Altendorf-Ulfkotte. . Die Bisbu organisierte 2005 bis ‘09 den Protest gegen den Bergbau – und ist mit knapp 600 Mitgliedern bis heute der zweitgrößte Verein im Dorf. Initiator Klaus Wagner: „Das Thema ist ja nicht zu Ende“
Griffig könnte man so formulieren: Bisbu gegen RAG, Bürger gegen Bergbau, David gegen Goliath. Als das Bergwerk Lippe (in dem Dorstens Pütt Fürst Leopold aufgegangen ist) unter der Erde von Altendorf-Ulfkotte Kohle förderte und über der Erde Häuser beben und den Erdbach rückwärts fließen ließ, formierte sich Protest im Dorf. Klaus Wagner (67) initiierte 2005 die „Bürgerinitiative zum Schutz vor Bergbau- und Umweltschäden“, ist bis heute Vorstandssprecher der Bisbu, die mit fast 600 Mitgliedern nur wenig kleiner ist als der Schützenverein. Im WAZ-Gespräch zieht er Bilanz – und skizziert künftige Aufgaben der Bisbu. Auch mehr als vier Jahre nach dem Ende der Kohleförderung. „Das Thema ist ja nicht zu Ende“, sagt er.
Herr Wagner, Sie haben was gegen Bergbau . . .
Nein. Ich bin geboren in Wanne-Eickel, aufgewachsen in Gelsenkirchen, immer war eine Schachtanlage in der Nähe, ich habe Freunde, die im Bergbau tätig sind. Als wir 1978 nach Altendorf gezogen sind – ich wollte ein lebenswertes Umfeld für meine Familie – haben wir uns aber erkundigt, ob hier Bergbau umgeht. Damals bekamen wir das Signal: Wegen der besonderen Beschaffenheit des Untergrunds wird hier nicht mehr gefördert.
Und dann kam es anders?
Ja, 2005. Erst haben wir nichts gemerkt. Weder Rappelei noch Risse im Haus. Aber dann gingen die Erdbeben los. Unsere älteste Tochter stand im ersten Staatsexamen, konnte kaum in Ruhe lernen. Erst haben wir gehofft, das ist nur vorübergehend, das kann ja kein Dauerzustand sein . . .
. . . es blieb aber ein Dauerzustand.
Leider. Ich habe dann beschlossen, andere Leute anzusprechen, bin als Zugezogener durchs Dorf gegangen. Und bin auf Gehör gestoßen. Als hätten alle darauf gewartet, dass endlich jemand die Initiative ergreift. Es gab dann schnell ein erstes Gespräch mit der Werksleitung des Bergwerks Lippe. Wir wollten, dass der Abbau in ein unkritisches Gebiet verlegt wird, hinter die Hürfeldhalde. Aber die haben uns belächelt und auflaufen lassen.
Und dann wurde die Bisbu gegründet?
Ja, im September 2005. Die Gründer spiegelten den Querschnitt der Bevölkerung. Und ohne arrogant wirken zu wollen: Wir waren auch intellektuell ganz gut aufgestellt. Nach Gründung hat die RAG-Spitze um ein Gespräch gebeten. Die wollten wohl testen, ob man uns ernst nehmen muss oder lächelnd wegspielen kann. Aber die haben schnell gemerkt, mit wem sie es in Zukunft zu tun haben.
Mit der Ruhrkohle haben Sie sich einen großen Gegner ausgesucht . . .
Nicht nur mit der Ruhrkohle. Als in Wulfen der Rahmenbetriebsplan fürs Bergwerk Lippe öffentlich erörtert wurde, haben wir einen Bustransfer aus Altendorf organisiert, waren gut vorbereitet, sehr präsent und wurden juristisch beraten. Dabei sind auch die ersten Konfrontationen mit Bergaufsichtsbehörde und Stadt aufgeflammt. Im Rathaus haben wir als Dorstener Bürger überhaupt keine Unterstützung gefunden. Da fühlten sich viele Altendorfer als Ausgestoßene.
War dieser große Aufwand für die Planerörterung ein Erfolg?
Teilweise. Wir wollten vor allem Nebenbestimmungen erreichen, die den Kohleabbau für uns erträglich machen. Und konnten am Ende doch nur Regelungen für den Altendorfer Friedhof durchsetzen, damit dort das Grundwasser nicht zu hoch steigt und der Flurabstand gewahrt bleibt.
„Die Kreuzaktion hat dazu geführt, dass plötzlich Fernsehteams ins Dorf kamen“
In der Folge wurden die Aktionen der Bisbu schriller . . .
Natürlich. Bergbau und Behörden haben sich über unsere begründeten Einwände hinweg gesetzt. Was macht so etwas mit Menschen? Das verschärft nur den Protest. Plötzlich hatten wir ein Dorf voller Wutbürger. Das war auch an unseren weiteren Aktionen erkennbar: Kreuze in Vorgärten, Fackelzug, Autokorso.
Der laute Ton war auch umstritten.
Aber wir haben das Thema Bergbau in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. Die Kreuzaktion zum Beispiel hat dazu geführt, dass plötzlich Fernsehteams ins Dorf kamen.
Wie schlimm waren Bergschäden?
Ich behaupte keck, es gibt in Altendorf kein Gebäude, das keine Schäden hat. Das geht von Kleinigkeiten bis hin zu wirtschaftlichen Totalschäden. Davon hatten wir einige.
Der Bergbau hat oft den Eindruck erweckt, dass Bürger ihm Schäden unterschieben wollten . . .
Na und? Wenn womöglich mal ein Fremdschaden auf Kosten der RAG mit repariert wurde, finde ich das in Ordnung. Dafür mussten die Leute über Jahre Belastungen ertragen, Erderschütterungen und Auseinandersetzungen.
Größter Erfolg: Das letzte Baufeld der Kohleförderung ging nicht unters Dorf
Welche Erfolge kann die Bisbu vorweisen?
Das letzte Baufeld wurde nicht bis in die Dorfmitte getrieben, sondern endete am Sportplatz. Hausbesitzern wurde ein Zustandserfassung ihres Gebäudes angeboten – einmalig in Bergbaugebieten. Und der wichtigste Erfolg: Der Bergbau wurde ein Jahr früher eingestellt.
Dass der Kampf der Bisbu Ursache für die vorzeitige Schließung des Bergwerks war, wird die RAG abstreiten.
Ich weiß. Wäre ich bei der RAG, würde ich das auch behaupten.
Ende 2008 wurde das Bergwerk Lippe stillgelegt, der Abbau beendet. Fachleute sagen, nach fünf Jahren tritt „Bergruhe“ ein. Braucht Altendorf die Bisbu noch?
Natürlich. Die RAG räumt mittlerweile selber ein, dass Bergschäden auch nach acht oder zehn Jahren noch auftreten können. Mir sind Schäden bekannt zwölf Jahren nach dem Abbauende. Außerdem bleibt die Gefahr von Hebungen, wenn die Gruben voll Wasser laufen. Das kann noch schlimmere Schäden verursachen. Da müsste die Stadt eigentlich Höhenmessungen an Gebäuden veranlassen, damit Verursacher im Schadensfall ermittelt werden können. Dafür gibt es millimetergenaue Satellitensysteme. Und nach wie vor machen wir viele Beratungen in Einzelfällen. Das Thema Bergbau ist in Altendorf ja nicht zu Ende.