Altendorf-Ulfkotte. . Franz-Josef Breil entstammt einer (der vielen) uralten Familien im Dorf. Er ist hier tief verwurzelt und in Vereinen aktiv. Beim Rundgang mit der WAZ zeigt er auch den Familienhof an der Bochumer Straße
Ganz oben steht – einsam -- Johann Breyels, erstmals erwähnt um 1450. Der Stammbaum wird von Generation zu Generation rasch breiter, aus Breyels wird Breyll, schließlich Breil. Vielleicht lebt die Familie schon seit über 1000 Jahren in Altendorf-Ulfkotte, seit Karl der Große Kaiser war in Deutschland. „Aber das kann man natürlich nicht nachweisen”, sagt Franz-Josef Breil. Sicher ist das: Der pensionierte Gymnasiallehrer für Mathe und Erdkunde entstammt einer der ältesten Familien nicht nur in Altendorf, sondern in ganz Dorsten.
Ein uralter Siedlungsplatz
Der Sprengel ganz im Süden der Lippestadt ist ohnehin ein uralter Siedlungsplatz. Bewohnt wohl schon vor 3000 Jahren. Forscher haben Hügelgräber und ein Steinbeil gefunden. Geprägt über Jahrhunderte von Landwirtschaft. Ein Bauerndorf. Viele Höfe. Wenige Wohnhäuser. Auch Franz-Josef Breil kommt „vom Hof”. Den es noch gibt an der Bochumer Straße, den sein Bruder Theo heute bewirtschaftet, das Haus teilweise noch aus Fachwerk. In der Scheune der Familie wurden um 1750 erstmals die Altendorfer Kinder unterrichtet. Der Lehrer war eigentlich Schäfer – so ist in den Chroniken vermerkt – und verdiente im Winter sein Geld damit, dass er Lesen und Schreiben vermittelte. Es gibt einige Familien in Altendorf, die auf so eine jahrhundertelange Geschichte zurück blicken können.
Franz-Josef Breil hat sein ganzes Leben in Altendorf verbracht. Hat den Wandel erlebt von der Streusiedlung zum kleinen Stadtteil, behutsam gewachsen durch ein kleines Baugebiet alle paar Jahre, hat hier 1980 selbst ein Haus gebaut für seine Familie. Weniger als 1000 Seelen zählte das Dorf, als er Kind war. Über 2000 sind es heute. Das Dorf wuchs maßvoll. Das Ansehen der Häuser und die Integration der Neubürger findet Breil gelungen.
Was geblieben ist: Die dörfliche Struktur. „Früher kannte man jeden”, erzählt Breil. Heute sind es immerhin noch die meisten. Unterwegs grüßt er links, grüßt er rechts. Ein kurzes Hallo, ein lockerer Spruch an den Busfahrer von Kremerskothen, der vor der Grundschule wartet.
Verloren ging in den letzten Jahren aber die dörfliche Infrastruktur. Früher gab’s drei Lebensmittelläden, Frisör, Schuster, Schneider. „Und Gaststätten hatten wir reichlich”, erzählt Franz-Josef Breil. Heute sind’s noch zwei. Es gibt eine Bäckerei und die Bank. Das war’s auch schon.
Zusammenhalt prägt das Dorf, früher wie heute. Und der Kitt dafür sind die Vereine. Der Schützenverein zuerst, der 361 Jahre alt ist und 650 Mitglieder zählt. Breil ist seit 1964 dabei. „Der Verein war schon immer ganz wichtig fürs Dorf”, erzählt er. Hat Feste ausgerichtet, Weihnachtsfeiern, an denen alle teilnahmen. „Man kann jedem Zugezogenen nur raten einzutreten.”
Der Zusammenhalt ist auch heute unverändert stark. Als in den 1990ern das Ehrenmal für die Gefallenen der Weltkriege saniert werden musste – Kosten: 25 000 Mark – haben Schützen, Sportvereine, Feuerwehr, Landwirtschaftlicher Ortsverein und andere die Aufgabe gemeinsam geschultert. „Das hat das Dorf alleine gestemmt. Hier packen alle mit an”, sagt Franz-Josef Breil.
Zum funktionierenden Dorf gehört auch, dass sich die Bürger in Vereinen engagieren. Breil ist Schütze, hat den Sportverein und den Tennisclub mit gegründet, viele Vorstandsposten übernommen, Altendorf im Bezirksausschuss der Stadt vertreten, war aktiv auch im Widerstand gegen die Aufschüttung der mächtigen Hürfeldhalde in den 1980ern. Noch bis 2018 will der Bergbau hier taubes Gestein abkippen. Millionen Kubikmeter Geröll wachsen zu einem Berg. Wo er steht, waren mal Bauernhöfe.
Der Bergbau war und bleibt ein Reizthema im Dorf. Die Halde, Gebäudeschäden durch den Kohleabbau zwischen 2005 und 2009. „Das hat Unruhe gebracht”, sagt Franz-Josef Breil. Und der Bergbau prägt auch das Verhältnis zwischen Stadt und Stadtteil. Bis 1975 gehörte Altendorf zum Amt Marl. „Aber wir fühlten uns nie als Marler. Sogar der Bus dahin fuhr erst nach Dorsten und dann nach Marl. Nein, wir gehörten immer zu Dorsten”, sagt Breil. Nur im Kampf gegen die Halde und gegen das Bergbaurumpeln unter Tage – „da fühlten wir uns von der Stadt allein gelassen.”
Allein gelassen werden die Altendorfer heute von ihren Kindern. Es ist wie in allen Dörfern. Auch die von Franz-Josef und Helene Breil sind weggezogen. Kommen zwar immer noch gern nach Hause zurück. Aber dass sie hier bauen? Nein. Die Alten bleiben. Franz-Josef Breil: „Ich bin Altendorfer und Ulfkotter. Ich werde nie hier weg gehen.“