. Diese Lebensmittel enthalten Calcium, Jod, Eisen und einige Vitamine.
4. Während man täglich Milch trinken sollte, sind Fisch, Fleisch und Eier nur einmal in der Woche zu empfehlen. Diese Lebensmittel enthalten Calcium, Jod, Eisen und einige Vitamine. © imago
5.In Fett sind lebensnotwendige Fettsäuren enthalten, aber zu viel kann zu Übergewicht  führen. Gesünder ist es, mit pflanzlichen Ölen und Fetten zu kochen.
5.In Fett sind lebensnotwendige Fettsäuren enthalten, aber zu viel kann zu Übergewicht führen. Gesünder ist es, mit pflanzlichen Ölen und Fetten zu kochen. © imago stock&people imago
6. Zuviel Zucker und Salz ist ungesund. Zum Würzen kann man beispielsweise auch frische Kräuter benutzen.
6. Zuviel Zucker und Salz ist ungesund. Zum Würzen kann man beispielsweise auch frische Kräuter benutzen. © imago
7. Pro Tag sollte man rund 1,5 Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Am Besten sind Wasser und andere kalorienarme Getränke.
Alkohol sollte nur selten und in kleinen Mengen getrunken werden.
7. Pro Tag sollte man rund 1,5 Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Am Besten sind Wasser und andere kalorienarme Getränke. Alkohol sollte nur selten und in kleinen Mengen getrunken werden. © imago stock&people imago
8. Gesund zu kochen heißt: Mit wenig Wasser und wenig Fett zu garen. Das gibt einen natürlichen Geschmack und Vitamine bleiben erhalten.
8. Gesund zu kochen heißt: Mit wenig Wasser und wenig Fett zu garen. Das gibt einen natürlichen Geschmack und Vitamine bleiben erhalten. © imago stock&people imago
9. Wer sich Zeit beim Essen lässt, fördert das Sättigungsempfinden. Außerdem ist zu schnelles Essen schlecht für die Verdauung.
9. Wer sich Zeit beim Essen lässt, fördert das Sättigungsempfinden. Außerdem ist zu schnelles Essen schlecht für die Verdauung. © imago stock&people imago
10. Ernährung und Bewegung gehören zusammen, denn Sport regt die Verdauung an.
10. Ernährung und Bewegung gehören zusammen, denn Sport regt die Verdauung an. © imago stock&people imago
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Das gilt erst recht während der buchstäblichen "Fress- und Wachstumsphasen", bei Mädchen von 11 bis 15 Jahren und bei Jungen zwischen 13 und 16 Jahren. In dieser Phase können die Kinder enorme Mengen verdrücken. Heranwachsende bräuchten in dieser Zeit zwar vor allem Kohlenhydrate, Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe. Aber auch Fette und Zucker hätten ihren Platz. "Hier sind nicht nur Nährstoffe gefragt, sondern schlicht auch Masse und Kalorien." Deshalb seien zum Beispiel alle Mehlprodukte sinnvoll, ergänzt Kinder- und Jugendarzt Fegeler. Oder eben auch mal eine Runde Pommes.

Vollwertiges Frühstück auch in "Protestphasen" wichtig

Essen sei besonders für Pubertierende auch eine Sache von Protest, Befreiung und Selbstfindung. "Vielen erscheint das sogenannte Junk-Food dann besser als das Essen, das Mama oder Papa auf den Tisch stellen."

Um sicherzustellen, dass die Heranwachsenden auch während solcher "Protestphasen", in denen sie nur wenig oder scheinbar das Falsche essen, gut gerüstet in die Schule gehen, sei ein vollwertiges Frühstück entscheidend: "Zum Beispiel Brötchen, Vollkorntoast oder Müsli, ruhig auch mit einem süßen Aufstrich oder ein paar "Knusperflocken" aufgepeppt, dazu Milch oder Kakao, vielleicht auch ein Stück Obst." Das bringe lang anhaltende Energie, ganz im Sinne des Spruches "Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bürger."

Speiseplan sollte langfristig ausgewogen sein

Wichtig sei bei alledem, dass der Speiseplan von Kindern und Jugendlichen langfristig, das heißt über die Monate hinweg, vollwertig sei. Wenn das Kind zwischendurch mal tagelang nur Nudeln oder eine ganz bestimmte Wurst essen mag, sei das kein Drama, sondern völlig normal. "Wenn man als Mutter oder Vater Ausgewogenheit zum täglichen Dogma erhebt, hat man schon verloren, denn das provoziert Abwehr."

Allerdings gibt es für Eltern durchaus Möglichkeiten, den Nachwuchs auch während solcher Phasen "auszutricksen", betont Ernährungswissenschaftlerin Restemeyer. Beispielsweise gebe es inzwischen so gut wie alle Nudeln auch als Vollkornvarianten, und in manch einer Soße lasse sich nahezu unbemerkt eine Portion püriertes Gemüse versenken. "Außerdem knabbern selbst Gemüseverweigerer zuweilen gern mal ein Stück Rohkost oder mundgerecht angebotene Obststückchen", meint die Expertin. (dapd)