Schermbeck/Hünxe. Sorgen ums Trinkwasser und der Böden bei einer Querung von FFH-und Naturschutzgebieten werden laut. Wie der RVR dennoch seine Variante verteidigt
Die Pläne für die Wasserstoffleitung von Dorsten nach Duisburg, die von der Firma Open Grid Europa (OGE) und Thyssengas geplant ist, werden immer konkreter. Der Regionalverband Ruhr hat seinen bevorzugten Korridor für die Trasse in einem Raumordnungsverfahren festgelegt, er teilt die Einschätzung von OGE. Dagegen hatten zuvor hatten bereits die direkt betroffenen Gemeinden Schermbeck und Hünxe und auch der Kreis Wesel Vorbehalte geäußert.
Für viele gilt Wasserstoff-Technologie als eine wichtige Zukunftsperspektive: Daher soll das Netz der Erzeugerregionen (wie das Emsland mit der Windkraft aus dem Norden) mit den Verbrauchsregionen (hier konkret das Ruhrgebiet mit dem Duisburger Stahlwerk Thyssenkrupp Steel) verbunden werden. Grundsätzlich finden diese Pläne also eine breite Zustimmung – doch, wenn es um den konkreten Verlauf der Trasse geht, gibt es zahlreiche Bedenken.
Das Raumordnungsverfahren steht vor Planfeststellungsverfahren, zunächst galt es also die geringsten Widerstände gegen eine mögliche Trasse zu sondieren. Ein 600 Meter breiter Korridor dient als Suchbereich für die spätere Trasse. Wo die Leitungstrasse dann exakt verläuft, muss das Planfeststellungsverfahren ergeben – der Arbeitskorridor selber wird später 30 Meter (in sensiblen Bereichen 21 Meter) breit werden. Der nun beantragte Korridor berührt neben Dorsten auch die Gebiete von Schermbeck, Hünxe, Dinslaken, Oberhausen und Duisburg.
Start- und Endpunkt sind gesetz
Soviel ist bereits klar: Startpunkt der Wasserstoffleitung ist im Westen der Stadt Dorsten am geplanten Anschlusspunkt an die OGE-Leitung von Legden nach Dorsten – der Endpunkt ist in Duisburg-Hamborn am Stahlwerk von Thyssenkrupp. Der nun vorgeschlagene Weg des Wasserstoffs dorthin ist umstritten.
So wäre Schermbeck betroffen: Westlich der A31 verläuft der Antragskorridor auf Schermbecker Gemeindegebiet in südwestlicher Richtung hauptsächlich auf landwirtschaftlichen Flächen und quert südlich des Industriegebiets Schermbeck die Lippe und den Wesel-Datteln-Kanal. Im Bereich der Lippeaue knickt der Antragskorridor stärker nach Süden ab, streift den Ortsteil Gahlen und trifft auf das Waldgebiet Gartoper Busch, das auf Hünxer Gemeindegebiet liegt.
Bei einem Erörterungstermin im September 2022 wurden mehrere Anregungen und Bedenken geäußert: Unter anderem sehen in der Üfter Mark die Bezirksregierungen Düsseldorf und Münster sowie der Kreis Wesel ein Risiko für den Trinkwasserschutz. Der Kreis Wesel befürchtet einen Ausfall der Brunnengalerie durch mechanische Beschädigung oder mikrobielle Beeinflussung. Außerdem sei die Wasserschutzzone I eine absolute Tabuzone für Handlungen aller Art – abgesehen von der Trinkwassergewinnung.
RWW warnt vor Schäden
Auch die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft (RWW) warnt vor Schäden der öffentlichen Trinkwasserversorgung: Der Schutz der Trinkwasserbrunnen sei nicht ausreichend gewürdigt. Die Bezirksregierung erkennt in der Querung eines FFH-Gebietes, des Naturschutzgebietes Gartroper Mühlenbach zwischen Schermbeck und Dinslaken, „hohe naturschutzrechtliche Konfliktpotenziale.“
Selbst bei geschlossenem Leitungsbau sieht der Kreis Wesel schwere Beeinträchtigungen im FFH-Gebiet Gartroper Mühlenbach und verweist auf die dauerhafte Entnahme von Gehölzen im Wald mit der Zerstörung baumfähiger Böden. Der Kreis Wesel hält den vorgeschlagenen Korridor für unzulässig und will der Bezirksregierung Düsseldorf empfehlen, die Variante zu verwerfen und nach einer zu suchen, die die wertvollen Naturschutzgebiete schont. Man werde nicht locker lassen, so Vorstandsmitglied Helmut Czichy.
Dagegen verteidigt der Regionalverband Ruhr (RVR) seine Variante. Er begründet dies mit der geringsten Betroffenheit von FFH-Gebieten sowie dem kleinsten Eingriff in Waldflächen und geringsten Länge an Sonderbauabschnitten, mit den geringsten Raumwiderständen also.
Bedenken kommen von vielen Seiten - Open Grid setzt auf Dialogmärkte
Es gab weitere Einwendungen: Die Gemeinde Schermbeck, die Kreisbauernschaft sowie die Landwirtschaftskammer äußerten ihre Sorge um die ton- und lehmhaltigen Unterböden im Bereich Schermbeck. Der Kreis Wesel befürchtet darüber hinaus Beeinträchtigungen von Böden. Bereits auf der Antragskonferenz im August 2021 wurde übrigens der Vorschlag, das Wasserschutzgebiet Holsterhausen/Üfter Mark zu umgehen, abgelehnt.
Für den Juni 2023 plant Open Grid Europe weitere Dialogmärkte, ab Januar 2024 sollen Versammlungen mit betroffenen Grundstückseigentümern und Pächtern durchgeführt werden. Dann soll auch das Planfeststellungsverfahren beantragt werden – Ende 2026 soll der Wasserstoff durch die Leitung strömen.