Washington/Los Angeles. Im Prozess gegen den ehemaligen Leibarzt des Pop-Sängers steht jetzt medizinische Aussage gegen medizinische Aussage.
Zwei Mediziner, drei Meinungen. Auf die Jury im Prozess gegen den ehemaligen Leibarzt von Michael Jackson wartet kein einfaches Wochenende. Die Geschworenen werden, nach richterlicher Anordnung streng für sich allein, heute und morgen sacken lassen müssen, was selbst Fach-Mediziner nicht auf Anhieb zweifelsfrei beantworten können: Wer hat zu verantworten, dass der „King of Pop“ am 25. Juni 2009 starb?
Daran ist vor allem er schuld: Paul White, einer der maßgeblichen Fachleute für Narkose in Amerika. Der Anästhesist mit der Hornbrille trat als wichtigster Zeuge der Verteidiger von Dr. Conrad Murray zum Abschluss der Beweisaufnahme am Freitag im Superior Court von Los Angeles auf. Und er stellte so ziemlich alles in Zweifel, was vor ihm etliche andere Ärzte, darunter sein ehemaliger Schüler Dr. Paul Shafer, an gleicher Stelle bis ins kleinste Detail vorgerechnet oder rekonstruiert hatten.
White sieht keine Schuld bei Murray
Shafer, geladen von Staatsanwalt David Walgren, hatte Murray ursächlich für den Tod Jacksons verantwortlich gemacht. Exakt 17 schwerwiegende Verstöße gegen ärztliche Pflichten führte er gegen Murray ins Feld; darunter war der Vorwurf, dass Murray seinen Patienten 40 Minuten allein gelassen habe, nachdem er ihm das Mittel Propofol zum Einschlafen gespritzt habe.
Senior-Fachmann White hält von dieser These und seinem ehemaligen Schützling gar nichts. Er geht nach Abwägung aller Fakten davon aus, dass Jackson sich in der Abwesenheit seines Arztes eine Überdosis Propofol selbst gespritzt hat und seinen Tod somit selbst verschuldete. Unter Zuhilfenahme verschiedener Utensilien und Untersuchungs-Diagramme versuchte White der Jury seine Version der Geschehnisse in Jacksons Schlafzimmer nahe zu bringen.
Mitte der Woche stehen die Plädoyers an
Der Vortrag geriet zwischenzeitlich so kompliziert, dass selbst Murrays Verteidiger Michael Flanagan beim Fragenstellen ins Schwimmen geriet. Am Montag wird Paul White abschließend von Staatsanwalt Walgren ins Kreuzverhör genommen.
Mitte der Woche stehen die Plädoyers an. Ein Urteil ist gegen Wochenende möglich. Im Falle einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung drohen Dr. Conrad Murray vier Jahre Gefängnis.