Washington. . Im Prozess gegen den Leibarzt von Michael Jackson gerät der Mediziner immer stärker unter Druck. Die Staatsanwaltschaft spielte im Gerichtssaal ein erschütterndes Telefonat zwischen dem Popstar und Conrad Murray vor. Jackson klingt darauf bereits wie ein Zombie.
Die Stimme klingt wie aus dem Totenreich. Nuschelnd, stockend, fast wie im letzten Stadium spricht Michael Jackson im Mai 2009 mit seinem Hausarzt Conrad Murray über die Zukunft. Bis unter die Halskrause vollgedröhnt mit Chemie. Jener Chemie, die ihn sechs Wochen später umbringen sollte. Vier ewig lange Minuten dauerte das Telefonat, das im Saal des Landgerichts von Los Angeles in dieser Woche für Entsetzen sorgte. Die Anklage um Staatsanwalt David Walgren glaubt damit den akustischen Beweis erbracht zu haben, dass Murray, der der fahrlässigen Tötung angeklagt ist, seinen prominenten Patienten wissentlich im Zustand des fortgesetzten Medikamentenmissbrauchs gehalten hat. Bis zum Schluss.
Für Murray war es nicht der einzige Rückschlag in der zweiten Prozesswoche. Alberto Alvarez, Jacksons Leibwächter, sorgte für ein Raunen in den Zuschauerreihen, als er schilderte, wie Murray ihm am Todestag des „King of Pop“ befahl, leere Ampullen, Pillendosen und eine kleine Tüte mit einer „milchig weißen Flüssigkeit” verschwinden zu lassen. Dass es sich dabei um das starke Narkosemittel Propofol gehandelt hat, von dem Jackson über einen Zeitraum von zehn Wochen rund 15,5 Liter gespritzt bekam, steht für das Gericht außer Zweifel. Warum hat Dr. Murray es nicht erwähnt, als die am 25. Juni 2009 von ihm panisch herbeigerufenen Notärzte an das Bett des Künstlers traten?
Murray kassierte 150.000 Dollar pro Monat
Richelle Cooper, Ärztin, damals im Einsatz gewesen, sagt, Murray habe “nie ein einziges Wort von Propofol gesagt”. Erst bei der Obduktion fand die Gerichtsmedizin Restbestände in Jacksons Magen. Wenig vorteilhaft für den meist mit versteinerter Miene im Gerichtssaal zuhörenden Murray geriet auch der Auftritt dreier Damen. Sade Anding, Nicole Alvarez und Michelle Bella, Tänzerin aus Las Vegas die eine, Kellnerin aus Houston die andere, Mutter eines der vielen Kinder Murrays die dritte, mühten sich ungelenk, Murray als verantwortungsvollen Arzt erscheinen zu lassen. Wie dazu passen soll, dass der Doktor ausgerechnet in den entscheidenden Minuten vor und während Jacksons Tod mit allen dreien ausgiebig per Mobiltelefon in Verbindung stand, erschloss sich auf Anhieb nicht.
Dagegen bestätigte eine andere Zeugin den Verdacht der Staatsanwaltschaft, dass Murray es vor allem auf das monatliche Honorar von 150 000 Dollar abgesehen haben könnte, das Jackson im zahlte. Murrays eigene Praxen, berichtete die ehemalige Arzthelferin Stacey Ruggles, hätten “kaum etwas abgeworfen”. Murrays Verteidiger Ed Chernoff, tagelang im Hintertreffen, konnte am Donnerstag einen Treffer landen, dessen Bedeutung noch nicht abschätzbar ist. Er brachte eine Ermittlerin der Polizei dazu einzuräumen, bei der Sicherung des “Tatortes” schludrig mit Beweisstücken umgegangen zu sein. Chernoff will darauf hinaus, dass Jackson sich die tödliche Dosis aus Propofol und dem Schlafmittel Lorazepam selbst verabreicht haben könnte. Dafür ist die unzweideutige Zuordnung diverser Fingerabdrücke entscheidend.
Jacksons Kinder sagen kommende Woche aus
Chernoffs Kollege Michael Flanagan unterzog die Jury am Freitag einer raumgreifenden Nachhilfe-Stunde in Biochemie. Sein Versuch, aus den verschiedenen Konzentrationen verschiedener Medikamente in Jacksons Blut Honig für seinen Mandaten zu saugen, überforderte das Gericht ein ums andere Mal. Richter Pastor ging dazwischen. In der kommenden Woche könnte dem täglich live im Fernsehen zu sehenden Verfahren ein weiterer emotionaler Höhepunkt drohen, vermuten Beobachter der “Los Angeles Times”. Prince (14) und Paris (13), Michael Jacksons Kinder, waren anwesend, als ihr Vater starb und Dr. Murray sich in vergeblichen Wiederbelebungsversuchen übte. Ihre Zeugenaussagen “könnte immense Auswirkungen auf die Jury haben”.
Trauer um Michael Jackson