Essen. . 16 Jahre hat hat die versammelte deutsche Automobilindustrie gebraucht, um ein bezahlbares Hybridfahrzeug auf die Räder zu stellen: den Jetta von VW. Ob sich das Warten gelohnt hat?

Vor nicht weniger als 16 Jahren stellten Toyota und Honda die ersten Hybridautos mit zusätzlichem elektrischen Antrieb der Welt vor. Genauso lange hat die versammelte deutsche Automobilindustrie gebraucht, um ein bezahlbares Hybridfahrzeug auf die Räder zu stellen: den Jetta von VW. Ob sich das Warten gelohnt hat?

Ja, es hat. Dank seines viel besseren Getriebes ist der Jetta gegenüber dem Hybridpionier Prius (ab 26 800 Euro) im Vorteil. Zur Erinnerung: Toyota führt die Leistung von Verbrennungs- und Elektromotor in einem stufenlosen Automatikgetriebe zusammen. Das ist beim Dahingleiten komfortabel. Drückt man jedoch nur ein bisschen fester aufs Gaspedal, wählt das Getriebe sofort und unvermeidbar eine niedrige Übersetzung wie in einem kleinen Gang. Der Motor heult ohrenbetäubend auf.

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Fahrspaß sieht anders aus, und die 136 Prius-PS fordert man nur ungern ab. Oberhalb von Autobahnrichtgeschwindigkeit 130 verliert das Prius-Getriebe ständig die Nerven. Gerne würde man als Fahrer eingreifen, kann man aber nicht.

Volkswagen setzt auf ein Direktschaltgetriebe mit sieben festen Gängen

Volkswagen dagegen setzt ein Direktschaltgetriebe (DSG) mit sieben festen Gängen ein, um die Gesamtleistung von 177 PS an die Vorderräder zu bringen. Da der 150 PS starke Vierzylinder-Verbrennungsmotor von einem Turbolader unter Druck gesetzt wird, bietet er eine hohe Durchzugskraft bei geringen Drehzahlen. Dazu kommt die Kraft des 27 PS starken Elektromotors. Deshalb benötigt der Jetta im Gegensatz zum Prius keine hohen Drehzahlen, außerdem kann der Jetta-Pilot die Gang-Wahl selbst bestimmen und sich für untertouriges Fahren entscheiden.

Vollhybride wie Jetta und Prius sind in der Lage, kürzere Strecken bei geringer Leistungsanforderung rein elektrisch zu bewältigen. Auch da schneidet der Volkswagen besser ab. Weiter als zwei Kilometer trägt der an Bord erzeugte Strom aber auch bei ihm nicht.

Die Spritsparsamkeit des Vollhybrids resultiert daraus, dass er dann am wenigsten verbraucht, wenn alle Verbrennungsmotoren zu saufen anfangen: Im Stadtverkehr, bei häufigem Anfahren und Abbremsen, aber am radikalsten im Stau. Dann fährt der Vollhybrid kostenlos elektrisch mit der beim Bremsen über den Generator als Strom wiedergewonnenen Energie.

Die Normverbrauchsangabe des Jetta ist wenig realistisch

Hybride sind im Prüfzyklus auf dem Papier extrem sparsam. Die Normverbrauchsangabe des Jetta Hybrid von 3,9 Liter ist ebenso wenig realistisch wie der vergleichbare Wert des Prius. In der Praxis sind es bei beiden 50 Prozent mehr – aber mehr werden es wirklich nicht. Der Jetta Hybrid „säuft“ auch bei sehr schnell gefahrenen Autobahnpassagen (Höchstgeschwindigkeit 210 km/h) nicht mehr als gut sieben Liter. Im direkten Vergleich kam ein 105 PS starker Golf auf 9,5 Liter Benzin.

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Der Hybrid-Verbrauch in Litern betrachtet, scheint gegenüber einem Diesel mit gleichen Fahrleistungen gleichwertig zu sein. Beim Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid ist der Hybrid aber überlegen – mit rund 15 Prozent weniger. In Deutschland kostet der Jetta Hybrid (bei guter Ausstattung) ab 31 700 Euro, 1800 Euro mehr als der 140 PS starke Diesel-Jetta mit Direktschaltgetriebe und 3800 Euro mehr als der 160 PS starke Benziner mit DSG. Da muss man lange fahren, bis sich der höhere Anschaffungspreis über geringere Unterhaltkosten rechnet.

VW forciert die Hybrid-Technik nur widerwillig

Somit ist der Hybrid in erster Linie etwas für Länder außerhalb von Europa, in denen der Dieselmotor im Pkw-Bereich keine Rolle spielt, etwa die USA, Japan und China. Es ist also kein Wunder, dass Volkswagen den ersten bezahlbaren Hybrid des Hauses in ein Stufenheckmodell steckt, das in den genannten Ländern den Ton angibt.

Längst ist der einstige Golf mit Rucksack bei VW zum 4,64 Meter langen Baby-Passat mutiert, der mit dem Golf kein Blechteil mehr gemeinsam hat. Dass der Jetta Hybrid nur ein Umbau ist, beweist das aufgrund der Batterien über der Hinterachse deutlich eingeschränkte Kofferraumvolumen von 374 statt 510 Liter. Und es beweist (neben der Aufpreisgestaltung), dass Volkswagen nur widerwillig die Hybrid-Technik forciert – wie gut sie auch immer sein mag.