Bochum. Plötzlich waren sie da. Seit wenigen Wochen treffen sich radikal-islamistische Salafisten in der Bochumer Eugenstraße. Dahinter steckt ein Ex-Leibwächter von Osama Bin Laden – offiziell allerdings taucht der Name Sami A. nicht auf. Erst durch Hinweise von Bürgern wurden die Behörden aufmerksam.
Die Mezzosopranistin Karolina Gumos sollte an diesem Wochenende nicht bei offenem Fenster schlafen. Sie fände wenig Ruhe. Der Star der laufenden Ruhrtriennale hat ein Quartier in der Eugenstraße bezogen – Wand an Wand mit der Moschee, die Sami A. und seine Glaubensbrüder derzeit herrichten. „Irgendwann zwischen Mitternacht und zwei Uhr ist hier die Nacht vorbei“, sagt eine Nachbarin. „Dann kommen die Islamisten raus aus der Moschee. Dann wird es unerträglich laut.“
Die drei Frauen am Kaffeetisch sind bestens informiert. Sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. „Das ist der Bin-Laden-Typ“, sagt eine, „der macht hier die Moschee.“ Dass das Gebetshaus-Projekt von Sami A. aufflog, ist nicht dem Verfassungsschutz zu verdanken. Auch nicht der Polizei. Es ist das Verdienst einer 61-jährigen Frau, die Nachtwache schiebt in einem Heim für geistig Behinderte. Sie wohnt in der Nachbarschaft. Und sie gab den entscheidenden Tipp. Beim Ordnungsamt zeigte sie den Moscheebetrieb an, beschwerte sich über die nächtlichen Ruhestörungen.
Plötzlich war auch der Verfassungsschutz vor Ort
Der Hinweis wirkte wie ein Weckruf. Plötzlich war auch der Verfassungsschutz vor Ort. Vorige Woche bekam Uwe S. Besuch. Ein Beamter habe ihm seinen Ausweis gezeigt und Fragen gestellt. Was denn da laufe mit dieser Moschee. Was das für Leute seien.
Uwe S. ist der Vermieter des 200 Quadratmeter großen Ladenlokals, in dem sich seit Wochen bis zu 60 gläubige Muslime treffen. Er kenne Sami A. als religiösen Mann von nebenan, sagt er. „Im März habe ich mit ihm gesprochen. Da hat er sich für das Objekt interessiert.“ Aus den Formalitäten habe sich der Prediger aber herausgehalten. „Er hat einen Jüngeren geschickt, der hat das gemacht“, sagt der Vermieter. Logisch, dass der Name Sami A. nicht auftaucht im Zusammenhang mit der Moschee.
Sami A. - der Strippenzieher im Hintergrund
Diese Rolle ist ihm auf den Leib geschnitten: Strippenzieher im Hintergrund. Dezent, leise, sanft. Deshalb dürften Sami A. die letzten zwei Wochen nicht gutgetan haben. Denn niemals wurde er sorgfältiger beobachtet als seit dem 6. August 2012. Es war der Tag, an dem ihn die WAZ in Stahlhausen aufspürte. Die Enttarnung des Bin-Laden-Bodyguards in Bochum löste eine regelrechte Medienhysterie aus. Der Mann mit den persönlichen Kontakten in die Terrorspitze der El-Kaida traute sich nicht mehr aus dem Haus – so groß war die Meute, die ihm draußen auflauerte. Mindestens zweimal erschien Sami A. nicht auf der Polizeiwache, wo er sich täglich vorstellen muss. Seine Anwältin habe ihn entschuldigt, heißt es. Ihr Mandant sei unpässlich, psychisch angeschlagen, dem Rummel um sich nicht gewachsen. Da war er wieder, der sensible Sami A.: der mit dem weichen Händedruck, dem man kaum die Panzerfaust zutraut, mit der er einst Bin Laden beschützte.
Heute fühlt sich Sami A. wahrscheinlich besser. Er spricht nach wie vor nicht mit der WAZ. Und über seine Anwältin lässt er alles bestreiten, was Verfassungsschutz und BKA, Richter und Bundesanwälte über ihn wissen. Doch jetzt muss er nicht mehr mit seinem blauen Motorroller durch die Stadt düsen, wenn er seinen radikalen Glauben verbreiten will. Er muss nicht einmal fünf Minuten laufen, dann ist er in seinem neuen Reich.
„Nein“, er habe dieses Objekt nicht angemietet, sagt seine Anwältin. Viel mehr sagt sie nicht. Kein Wort davon, dass ihr Mandant die treibende Kraft des Projektes ist, wie der Vermieter es bestätigt.
Die Polizei fährt häufiger Streife
Auch andere Sachverhalte bleiben verhüllt wie die Schaufenster in dem ehemaligen Nagelstudio an der Eugenstraße. Ob Sami A. nach wie vor religiösen Unterricht gibt; was er unterrichtet, wen und wo – solche Fragen „beantwortet mein Mandant nicht“.
Die Polizei fahre jetzt häufiger Streife in der Straße, sagen die Anwohner. „Als ob das was ändert.“ Versprechen des Innenministers ernten hier Hohn und Spott. „Von wegen Schutz: Wir werden alleingelassen und müssen uns selbst helfen.“ Ein Plan kursiert: Uwe S. Geld anbieten und das Ladenlokal abkaufen. „Vielleicht sind wir die Moschee dann los.“ Und eines sei noch wichtig: „Wir kommen gut klar mit Ausländern. An der Ecke ist eine andere Moschee. Die Leute sind nett. Aber diese Salafisten wollen wir hier nicht haben. Die gefährden uns und unsere Kinder.“