Rees. In Grietherbusch beklagen Angler, dass sie nur noch selten Zander, Rotaugen oder Brassen am Haken haben und stattdessen nur noch Grundeln. Wissenschaftler der Uni Köln untersuchen nun, ob die eingewanderten Fische die einheimischen wirklich verdrängen.

Es ist nicht der Geschmack der Grundeln, der den Anglern aufstößt, sondern vielmehr ihre geringe Größe. Inzwischen haben sich Kessler-, Schwarzmaul- und Flussgrundeln derart stark vermehrt, dass Angler und Naturschützer befürchten, dass die Neulinge heimische Fischarten verdrängen oder längst verdrängt haben. Dieser Frage geht gerade das Zoologische Institut der Universität Köln, Außenstelle Grietherbusch, wissenschaftlich nach.

Immer das gleiche Ergebnis

Deren Leiter, Dr. Jost Borcherding, hat vier Angler ausgesandt, acht Stunden lang an einer Stelle des Rheins zu angeln. Mit dem Ergebnis, dass von 300 gefangenen Fischen 296 Grundeln waren. „Egal, an welcher Stelle, zu welcher Zeit oder mit welcher Methode wir gefischt haben, das Ergebnis ist immer gleich“, sagt Borcherding. Mindestens 80 Prozent der Beute sind Grundeln, eine aus Osteuropa eingewanderte Fischart.

Eine Tatsache, die nur zwei Thesen zulässt: Entweder hat die Fischmenge im Rhein insgesamt abgenommen oder die einheimischen Fische werden tatsächlich von den Grundeln verdrängt. Aber: Diese Frage zu beantworten ist eine Herausforderung.

Vergleichbare Untersuchungen hat es in der Vergangenheit nämlich nicht gegeben. Aber: Es wurde unter anderen Fragestellungen geforscht. Borcherding: „Diese Ergebnisse gilt es jetzt so auszuwerten, dass die Fehlerquellen möglichst gering, die Daten damit für unsere Fragestellung nutzbar werden.“

Algenbestand geht zurück

Dr. Jost Borcherding arbeitet und forscht in einer Aussenstelle der Uni Köln in Rees-Grietherbusch. Foto:Roy Glisson
Dr. Jost Borcherding arbeitet und forscht in einer Aussenstelle der Uni Köln in Rees-Grietherbusch. Foto:Roy Glisson © WAZ FotoPool

Nur ein Beispiel sei genannt: Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hat ermittelt, dass sich seit Beginn der 1980er-Jahre die Menge der Algen im Rhein um 80 bis 90 Prozent verringert hat.

Das hatte zur Folge, dass die Organismen, die sich von Algen ernähren, ebenfalls zurückgegangen sind. Und somit letztlich auch die Zahl der großen Fische wie Zander, Rotauge und Co. abgenommen hat. Hatte man 1984 bei den Rotaugen noch 260 Kilogramm Biomasse pro Hektar vorgefunden, so liegt der Wert derzeit nur noch bei 40 Kilogramm.

„Jetzt versuchen wir herauszufinden, wie groß das System insgesamt – also auf allen Stufen der Nahrungspyramide, von den Algen angefangen über die Muscheln und Krebse bis hin zu den kleinen und großen Fischen – sein muss, damit alle überleben können“, erklärt der Forscher. Dafür muss jede einzelne Fischart separat betrachtet werden.

Wissenschaftler interessieren sich für die Grundeln 

Auf der anderen Seite sind die Grundeln im Visier der Wissenschaft. „Erste Beobachtungen zeigen, dass die Grundeln am Büfett die besseren Ellbogen haben“, so Borcherding. Das heißt auch: Sie finden den Weg zum Köder am Angelhaken schneller. Weiterer Punkt: Die kleinen Grundeln beginnen schon früh, andere Fischlarven zu fressen. „In einem nicht erwarteten frühen Stadium“, hat Dr. Jost Borcherding und seine Mitarbeiter erstaunt. Es gilt nun zu klären, welchen Einfluss diese Tatsache auf das gesamte System hat.

Und noch eines ist auffällig: Die Mobilität der Grundeln ist extrem hoch. Eine Wissenschaftlerin der Uni Köln hat jüngst 500 Grundeln gefangen, farblich markiert und an gleicher Stelle wieder ausgesetzt. 24 Stunden später fischte sie erneut 500 Grundeln ab. Im Netz fand sie aber nur zwei der markierten Fische. Borcherding: „Da ist also richtig Dynamik im System!“

Übrigens: Es gibt noch eine weitere eingewanderte Grundel, die Marmorgrundel. Sie ist aber völlig unauffällig.

Zum Begriff "Invasive Arten"

Drei Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit der Wissenschaftler von invasiven Arten oder Neobiota, also hier eingewanderten und hier nicht heimischen Arten, spricht.

Die neuen Arten müssen direkt oder indirekt durch den Menschen eingeführt oder eingeschleppt worden sein.

Als sogenannter „Stichtag“, also frühester Zeitpunkt für Neobita, hat man die Entdeckung Amerikas 1492 markiert, weil das den transkontinentalen Handel extrem ankurbelte und damit die Schleusen für Tiere weiter öffnete.

Die Arten müssen sich auf dem neuen Territorium nicht nur vermehren, sondern dort mindestens drei Generationen ohne menschliches Eingreifen überleben.