Neukirchen-Vluyn. Nach dem verzweifelten Hilferuf der Kita-Träger im Paritätischen fragt die Neukirchen-Vluyner SPD nach. Das sagen Kreis und Stadt zur Situation.
Die Sozialdemokraten im Neukirchen-Vluyner Stadtrat wollen die Situation der Kindertageseinrichtungen beleuchten. In der nächsten Sitzung des zuständigen Fachausschusses nach den Ferien wollen sie einen Überblick über die Lage bekommen.
Anlass ihres Vorstoßes ist ein Offener Brief des paritätischen Wohlfahrtsverbandes im Kreis Wesel. Darin heißt es: „Wir haben Not. Not, die Löhne unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bezahlen. Not, genügend Fachkräfte für die Betreuung unserer Kinder zu finden und diese in der Zeit, in der akuter Fachkräftemangel herrscht, auch zu halten.“ Die Träger der Kindertageseinrichtungen in Mitgliedschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverbands sehen sich in ihrer Existenz bedroht.
Hintergrund sind die Personalkosten
Hintergrund sind die gestiegenen Personalkosten durch die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst sowie vereinbarte Sonderzahlungen, die den Schilderungen zufolge für einen Kostensprung von rund elf Prozent sorgen, während die Kindspauschale durch das Land nur um 3,46 Prozent steigen soll.
In der Konsequenz würden Einrichtungen bereits versuchen zu sparen, etwa Materialanschaffungen zurückstellen, oder prüfen, ob in ergänzenden Bereichen auf Neueinstellungen verzichtet werden könne – solange die Mindestanforderungen erfüllt werden, erläutert Andreas Fateh, Geschäftsführer des Paritätischen. Er sieht fatale Folgen: etwa für die frühkindliche Entwicklung der Kinder, für die Lebensplanung der Eltern, für die Bekämpfung von Kinderarmut.
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17 Einrichtungen haben den Brief unterzeichnet. „Sie können davon ausgehen, dass es noch mehr sind“, verweist Andreas Fateh auf die Ferienzeit. Er hat das Schreiben an den Landrat und die Bürgermeister adressiert, sie werden darin aufgefordert, sich für eine „existenzsichernde Erhöhung der Kindspauschalen“ einzusetzen. „Sollte dies nicht umgehend gelingen, bitten wir Sie als zuständige Jugendämterträger kurzfristig für die Kitas, die den TVÖD anwenden oder die sich diesem angeglichen haben, die erhöhten Personalkosten zu übernehmen.“
Die Kindertagesbetreuung sei eine Gemeinschaftsaufgabe von Land und Kommunen, erläutert Fateh. Jeder sollte einen vernünftigen Lohn bekommen, gerade in Zeiten der Inflation und Kostensteigerung, betont er. Elterninitiativen seien nun aber insbesondere gefährdet. Dennoch stellt er fest: „Das Problem tangiert alle Träger.“
Die Awo hat drei Kitas in Neukirchen-Vluyn
Auch die Arbeiterwohlfahrt betreibt beispielsweise kreisweit Kitas. In Neukirchen-Vluyn sind es drei mit insgesamt elf Gruppen, wie Benjamin Walch, Geschäftsbereichsleiter Kinder und Jugend, sagt. Die Awo-Einrichtungen seien zwar erst später betroffen, aber es gehe um die Gesamtgemengelage: Personalkosten steigen, Energie wird teurer. Walch: „Die Lebensmittelkosten laufen einem weg.“ So schnell, wie Caterer die Kosten erhöhen, käme man gar nicht nach.
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Dass eine der elf Gruppen aktuell gefährdet ist, sieht er nicht. Mit Blick auf den Fachkräftemangel habe man auch mit der in der Branche üblichen Fluktuation zu kämpfen. „Der Markt ist wahnsinnig umkämpft.“ Aber: Die Awo gestehe den Einrichtungen mehr Personal zu als gesetzlich vorgeschrieben. Das zahlt sich aus, wenn Erzieherinnen ausfallen. In den Neukirchen-Vluyner Kitas beschäftigt die Awo demnach derzeit fünf Azubis, insgesamt sind 40 Beschäftigte in Voll- oder Teilzeit im Einsatz. Walch sagt über die aktuelle Situation aber auch: „Wir erkennen den Ernst der Lage und beobachten ganz genau.“
Und der Awo-Vorstand führt aus: „Es ist aus Sicht der Arbeiterwohlfahrt für eine Aussage über akut drohende existenzielle Finanzfolgen durch den Tarifabschluss zu früh.“
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Die Neukirchen-Vluyner SPD allerdings schreibt: Keinesfalls seien „die letzten Tarifabschlüsse, welche ja die steigenden Lebenshaltungskosten nur zum Teil ausgleichen, Schuld an dieser Zuspitzung.“ Hier stehe vielmehr allein das Land NRW mit „seinen nicht angepassten und aktualisierten Finanzierungsanteilen“ sowohl in der Verantwortung als auch in der Pflicht.
Das sagt die Stadt Neukirchen-Vluyn
Vonseiten der Neukirchen-Vluyner Stadtverwaltung heißt es: „In unseren drei städtischen Kindertageseinrichtungen ist aktuell kein Personalmangel zu verzeichnen. Insoweit ist die pädagogische Betreuung der Kinder sichergestellt.“ Ob und inwieweit durch Ausbildung eine altersbedingte Fluktuation perspektivisch kompensiert werden könne, sei derzeit nicht abzusehen. Und weiter: „Die tariflichen Erhöhungen belasten auch den städtischen Haushalt. Gleichwohl wird die Erhöhung nicht zum Anlass genommen, Einsparungen im Bereich der Sachkosten vorzunehmen.“
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Der Kreis Wesel (zuständig für Neukirchen-Vluyn) sagt auf Nachfrage: „Die Betreuung der Kinder (U3/Ü3) ist in Neukirchen-Vluyn durch ein ausreichendes Angebot an freien Plätzen sowohl im Bereich der Kindertagespflege wie auch durch Kindertageseinrichtungen gedeckt. Perspektivisch gesehen wird dieses Angebot noch in diesem Jahr sogar weiter ausgebaut.“
In Neukirchen-Vluyn tagt der Sozialausschuss am 13. September.