Lüdenscheid.

Vor dem Landgericht Hagen wird zurzeit ein massiver Gewaltexzess verhandelt. Ein Zeuge wollte vorbeugen: Ob es denn vielleicht möglich sei, dass der Angeklagte für die Zeit seiner Vernehmung den Gerichtssaal verlasse, wollte er vom Justizwachtmeister am Eingang wissen. „Dem würde ich ungern begegnen.“

Der Gefragte verneinte pflichtgemäß, und so machte der 20-Jährige tapfer seine Aussage über seine einzige Begegnung mit dem 32 Jahre alten Angeklagten am 16. März 2013 in einer Wohnung in Lüdenscheid.

Mit dem Zeugen war an jenem Tag ein 23-jähriger Bewohner zuhause, den das Geschehene so mitgenommen hatte, dass seine Zeugenvernehmung im Landgericht unterbrochen werden musste. Und doch waren beide nicht das Hauptziel des 32-jährigen Angeklagten, der es gemeinsam mit einem noch unbekannten Mittäter vor allem auf einen 22-Jährigen abgesehen hatte.

Opfer litt noch lange unter den Folgen

Schon nach dem ersten Schlag direkt nach dem Öffnen der Wohnungstür ging dieser zu Boden. Es folgten Drohungen und vor allem ein massiver Gewaltexzess: Die Zeugen berichteten von Tritten gegen den Oberkörper, gegen die Rippen, in den Magen und vor allem gegen Kopf und Hals. Weil dabei ein Ohrring abgerissen wurde, blutete das Opfer.

Später steckten ihm die Täter eine brennende Zigarette in die Nase und streuten Asche in seinen Mund. Dass die Täter ihm die Zigarettenglut noch in den Mund steckten, verhinderte das Opfer durch seine zusammengepressten Lippen. „Ich konnte mir das nicht ansehen. Ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagte der 23-jährige Zeuge am ersten Verhandlungstag im Landgericht Hagen. Und er fügte hinzu: „Ich habe nur gebetet, dass ich hier lebend wieder rauskomme.“

Schwere Schlafstörungen, Panikattacken und Herzrasen waren die Folge. Auch das schwer getroffene Opfer litt noch lange unter den Folgen: „Es ist unangenehm, durch dunkle Gassen zu laufen und zu wissen, der Andere läuft noch irgendwo rum. Es ist ein bedrückendes Gefühl, vor die Tür zu müssen.“ Die Frage, ob er bereit sei, eine Entschuldigung des 32-Jährigen entgegenzunehmen, beantwortete der Zeuge kühl: „Persönlich nicht – wenn, dann schriftlich.“

Opfer bestreitet Darstellung vehement

In der Tat hatte der Angeklagte zu Beginn der Verhandlung in wesentlichen Punkten ein Geständnis abgelegt und dabei versucht, den Gewaltausbruch zu erklären. Wie so oft, stand dabei eine Frau mit im Raum: Sie war zunächst mit dem Opfer zusammen gewesen, um sich dann dem Angeklagten zuzuwenden. Wohl mit ihm hatte sie ein Kind, das die beiden angeblich bei einem Badeunfall in Ägypten verloren.

Das Opfer behauptete, lediglich ungläubig auf die Nachricht vom Tod des Kindes seiner Ex-Freundin reagiert zu haben. Der Angeklagte trug jedoch vor, dass sich der 22-Jährige in einer Kurznachricht erfreut bis amüsiert über den Tod des Kindes geäußert habe. Das sei der Grund gewesen, warum er derart sauer gewesen sei, erklärte der Angeklagte. Das Opfer bestritt diese Darstellung vehement: „Ich habe mich nicht über den Tod des Kindes lustig gemacht“, behauptete der 22-Jährige im Gerichtssaal.

Prozess wird Freitag fortgesetzt

Wie tief die Gräben immer noch sind, machten Zwischenfälle vor dem Verhandlungssaal deutlich: Dort forderte die Partnerin des Angeklagten das Hauptopfer auf, sich ihr zweites, lebendes Kind noch einmal anzuschauen, da er in wenigen Tagen tot sei. Anwalt Dominik Petereit berichtete, dass die Dame ihm mit der flachen Hand vor dem Kehlkopf deutlich gemacht habe, dass auch er sich nicht sicher fühlen dürfe.

Der Vorsitzende Richter Mark Austermühle reagierte auf die Berichte und drohte der Kindsmutter die sofortige Entfernung aus dem Gerichtsgebäude an. Und weil diese nach dem Verweis nicht schweigen mochte und von „Lügnern“ redete, wurde der Richter laut und deutlich: „Raus!!!“

Der Prozess wird am Freitag ab neun Uhr fortgesetzt.