Mülheim. Patienten mit Psoriasis kämpfen mit Ausgrenzung wegen ihrer Hautprobleme. Wie Inge Strunck aus Mülheim ihr Selbstbewusstsein zurückgewann.
In einem Bochumer Krankenhaus wurde die damals neunjährige Inge Strunck nach einem Sonnenbrand sechs Wochen lang stationär behandelt. Ihre Haut war am ganzen Körper vereitert, ihr Kopf voll mit Schuppen. Jeden Abend weinte sie, ihre Eltern durften sie nur dreimal pro Woche besuchen. Unzählige Fragen wirbelten in ihrem Kopf: Was wird aus mir? Kann ich jemals wieder ein normales Leben führen?
„Ich bin immer farbenfroh gekleidet“, erzählt die jetzt 76-jährige Inge Strunck, während sie sich ihren strahlend grünen Schal umlegt. Es hat viele Jahre, zahlreiche Medikamente, Kopftücher und Verbände gebraucht, um dieses Selbstbewusstsein zu erlangen. Von ihrer Jugend über ihr Berufsleben bis hin zur Rente musste sie lernen, mit ihrer Psoriasis, umgangssprachlich Schuppenflechte, zu leben. Nach Neurodermitis sei Psoriasis die häufigste chronische (nicht ansteckende) Hauterkrankung und bedeutet weitaus mehr als nur Schuppen am Kopf. Sie betrifft den gesamten Körper und kann neben Entzündungen in den Gelenken auch zu anderen Begleiterkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Depressionen führen (Deutscher Psoriasis Bund). „Für viele Menschen ist Schuppenflechte eine Belastung für das Selbstbewusstsein. Aber wir können sie wieder aufpäppeln“, betont Strunck.
Inge Strunck aus Mülheim: „Man verdrängt gerne die schlechten Sachen“
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Die Schulzeit war für Inge Strunck selten einfach: „Ich musste immer viele Verbände tragen, oder mir wurde der Kopf eingeschmiert, dann durfte ich die Haare zwei bis drei Tage nicht waschen. Damit in die Schule zu gehen, war furchtbar.“ Andere Kinder sollen sie beschimpft, ausgelacht und verprügelt haben. An diese Zeiten erinnert sich Strunck nur noch vage oder lückenhaft: „Man verdrängt gerne die schlechten Sachen.“ Früher habe man geglaubt, dass die Krankheit ansteckend sei, erinnert sich die Rentnerin, und sei deshalb aus Schwimmbädern verwiesen worden. „Igitt, was hat die denn da?“, habe sie oft gehört.
Ihre Mutter habe sich immer liebevoll um sie und ihre Haut gekümmert. „Meine arme Mutti, Ehemann und Tochter mit Schuppenflechte, wie viele Salben wir zu Hause hatten. Sie hat mich immer abends vor dem Ofen eingeschmiert, das muss eine enorme Arbeit gewesen sein“, sagt Strunck und stellt ihre Kaffeetasse ab. Doch je älter Inge Strunck wurde, desto leichter wurde das Leben. „Ich wollte einfach normal aussehen, normal am Leben teilnehmen“, erklärt die gelernte Steuerfachgehilfin. „Dann habe ich halt Miniröcke getragen, obwohl meine Knie total schuppig waren und bin mit Kopftuch tanzen gegangen. Und?“ Ihre Freundin lacht immer noch über ihren ersten gemeinsamen Urlaub und die Mengen an Cremes und Salben, die Strunck immer mit sich schleppte.
Warum die Rentnerin aus Mülheim nun mit Hautkrebs kämpft
Keinen Tag habe sich Inge Strunck wegen ihrer Krankheit freigenommen. Ihre Mutter habe ihr Kleider mit langen Ärmeln genäht, auch nach der Arbeit fuhr Inge Strunck oft zu ihrem Hautarzt für eine UV-Lichttherapie: „Das lief damals noch ohne Lichtschutz, aber es hat mir sehr geholfen. Heute habe ich oft kleine Operationen wegen weißem Hautkrebs.“ Die Operationen seien bisher nicht so schlimm gewesen und sie würde die Therapie immer wieder machen, weil sie erst ihre Psoriasis erträglich gemacht habe.
Im Verlauf der Krankheit kann sich die Schuppenflechte oft auch auf die Gelenke auswirken. In ihren 50ern trat bei Inge Strunck erstmals Psoriasis-Arthritis auf. Laut dem Deutschen Psoriasis Bund (DPB) entwickelt etwa ein Drittel der Schuppenflechte-Patienten im Laufe der Zeit eine Psoriasis der Gelenke. „Ich habe immer Rücken“, erzählt Strunck mit einem kurzen Lachen. Erst kurz vor der Rente habe sie ihren Schwerbehindertenausweis beantragt: „Ich hatte immer Angst um meinen Arbeitsplatz. Im Nachhinein hätte ich die gar nicht haben müssen.“
Selbsthilfe in Mülheim: Was Betroffene nicht im Internet finden können
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1977 ist Inge Strunck dem DPB beigetreten, und seit 2005 engagiert sie sich dort ehrenamtlich als Regionalgruppenleiterin in Mülheim. 2005 sei sie „aufgeblüht“, durch ihr Ehrenamt sei sie viel selbstbewusster geworden: „Man wird wirklich sehr wertgeschätzt und man hilft den Leuten. Das macht etwas mit einem.“ Dennoch sei die Nachfrage nicht mehr so groß wie früher: „Durch das Internet kommen immer weniger Leute zur Selbsthilfe.“ Was die Selbsthilfegruppe jedoch vor allem schaffe, sei das Stärken des Selbstbewusstseins der Teilnehmenden und der Austausch persönlicher Ratschläge. Schuppenflechte äußere sich bei jedem etwas anders, die Selbsthilfegruppe könne auf die individuellen Bedürfnisse und Sorgen eingehen.
„Man muss vorsichtig sein. Es gibt zum Beispiel einen Youtuber, der versucht, den Betroffenen teure Produkte anzudrehen.“ Wichtig sei, nur die verschriebenen Mittel des Hausarztes zu besorgen. Wenn man noch zusätzliche Pflege benötigt, schwört die Rentnerin auf Urea-Cremes: „Es muss nichts Teures sein. Viele Leute geben viel zu viel Geld aus.“ Auch der Erfahrungsaustausch bewirke viel. Erst letztens lernte Strunck so eine Mutter kennen, die verzweifelt nach Hilfe für ihren neunjährigen Sohn suchte. „Das erinnerte mich natürlich an meine eigene Kindheit. Ich wollte die Mutter einfach nur umarmen.“
Das nächste Treffen der Selbsthilfegruppe für Psoriasis findet am 27. Juni um 18 Uhr im „Winkhauser Treff“ an der Hügelstraße 34 statt. Bei Fragen und zur Anmeldung ist Inge Strunck erreichbar unter 01575 354 8688 oder per E-Mail unter rg-meo@psoriasis-bund.de. Weitere Informationen sind auf der Website psoriasisbund.de/regionalgruppe-meo/ verfügbar. Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist kostenfrei.
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