Washington/Los Angeles. . Der Prozess um Michael Jacksons Tod bleibt verzwickt. Ab diesem Freitag werden die 15 Zeugen der Verteidigung gehört. Ein Urteil ist für Ende Oktober vorgesehen.
Auf Ed Chernoff und Michael Flanagan wartet ab sofort eine kaum mehr lösbare Herkulesaufgabe. Zum Ende der Beweisaufnahme aus Sicht der Anklage hat Staatsanwalt David Walgren im Prozess gegen den ehemaligen Leibarzt von Michael Jackson wie angekündigt seine schärfste Waffe aufgefahren.
Dr. Steven Shafer, landesweit anerkannter Fachmann für das Narkosemittel Propofol, jenen Stoff, der den Pop-Sänger nach Angaben der Gerichtsmedizin tötete, lieferte am Donnerstag im Landgericht von Los Angeles eine für den Angeklagten geradezu vernichtende Vorstellung ab. Unterlegt mit einem eigens erstellten Video (über den sachgemäßen Einsatz von Propofol) und einer umfassenden Powerpoint-Präsentation über Laborversuche mit dem Stoff an Mensch und Tier wandte sich der Experte der Columbia-Universität eindringlich an die Jury.
„Ungeheuerliche“ Fehler
Er listete 17 „unverzeihliche“ und „ungeheuerliche“ Fehler auf, die Dr. Conrad Murray am Tag des Todes von Michael Jackson begangen habe. Kernsatz: Wäre Murray seinen Fürsorgepflichten als Arzt nachgekommen, hätte er dem Drängen des Sängers nach Propofol niemals nachgeben dürfen, sondern frühzeitig eine solide Therapie zur Klärung der Schlaflosigkeit des Künstlers einleiten müssen. Dass er das üblicherweise nur zu Operationen als Narkosemittel eingesetzte Propofol dennoch verabreichte, dann aber Jackson am 25. Juni 2009 für 20 Minuten ohne Beobachtung ließ, sei ein Skandal aus dem „pharmakologischen Niemandsland, der einzigartig ist“.
Shafers Schlussfolgerung für die Jury: Hätte Murray nicht auf ganzer Linie versagt, wäre Jackson mit großer Wahrscheinlichkeit heute noch am Leben. Von großer Bedeutung dürfte im weiteren Prozessverlauf sein, dass Shafer die Behauptung Murrays anhand von wissenschaftlichen Diagrammen auseinandernahm, er habe Jackson lediglich die geringe Menge von 25 Milligramm Propofol gespritzt. Shafer hält das angesichts der gerichtsmedizinischen Resultate für gelinde gesagt deutlich untertrieben.
Ab diesem Freitag werden die 15 Zeugen der Verteidigung gehört. Ein Urteil ist für Ende Oktober vorgesehen. Sollte Murray im Sinne der Anklage – fahrlässige Tötung – schuldig gesprochen werden, drohen dem 58-Jährigen bis zu vier Jahre Haft und der lebenslängliche Entzug der ärztlichen Zulassung.