Halver.

Mit voraussichtlich 14 Monaten Haft muss ein 53-jähriger Halveraner sein Nichterscheinen zu einer Berufungsverhandlung im Landgericht büßen. Am 15. August 2012 solle er seine Lebensgefährtin und Verlobte in der gemeinsamen Wohnung in Halver gegen eine Heizung gestoßen und am 26. Oktober seine Tochter gewürgt und geschlagen haben.

Die zum Ort des Geschehens geeilten Polizeibeamten konnten die Anzeige nicht aufnehmen, weil alle drei Beteiligten zu betrunken für eine Aussage waren. Dennoch kam es schließlich zu einer Anklage gegen den 53-Jährigen, über die am 5. März 2013 im Amtsgericht Lüdenscheid verhandelt wurde. Die mutmaßlich Geschädigten machten dabei von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Nach diesem Schritt durften unter Berücksichtigung der Strafprozessordnung die Aussagen der drei Polizisten, die die Beteiligten vor Ort und bei der Aufnahme der Anzeige befragt hatten, vor Gericht nicht mehr verwertet werden.

Dennoch verurteilte Amtsrichter Andreas Lyra den Familienvater aufgrund der Aussagen der Polizisten wegen zweifacher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung. Diese Entscheidung bedeutete auch den Widerruf von mehreren kleinen Bewährungsstrafen des Angeklagten, die sich auf weitere zehn Monate summierten. Weil es aufgrund des zweifelhaften Zustandekommens des Urteils gute Gründe gab, dagegen vorzugehen, legte Verteidiger Frank Peter Rüggeberg Einspruch ein.

Gericht musste Berufung verwerfen

Über diesen sollte Montag vor einer Berufungskammer des Landgerichts verhandeln werden. Auch der Staatsanwaltschaft hatte das Urteil nicht gefallen, weil Amtsrichter Andreas Lyra mit vier Monaten Haft deutlich unter dem Antrag der Staatsanwältin geblieben war, die in der ersten Instanz zwölf Monate gefordert hatte. „Zu milde“ hieß es in der Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft in weitgehender Verkennung der eigentlichen Problematik, wie Frank Peter Rüggeberg anmerkte. Seine begründete Hoffnung auf einen Freispruch in zweiter Instanz wurde allerdings entscheidend durch die Abwesenheit des Angeklagten ausgebremst. „Er wäre freigesprochen worden“, bedauerte der Anwalt.

Das Gericht musste aufgrund der Abwesenheit des Angeklagten die Berufung jedoch verwerfen, was in der Summe wohl auf 14 zu verbüßende Haftmonate hinauslaufen wird. „Ich wäre gekommen“, verabschiedete sich ein trauriger Anwalt und pflegte das Prinzip Hoffnung: „Vielleicht hat er ja eine gute Begründung für sein Fernbleiben.“ Nur dann könnte es eine zweite Chance geben, dass sich ein Richter, zwei Schöffen, ein Gerichtsschreiber, ein Staatsanwalt, ein Bewährungshelfer, ein Verteidiger, drei Polizisten und eine Justizbeamtin noch einmal zusammenfinden, um ein – aus juristischer Sicht – mutmaßliches Fehlurteil aus der Welt zu schaffen.