Grietherbusch. Unsere Serie über Schäden, die nicht heimische Pflanzen und Tiere bei uns verursachen. Nilgans, Nutria, Waschbär, Bärenklau und Ambrosia haben eines gemeinsam: Sie haben am Niederrhein Fuß gefasst, ihre ursprüngliche Heimat ist die Rheinschiene aber nicht.
. Man könnte annehmen, die Neuankömmlinge bereicherten die heimische Fauna und Flora. „Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Dr. Jost Borcherding, Leiter der Ökologischen Forschungsstation Grietherbusch, die zur Uni Köln gehört. Sie nähmen vielmehr den lokalen Arten die Ressourcen weg. Mit dem Ergebnis, dass die Artenvielfalt und damit auch die Vielfalt der Ökosysteme abnimmt. Ein Phänomen, das weltweit zu beobachten ist.
„Stellen Sie sich vor, Sie fahren nach Köln und können zwischen 1000 Restaurants, Italiener, Türken, Chinesen und mehr wählen“, sagt der Wissenschaftler. „Und stellen Sie sich weiterhin vor, sie kämen nach 20 Jahren zurück und fänden immer noch 1000 Restaurants vor, aber mit gleicher Speisekarte“, macht er bewusst ein plakatives Beispiel. Das, so sagt Borcherding, passiere gerade weltweit in der Tier- und Pflanzenwelt. Wissenschaftler sprechen schon von einer McDonaldisierung der Lebensräume. Die NRZ wird in einer Serie die aus anderen ökologischen Systemen stammenden Tier- und Pflanzenarten, die bei uns Fuß gefasst haben, vorstellen – mit all den damit verbundenen Problemen für das heimische Ökosystem.
Diese Arten, die durch menschliche Einflussnahme in ein Gebiet Einzug gehalten haben, in dem sie nicht einheimisch sind, bezeichnet man als invasive Arten oder Neobiota. Als Unterbegriff für eingeschleppte Tiere ist der Begriff Neozoen (Neu-Tiere) gebräuchlich, in der Pflanzenwelt spricht man von Neophyten (Neu-Pflanzen).
Dabei muss man eines wissen: Von 1000 invasiven Arten überleben nur zehn Prozent, also 100 Arten. Von diesen 100 Arten schaffen es wiederum nur 10 Prozent, hier drei Generationen zu bilden. Neun dieser Arten gliedern sich unauffällig ein, eine jedoch bereitet Probleme „Diese können unterschiedlichster Art sein, das können beispielsweise Probleme für die Umwelt, für die Gesundheit des Menschen oder für die Wirtschaft sein“, weiß Jost Borcherding.
Nichteinheimische Arten wurden früher bewusst anderswo angesiedelt. Beispielsweise planten die Engländer, ihre heimische Fauna auch in Neuseeland zu etablieren. Mit verheerenden Folgen vor allem für die Vogelwelt. „Dort hatte es bis dahin bis auf eine Fledermausart kein einziges Säugetier gegeben“, sagt Borcherding. Zwischen 1760 und 1910 siedelten die Engländer dort 54 Säugetierarten an. Die weitgehend flugunfähigen Vögel, die dort heimisch waren und sind, sahen sich plötzlich Fressfeinden wie Katzen gegenüber. Mit der Folge, dass elf Prozent aller weltweit vom Aussterben bedrohten Vogelarten neuseeländische sind.
Andere Arten führte man als Schädlingsbekämpfer ein. Die Aga-Kröte zum Beispiel wurde in Zuckerrohrplantagen auf Australien ausgesetzt, um dort die Schadinsekten zu vertilgen. „Die beiden sind sich aber nie begegnet“, sagt Dr. Borcherding. „Weil der Käfer tagaktiv, die Kröte nachaktiv ist.“ Dies war aber nicht nur in Hinblick auf die Schädlingsbekämpfung eine Fehlentscheidung. Die negativen ökologischen Folgen, die durch ihre künstliche Ansiedlung entstanden sind, dienen heute als Paradebeispiel für die enormen Risiken einer unüberlegten biologischen Schädlingsbekämpfung. An der Ostküste Australiens, wo die Population der handtellergroßen giftigen Kröten jedes Jahr um 25 Prozent zunimmt, sind sie für das Aussterben vieler einheimischer Reptilienarten verantwortlich.
Dass invasive Arten auch enormen wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen, zeigt sich an der Zebramuschel. Im Bauch vom Ozeanriesen schaffte sie den Weg über den großen Teich. Borcherding: „In großen Häfen wie dem Hamburger Hafen wird Wasser in die Tanks gepumpt, damit die Schiffe tiefer im Wasser zu liegen.“ Vor der Küste des Zielorts wird das Wasser dann wieder abgelassen. „Im Wasser befinden sich aber auch die im Plankton frei schwimmenden Larven der Zebramuschel“, erklärt Borcherding. In Nordamerika trafen und treffen sie noch heute auf beste Lebensbedingungen. Nur ein bis zwei Jahre benötigten sie, um die Ansaugrohre für Kühlwasser an Kernkraftwerken undurchlässig zu machen. Die Amerikaner zwang das bereits, ihre Kernkraftwerke zeitweise abzuschalten. Daraus hat man Lehren gezogen. Heute wird das angepumpte Wasser gefiltert und nicht mehr vor der Küste, sondern noch auf hoher See abgelassen.
Stärkster Antreiber für die Ausbreitung von nicht heimischen Arten ist laut Borcherding die Globalisierung. Er hält ein sensibleres Umgehen mit dem Thema für dringend geboten. Borcherding: „Sie können problemlos einen Apfel aus Australien nach Deutschland mitnehmen.“ Umgekehrt schaffe man es aber nicht, ihn durch die Kontrollen zu bringen. „Weil man dort schon mehr Bewusstsein für den durch Neobiota entstandenen Schaden entwickelt hat.“