Mülheim. Ein Makler-Zusammenschluss zeichnet aktuell kein gutes Bild von den Innenstädten Mülheim, Essen und Oberhausen. Was sich in Mülheim tun müsste.

Die Nachfrage nach Ladenlokalen „verhalten“ bis „niedrig“, einst funktionierende Einkaufsmeilen „unter starkem Druck“: Die Immopromeo Grundstücksbörse Ruhr sieht in ihrem Gewerbemietspiel 2024 keinen Anlass zur Hoffnung, dass die Innenstädte in Mülheim, Oberhausen und Essen gesunden. Überall sind große Probleme ausgemacht. Mit Blick auf Mülheims City empfiehlt der örtliche Makler Jens Hendrik Zerres gar einen weitreichenden Schritt.

Erstmals verzichtet Immopromeo, der Zusammenschluss von Immobilienexperten der drei MEO-Städte unter dem Dach der IHK, bei der Veröffentlichung seines Gewerbemietspiegels gar darauf auszuweisen, in welchen Preisspannen unterschiedlich große Ladenlokale in den Citys der drei Revierstädte anzumieten sind. Zu volatil sei der Markt, zu sehr geprägt von der unguten Dynamik und den Herausforderungen, denen sich Innenstädte deutschlandweit ausgesetzt sähen.

Mülheim: „Die Nachfrage nach Ladenlokalen bewegt sich auf einem niedrigen Niveau“

Mit Fördermitteln subventioniert der Staat hier und da Ladenmieten, um der Verödung von Innenstädten etwas entgegenzusetzen und Händlern, die eine Ansiedlung wagen, den Start zu erleichtern. Der Strukturwandel im Handel bringt veränderte Flächenbedarfe und Nutzungskonzepte mit sich. Längst nicht mehr sind laut Experten von Immopromeo langfristige Mietverträge der Standard. Immer mehr müssen Vermieter die unsicheren Ausgangsbedingungen mutiger Neuansiedlungen einkalkulieren. Viele Ladenlokale sind nur zum Übergang vermietet, viele stehen komplett leer. Nach aktueller Zählung von Zerres allein in der Fußgängerzone der Schloßstraße aktuell 15.

„Die Nachfrage nach Ladenlokalen bewegt sich auf einem niedrigen Niveau“, stellt Immopromeo aktuell für Mülheim fest, von einem „verdammt hohen Leerstand“ spricht Zerres. Mülheims City sei - mit Ausnahme des Forums - nicht mehr attraktiv für Filialisten. Immer mehr Läden seien mit Angeboten besetzt, die keine zusätzliche, aber nötige Kaufkraft in die Innenstadt zögen.

Mülheimer Makler beklagt Überangebot an Handelsfläche in der Innenstadt

Könnte Zerres Mülheims Innenstadthandel auf dem Reißbrett entwerfen, so wäre es ein radikaler Schnitt. Die neuen Forum-Eigentümer seien den richtigen Schritt gegangen, das Obergeschoss als Gesundheitszentrum komplett neu denken, so der Makler. Mülheim habe viel zu viel Einzelhandelsfläche. Eine gesunde Entwicklung könne die City wohl nur nehmen, wenn noch mehr Handelsfläche vom Markt genommen werde, sich der Handel nur noch „auf die Schloßstraße und vielleicht Richtung Wallviertel“ fokussiere.

Sisyphus-Arbeit: Saubermänner der MEG sind jeden Tag im Einsatz auf Mülheims Leineweberstraße, doch sie kommen kaum hinterher.
Sisyphus-Arbeit: Saubermänner der MEG sind jeden Tag im Einsatz auf Mülheims Leineweberstraße, doch sie kommen kaum hinterher. © Mirco Stodollick
Mehr als nur Sperrmüll an der Leineweberstraße: Auch Einkaufswagen liegen herum.
Mehr als nur Sperrmüll an der Leineweberstraße: Auch Einkaufswagen liegen herum. © Mirco Stodollick

„Eigentlich müsste die Leinweberstraße vom Handel befreit werden“, schlussfolgert der örtliche Immobilienmakler. Der Anteil an Fachhändlern ist auch hier merklich geschrumpft mit der Zeit. Neben acht leerstehenden Ladenlokalen fällt aktuell insbesondere sofort in den Blick, dass wilder Müll und Sperrmüll umherliegen, obwohl die MEG einmal täglich einen Mitarbeiter mit Reinigungsfahrzeug vorbeischickt. Nicht nur leerstehende Ladenlokale machen einen schäbigen, ungepflegten Eindruck. Die Cocktailbar und Lounge „Lamassu“, die laut Aushang für Partys angemietet werden kann, ist da nur ein herausstechendes Beispiel von vielen.

