Washington. .

Es sind die Berufskollegen, die Dr. Conrad Murray immer weiter zusetzen im Prozess um die Verantwortung für den Tod von Pop-Sänger Michael Jackson. Dr. Alon Steinberg, Kardiologe aus Ventura nahe Los Angeles, ging gestern so weit wie bislang kein anderer Mediziner.

„Michael Jackson könnte noch leben“, sagte Steinberg trotz der offenkundigen Übermedikamentierung des „King of Pop“ mit dem Narkosemittel Propofol und Schlaftabletten, „wenn Dr. Murray nur die richtigen Schritte eingeleitet hätte, als Michael nicht mehr atmete.“

Anstatt umgehend die Notfall-Nummer 911 anzurufen, so Steinberg, der von der Anklage als Gutachter geladen war, habe Murray rund 20 Minuten mit der Alarmierung der Rettungskräfte gewartet und in offenkundiger Unkenntnis falsche Wiederbelebungsmethoden praktiziert.

Alles falsch gemacht

Der Herz- und Kreislaufexperte Steinberg ging noch einen Schritt weiter. Murray habe bei der Verabreichung von Propofol, einen Stoff, nach dem Jackson regelmäßig verlangt habe, um schlafen zu können, so ziemlich alles falsch gemacht, was falsch zu machen war: keine ständige Beobachtung der Herz- und Kreislauftätigkeit, keine Vorkehrungen für einen Notfall etc.

Einen Patienten mit Propofol allein zu lassen, so Steinberg, sei ungefähr so, „als ließe man ein Kleinkind unbeaufsichtigt auf dem Küchentisch liegen“. Murray habe sträflich gegen alle Regeln der ärztlichen Fürsorgepflicht verstoßen, Jackson könnte definitiv noch am Leben sein, wenn diese eklatanten Verstöße nicht passiert wären.

Vier Jahre Haft drohen

Staatsanwalt David Walgren will bis Freitag seine Zeugen-Befragung abgeschlossen haben. Ob Murray zum jetzigen Zeitpunkt selbst ins Kreuzverhör genommen wird, ist noch ungewiss. Danach hat die Verteidigung das Wort. Letztere hat gestern in bemerkenswert beiläufiger Weise eine Behauptung zurückgenommen, die vom ersten Prozesstag an Murray in ein günstiges Licht rücken sollte. Danach spreche vieles dafür, so Anwalt Ed Chernoff, dass Jackson sich in den Minuten der Abwesenheit seines Hausarztes am 25. Juni 2009 selbst die Überdosis Propofol verabreicht hat, indem er die trübe Flüssigkeit, seine „Milch“, einfach trank.

Chernoffs Sozius Michael Flanagan kassierte die These gestern ohne Angaben von Gründen ein. Der Prozess gegen Murray, der sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten muss und bei einer Verurteilung mit bis zu vier Jahren Gefängnis rechnen muss, wird heute fortgesetzt. Das Urteil wird für Ende Oktober erwartet.