Berlin. Die Innenminister der Länder beraten heute in Berlin über die Neugestaltung des Verfassungsschutzes. Bundesinnenminister Friedrich will die Behörde mit mehr Kompetenzen ausstatten. Bei den Ländern sorgt dieser Plan nicht unbedingt für Stürme der Begeisterung. Ralf Jäger (SPD) warnt gar vor einer “zentralistischen Mega-Behörde“.

Die künftige Ausrichtung des Verfassungsschutzes ist am Dienstag Thema eines Treffens der Innenminister von Bund und Ländern in Berlin. Hintergrund sind die Pannen des Geheimdienstes im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur rechtsextremistischen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Die Terroristen zogen mehr als 13 Jahre unbehelligt von den Sicherheitsbehörden durch die Bundesrepublik und ermordeten zehn Menschen. Für Kritik sorgte darüber hinaus, dass noch nach dem Auffliegen der Gruppe im Bundesamt für Verfassungsschutz Akten zu dem Fall vernichtet worden waren.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gegenüber den Ländern mehr Kompetenzen geben. Demnach soll die Bundesbehörde bei gewaltbereiten Bestrebungen und Terrorismus zukünftig auch in den Ländern Daten erheben können, wie es gestern aus Regierungskreisen in Berlin hieß. Zudem soll das Bundesamt im Einzelfall die Koordinierung der Informationsbeschaffung und die zentrale Auswertung übernehmen.

Parteien, Vereine oder Verbände

Die Landesämter würden sich dann vor allem auf die Beobachtung des legalistischen Umfelds extremistischer Gruppen konzentrieren, also auf Parteien, Vereine oder Verbände. Zudem sollen nach den Plänen des Ministers alle von Bundes- und Landesämtern geführten V-Personen in einem Zentralregister beim Bundesverfassungsschutz erfasst werden.

Ferner plant Friedrich, dem Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes einen zweiten Vizepräsidenten zur Seite zu stellen, der für den operativen Überblick zuständig sein soll. Darüber hinaus sollen gemeinsame Zentren von Polizei und Verfassungsschutz auch für die Bereiche Linksextremismus, Ausländerkriminalität und Cyberabwehr entstehen. Für die Bereiche Islamismus und Rechtsextremismus gibt es derartige Zentren bereits.

Auch die parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes soll ausgebaut werden. So plant der Bundesinnenminister den Angaben zufolge, dass der Einsatz von V-Leuten für jede beobachtete Organisation vom Kontrollgremium G10 grundsätzlich genehmigt werden soll. Eine Genehmigung für jeden einzelnen Einsatz lehnt sein Ministerium dem Angaben zufolge jedoch ab. Dafür sollen zukünftig die Fraktionsvorsitzenden des Bundestages halbjährlich über die Arbeit des Verfassungsschutzes von dessen Präsidenten unterrichtet werden. Zudem sollen häufiger anlass- und themenbezogene Informationen an den Deutschen Bundestag weitergeleitet werden.

Warnung vor einer Mega-Behörde

Bei den Ländern stießen die Vorschläge auf ein unterschiedliches Echo. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) warnte vor einer "zentralistischen Mega-Behörde". Diese würde vor Ort "ein Sicherheitsrisiko" darstellen, sagte der Sprecher der SPD-geführten Länder der Innenministerkonferenz dem "Tagesspiegel".

Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) greift die Pläne zur Reform des Verfassungsschutzes scharf an. "Bund und Länder sollten die Kraft zu einem beherzten Umbau der Sicherheitsarchitektur haben und sich nicht im Klein-Klein verheddern", sagte Leutheusser-Schnarrenberger der Tageszeitung "Die Welt". Dazu gehöre die Zusammenlegung von Verfassungsschutzämtern der Länder und die Abschaffung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). "Wer nur die Möbel umstellt, baut das Haus nicht um", betonte die Ministerin. Die Lehre aus der Vergangenheit sei, dass mehr Daten nicht zu einer besseren Informationslage führen würden: "Auf die qualifizierte Auswertung der Daten kommt es an."Leutheusser-Schnarrenberger fordert eine substanziell verbesserte Kontrolle und klare Grundlagen für V-Leute. "Die Innenminister sollten exakte und enge gesetzliche Voraussetzungen für den Einsatz sowie verfahrensmäßige Schwellen für die Anwerbung und den Einsatz von V-Leuten entwickeln", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Hierfür seien dringend gesetzliche Grundlagen nötig.

Umfangreiche Neuausrichtung

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann ruft zu einer umfangreichen Neuausrichtung des Verfassungsschutzes auf. Nötig sei eine Reform "mit echten harten Konsequenzen, die die Realität des Verfassungsschutzes grundlegend verändert", sagte Oppermann der Nachrichtenagentur dapd. Auch müsse der Staatsschutz mittel- bis langfristig in Berlin angesiedelt werden. (dpad)