Mülheim. Jeder Verkehrstote ist einer zu viel – in Mülheim sind es im laufenden Jahr schon zwei. Wieso die Stadt Präventionsmaßnahmen erstmal ausschließt.
Binnen weniger Tage ereigneten sich in Mülheim gleich zwei Verkehrsunfälle, die jeweils ein Todesopfer forderten. Tragische Einzelfälle oder doch ein Problem mit einer Raser-Szene?
Erst Anfang der Woche noch hatte Ulrich Sievers, Chef der Verkehrsdirektion bei der Polizei Essen-Mülheim betont, dass beide Ruhrstädte kein Raser-Problem haben, eine Szene sehe er so nicht. Bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik für 2023 zeigte sich, dass die Zahl der Verkehrsunfälle in Mülheim zwar um 5,25 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist – eine eindeutige Ursache dafür, etwa begründet in der Zunahme von Rasern, liege nicht vor.
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Mülheimer Ordnungsamt: „bedauerliche Einzelfälle“
Diesen Eindruck bestätigte auch Christa Bargatzky vom städtischen Ordnungsamt. Im jüngsten Ausschuss für Bürgerangelegenheiten, Sicherheit und Ordnung beantwortete sie eine Anfrage der SPD-Fraktion, in der es um die beiden tödlichen Verkehrsunfälle geht, die sich Anfang des Monats ereignet haben. „Es handelt sich um bedauerliche Einzelfälle“, erklärte Bargatzky im Gremium.
Demnach sei gerade beim Unfall auf der Konrad-Adenauer-Brücke vom 2. März die Lage relativ klar. Der tödlich verunglückte Radfahrer, ein 52-Jähriger, sei mit etwa 45 Kilometern pro Stunde auf seinem Rennrad unterwegs gewesen. „Unerlaubterweise befuhr er die Straße und nicht den Radweg“, schilderte Christa Bargatzky Details zum Unfallhergang. Dabei fuhr der Mann auf einen stehenden Lkw auf und erlag wenige Tage später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.
„So tragisch das auch ist, hier liegt eine bewusste Missachtung des Fahrverbots auf der Fahrbahn vor.“ Mit dem RS 1 habe es eine sichere Alternativroute gegeben. Aus Sicht der Verwaltung liege kein Anlass vor, Präventivmaßnahmen zu ergreifen, zumal eine eindeutige Beschilderung vorliege.
Horrorunfall bei A40-Abfahrt Mülheim-Winkhausen: keine Maßnahmen geplant
Etwas anders liegt hingegen der Unfall an der Aktienstraße, der sich am Abend des 7. März ereignet hat. Zur Erinnerung: Gegen 20.15 Uhr waren zwei Essener (25 und 27 Jahre alt) in einem Cupra Leon in Richtung Essen auf der Aktienstraße unterwegs. Wie mittlerweile bekannt ist, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Statt der erlaubten 50 km/h fuhr der Wagen mit 119 km/h. Zusätzlich ist vom Essener Fahrer die rote Ampel missachtet worden, sodass es zur Kollision mit dem von der A40 abfahrenden Smart kam. Die 46-jährige Mutter, die mit ihrem Ehemann (46) und dem Sohn (10) unterwegs war, verstarb infolge des Unfalls.
Dass die Ampelschaltung im Bereich der Einmündung der Freiherr-vom-Stein-Straße vor einiger Zeit verändert wurde, habe keine Auswirkung auf die Signalanlage am Unfallort. Das erklärte Christa Bargatzky auf Nachfrage der SPD-Fraktion im Ausschuss. Die Signalanlagen funktionierten unabhängig voneinander. Vielmehr sei auch hier die Unfallursache in falschem Individualverhalten begründet. „Es liegt hier keine Unfallhäufungsstelle vor“, so Bargatzky. „Deshalb sind auch keine Präventionsmaßnahmen geplant. Das Verhalten des Verursachers nicht hätte verhindert werden können.“
Horrorunfall auf der Aktienstraße - so berichteten wir:
- Tatverdächtiger aus Klinik in die U-Haft
- Fahrer wird Heimtücke vorgeworfen
- Hilfe für Familie der getöteten Mutter
Zwei Einzelfälle also, die dennoch erschüttern. Dass sie Frage nach einem möglichen Raser-Problem dennoch keine unberechtigte ist, zeigt ein Blick auf die vergangenen sechs Monate: Nach Angaben der Verwaltung seien in dieser Zeit zehn Vorfälle registriert worden, die als Rennen einzustufen seien. Darunter ein Einzelrennen, drei mit mehreren Beteiligten sowie sechs Verfolgungsfahrten nach Verkehrskontrollen.
Hat Mülheim ein Raser-Problem oder sind es Einzelfälle?
Wann eine Fallzahl erreicht ist, die auf ein eindeutiges Problem hindeutet, lässt sich nur schwer sagen. Hinzukommt, dass die Einzelfälle von Rasern, meist glücklicherweise ohne Verletzte oder Todesopfer, so absurd hoch sind, dass dadurch unter Umständen ein verzerrtes Bild entsteht. Ein Blick auf die höchsten Geschwindigkeitsüberschreitungen in Mülheims Stadtteilen verdeutlicht das.
So wurden das vorgegebene Tempo 50 zuletzt in folgenden Straßen mit Spitzenwerten überschritten: 93 km/h an der Friedhofstraße, 99 km/h an der Karlsruher Straße und 100 km/h am Schneisberg. Noch eindeutiger fällt der Blick auf die höchsten Geschwindigkeitsüberschreitungen in den Tempo 30-Zonen aus. 85 km/h am Mariannenweg, 95 km/h an der Mühlenstraße und 114km/h an der Tannenstraße.
Polizeidirektor Ulrich Sievers appellierte Anfang der Woche in diesem Zusammenhang nochmal an den gesunden Menschenverstand. „Solche Einzelfälle können fatal enden, wie wir sehen. Und das nur, weil jemand leichtsinnig ist.“
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