Moers. Wegen Personalmangel bleibt die Kita-Gruppe eines Moerser Kindes oft zu. Für die Eltern ein Balanceakt. Das sagen Träger, Stadt und Gewerkschaft.
Es ist 7.20 Uhr an einem Wochentag am Morgen. Dennis Weigend und seine Frau machen ihre sechs und drei Jahre alten Söhne für die Schule und den Kindergarten fertig. Dann der Anruf: Die Kitagruppe des jüngeren Kindes muss an diesem Tag geschlossen bleiben, der Junge kann nicht betreut werden und die Eltern, beide berufstätig, müssen kurzfristig eine andere Betreuungsmöglichkeit für ihren Dreijährigen finden. Der Grund für die Schließung: Personalmangel.
„Wir haben manchmal drei bis fünf Schließungstage im Monat“, klagt der Familienvater. Meist werde die Familie, wie beschrieben, eher kurzfristig über die Schließung informiert. Eine Notbetreuung werde in der Kita in Meerbeck nicht angeboten. Die Eltern selbst könnten ihren jüngsten Sohn nicht betreuen, ein Arbeiten von zu Hause sei für beide Elternteile nicht möglich. „Wir müssen dann bis 8 Uhr morgens immer zaubern und die Betreuung über Verwandte organisieren“, erklärt Weigend. Doch natürlich sei auch das nicht immer einfach, vor allem nicht, wenn die Information, dass die Kitagruppe zubleibt, die Familie erst kurzfristig erreicht.
Keine beständige Bezugsperson in Moerser Kita für die Kinder
„Manchmal komme ich aus der Nachtschicht und kann dann aber nicht schlafen, weil ich meinen Sohn betreuen muss. Das geht einfach irgendwann an die Substanz. Dabei zahlen wir eine Stange Geld für die Betreuung, die einfach nicht erbracht wird“, ärgert sich der Familienvater. Doch auch wenn die Kitagruppe des Dreijährigen geöffnet ist, geben die Eltern ihren Jungen nicht mehr gerne in der Einrichtung ab: „Es gibt keine richtige Bezugsperson, weil die Erzieher aufgrund des Personalmangels ständig die Gruppen wechseln.“ Dabei ist dem Vater wichtig, zu betonen: „Den Leuten vor Ort machen wir keinen Vorwurf. Das Personal läuft absolut auf der letzten Rille.“
Er habe deswegen schon mehrfach versucht, „etwas zu bewegen, für unsere Kinder, aber auch für die Erzieher“, sagt er. Dafür sei Weigend bereits beim Träger der Kita, der Graf Recke Stiftung, gewesen und habe sogar beim Bürgermeister vorgesprochen. Schließlich betreffe der Personalmangel nicht nur die Tagesstätte in Meerbeck, sondern auch die Kitas in ganz Moers. „Ich bin aber immer nur auf taube Ohren gestoßen“, erklärt der Familienvater verärgert.
Träger der Moerser Kita zeigt Verständnis
Der Träger, die Graf Recke Stiftung, zeigt Verständnis für den Ärger des Vaters. „Wir sind uns bewusst, welche Herausforderungen sich durch Gruppenschließungen oder die Verkürzung der Betreuungszeiten für die betroffenen Familien ergeben“, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion. Der Grund hierfür sei jedoch nicht der generelle Fachkräftemangel. Aktuell seien fast alle vakanten Stellen mit Fachkräften besetzt, teilt Trägersprecher Roelf Bleeker mit und erklärt: „Die aktuellen Maßnahmen sind ausschließlich aufgrund der Krankheitswelle notwendig.“
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Auch die Einrichtung in Moers sei derzeit „von erheblichen krankheitsbedingten Personalausfällen“ betroffen. Der Sprecher betont: Die Entscheidungen, Gruppen zu schließen „fallen uns äußerst schwer, sind jedoch unerlässlich, um das Fachkräftegebot zu sichern und unsere Aufsichtspflicht erfüllen zu können.“
Kita-Träger in Moers setzt auf Rotationsprinzip
Der Träger bemühe sich um eine möglichst gerechte Verteilung von Gruppenschließungen oder reduzierten Betreuungszeiten: „Wir setzen auf ein Rotationsprinzip, um den Kindern ihr Recht auf Bildung zu ermöglichen und den Betreuungsbedarfen der Familien so gerecht wie möglich zu werden.“ Bei allen Maßnahmen stünde die Graf Recke Stiftung im direkten Austausch mit dem Landesjugendamt und auch dem Jugendamt der Stadt.
Doch die Verwaltung könne Eltern von Kitakindern, die keine städtische Einrichtung besuchen, kaum unterstützen. „Bezogen auf Schließungszeiten und Personaleinsatz anderer Träger können wir Eltern tatsächlich wenig helfen, da wir nicht in der Rolle der Aufsichtsbehörde sind“, erklärt Stadtsprecher Thorsten Schröder. Die Situation in den Kindertagesstätten sei derzeit in allen Einrichtungen angespannt – auch bei der Stadt Moers. Neben einem hohen Krankheitsstand bedinge hier aber auch der generelle Fachkräfteengpass die Schließung von Gruppen oder ganzen Kindertagesstätten, trotz umfangreicher Aushilfspools, teilt der Sprecher auf Nachfrage mit. „Eigentlich brauchen wir derzeit immer Personal für unsere 17 Kitas“, so Schröder.
Verdi: Angespannte Personalsituation in Moerser Kita „keine Ausnahme“
Der Fachkräftemangel in den Kitas sei nicht neu, die Situation in Moers „keine Ausnahme oder Besonderheit“, erklärt Andrea Grieco von Verdi Linker Niederrhein. Grundsätzlich weise die Gewerkschaft bereits seit Jahren auf den „erheblichen Fachkräftemangel“ in den Einrichtungen hin und fordert Lösungen von der Politik für einen notwendigen Aufbau des Fachpersonals. Dafür müssten entsprechend Finanzen bereitgestellt werden. Eltern dürften in dieser Situation nicht allein gelassen werden. Sie benötigen „dringend Unterstützung, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wieder verlässlich möglich wird“.