Münster. . Das neue Hygiene-Gesetzt setzt Kliniken unter Druck. Jedes Krankenhaus mit über 400 Betten muss einen Hygiene-Facharzt einstellen. Aktuell stehen dem Bedarf von 400 nur knapp 70 Fachärzte entgegen. Das Universitätsklinikum Münster reagiert auf den Mangel mit einem neuen Weiterbildungsangebot.

In den deutschen Kliniken gibt es deutlich zu wenig Fachärzte für Krankenhaushygiene: Einen "eklatanten Mangel" beklagt das Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster (UKM). Mit einem neuen, am Montag vorgestellten Weiterbildungsangebot will das Institut diese Lücke beheben helfen. Die frisch gegründete "Westfälische Akademie für Krankenhaushygiene" bietet dazu bis zu zehn Medizinern eine fünfjährige Ausbildung zum Hygiene-Facharzt an. Bundesweit einmalig kombiniert die Akademie dabei den Angaben zufolge Weiterbildung und praxisorientierte Forschung. "Damit sollen die Mediziner neues Grundlagenwissen zur Vorbeugung von Infektionen im Krankenhaus erwerben", sagte Akademie-Leiter Alexander Mellmann.

Neues Gesetz setzt Kliniken unter Druck

Die Qualifikation zum Krankenhaus-Hygieniker sei in den vergangenen Jahren in Deutschland vernachlässigt worden, kritisierte der Ärztliche Direktor des UKM, Norbert Roeder. Deshalb stünden die Kliniken wegen des 2011 novellierten Infektionsschutzgesetzes nun unter Druck. Es schreibt für jedes Krankenhaus mit über 400 Betten künftig einen eigenen hauptamtlichen Hygiene-Facharzt vor. "Dem daraus resultiertenden Bedarf von mindestens 400 Hygienikern stehen aktuell aber nur knapp 70 entsprechende Fachärzte entgegen, die in den Krankenhäusen arbeiten", merkte Mellmann dazu an.

Fünf Jahre lässt das Gesetz den betroffenen Kliniken Zeit, sich mit dem entsprechenden Fachpersonal auszustatten. Experten bezweifeln, ob es gelingt, die Fachkräftelücke bis dahin zu schließen. Denn die Ausbildungsressourcen bleiben auch mit der neuen Münsteraner Hygiene-Akademie knapp. An den bundesweit 36 medizinischen Fakultäten gibt es nur zwölf Hygieneinstitute - davon immerhin sechs in NRW. Von diesen zwölf Instituten beschäftigten sich laut UKM lediglich sieben mit der Erforschung von Krankenhauskeimen. "Wir brauchen auf diesem Gebiet eine staatlich geförderte Ausbildungsinitiative", mahnte Roeder.

Pro Jahr bis zu 40.000 Tote

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Krankenhauskeime gelten weltweit als wachsende Gefahr für die Gesundheit von Klinikpatienten. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge ist eine solche Infektion allein in Deutschland pro Jahr für den Tod von 15.000 bis 40.000 Patienten verantwortlich. So starben etwa im Vorjahr am Klinikum Bremen-Mitte drei Frühchen an einem multiresistenten Darmkeim. Mehrere erkrankten schwer. "Das kann im Prinzip in jedem Krankenhaus passieren", räumte Roeder ein. "Zu der menschlichen Katastrophe kommt dann der Rufschaden für das betroffene Krankenhaus hinzu." Umso wichtiger sei deshalb die entsprechende Hygiene-Vorsorge.

Am UKM sei es gelungen, durch die vor fünf Jahren eingeführte Vorab-Untersuchung neuer Patienten auf einen Befall mit dem häufig vorkommenden MRSA-Keim die Zahl solcher Infektionen um rund die Hälfte zu reduzieren. Doch unterm Strich wird die Bekämpfung der Keime immer schwieriger, wie Experten warnen. Zum einen können sich Erreger in wenigen Stunden per Flugzeug rund um den Globus verbreiten.

Zum anderen gibt es immer wieder neue Keime, die mit der Zeit auch resistent gegen den Einsatz von Antibiotika werden. Überall auf der Welt erforschen Mediziner deshalb die vielfach unbekannten Infektionswege, um die Vorsorge gegen eine Ansteckung zu verbessern. Doch die Aussichten scheinen langfristig düster: Der Dekan der medizinischen Fakultät des UKM, Wilhelm Schmitz, sagte: "Zum Ende des Jahrhunderts werden Infektionen weltweit wohl der Killer Nummer eins sein." (dapd)