Jens Hendrik Zerres, Immobilienmakler aus Mülheim.

„Eigentlich müsste die Leinweberstraße vom Handel befreit werden“

Jens Hendrik Zerres

Häuser und Entrees zu den Ladenlokalen an Mülheims Leineweberstraße oft in schlechtem Zustand

Auch manche Eigentümer, Händler oder Gastronomen legen offensichtlich wenig Wert darauf, für ansehnliche Entrees zu sorgen. Dass die Stadt vor Jahren mit einer Gestaltungssatzung für die Innenstadt Vorgaben zum optischen Erscheinungsbild von Ladenlokalen in Kraft treten lassen hat, scheint kaum jemand wahrgenommen zu haben. Andererseits: Wen juckt‘s, wenn offensichtlich niemand die Einhaltung der Regeln kontrolliert. Wenige Ausnahmen gibt es: bei Tee Gschwendner etwa, auch beim neu eröffneten Herrenausstatter „Solin“.

Ladenlokale an der Leineweber in Wohnraum umzunutzen, erscheint Zerres keine Lösung an der zentralen City-Straße mit Bahnverkehr. Er blickt da eher auf die Schönheit der Leineweber, die meist erst auf den zweiten Blick ins Auge fällt. Per Bürgerinititiave war vor Jahren die Allee gerettet worden. Unter den Bäumen mehr Gastronomie anzubieten - darin sähe Zerres eine Chance, die Leineweber attraktiver zu machen. Aktuell bietet einzig die Pizzeria „Bella Toscana“ im Außenbereich Sitzmöglichkeiten an, das nach Wasserschaden wiedereröffnete Restaurant Vinsi immerhin um die Ecke, an der Viktoriastraße. Zwei andere asiatische Imbissbetriebe verzichten darauf. Vielleicht täte hier eine Ansprache der Citymanagerin gut. Der breite Fußgängerbereich unter den Bäumen erscheint weit unter Wert verkauft.

Genug Platz für Gastronomie gäbe es zumindest auf einer Seite der Leineweberstraße in Mülheims City.
Genug Platz für Gastronomie gäbe es zumindest auf einer Seite der Leineweberstraße in Mülheims City. © Mirco Stodollick

„Es gibt etwa überhaupt keinen Spielplatz in der Innenstadt“

Von Zerres erhält das Citymanagement aber Lob in anderer Sache. Ob jüngst das Innenstadtfest „Mülheim mittendrin“ mit dem Tag des Sports, die wachsende Wallstraßen-Initiative mit ihren Straßenfesten „Schön hier“ oder das, was sich rings um das Restaurant „Mausefalle“ und den Siegfried-Reda-Platz samt Kaff am Tor zur Altstadt tue: Aktivität sei da - das sei gut für den Standort, auch wenn, wie beim Stadtfest ohne verkaufsoffenen Sonntag, natürlich die Frage sei, ob damit der Handelsstandort ins bessere Licht zu setzen sei. Zerres sieht „viele Kleinigkeiten, über die man nachdenken könnte“, um den Standort attraktiver zu machen. Ein Puzzlestein sei etwa, dass das Kunstmuseum endlich saniert sei. Aber: „Es gibt etwa überhaupt keinen Spielplatz in der Innenstadt“, sagt Zerres.

Ein Hoffnungsschimmer sind für ihn die aktiven Händler rund ums Wallviertel. „Das Wallviertel ist eine Marke geworden“, stellt der Makler fest, dass ihn und seine Kollegen teilweise Anfragen für Ladenlokale erreichten, die explizit eine Ansiedlung in diesem Viertel zum Ziel hätten. In der Innenstadt wächst da ein zartes Pflänzchen. Ganz anders bewertet Zerres da schon Saarn. Das „Dorf“ steche aus Mülheims Stadtteilzentren positiv hervor. Auch weil die dortige Werbegemeinschaft für viel Abwechslung sorge.

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