Kreis Wesel. Mit rund 300 Treckern sind die Kreis Weseler Bauern zur Kundgebung nach Wesel gekommen. Sie richteten ihren Protest gegen die Regierung in Berlin.

Auch am Dienstag sind die protestierenden Bauern im Kreis Wesel kaum zu übersehen: Viele kommen mit dem Trecker zur zentralen Kundgebung am Auesee in Wesel. Aufgerufen hat der Rheinische Landwirtschafts-Verband. In ihrem Protest gegen die Agrarpolitik aus Berlin und die Pläne, den Agrardiesel schrittweise abzuschaffen, laufen sich die Landwirte warm für die große Kundgebung am Montag in Berlin.

Junglandwirte kämpfen für Perspektiven

Kämpferisch zeigen sich die Bauern an diesem bitterkalten Vormittag, rund 300 Traktoren sind hier, unter ihnen sogar ein Bagger. „Wir brauchen eine Regierung, die für uns alle funktioniert“, sagt Stephan Hufer aus Alpen, der Vorstandsmitglied der Kreisbauernschaft ist. Gesucht seien „gute Lösungen in der Mitte der Gesellschaft, nicht an den Rändern“. Junglandwirt und Azubi Alexander Hügen (20) ist hier, um zu hören, was NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen zu sagen hat. „Wir wollen, dass die Politik uns entgegenkommt, damit wir nicht mehr streiken müssen.“ Viele junge Menschen wie er sind unter den Protestierenden.

Es geht los, geduldig erklärt Johannes Leuchtenberg, Vorsitzender der Kreisbauernschaft, was die Landwirte auf die Straße treibt. Mit ihm auf dem zur Bühne umfunktionierten Anhänger: NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU), Landrat Ingo Brohl (CDU), die Landtagsabgeordneten René Schneider (SPD) und Charlotte Quik (CDU) sowie, als Mitglieder regierungstragender Fraktionen in schwieriger Mission, die Bundestagsabgeordneten Ulle Schauws (Grüne) und Jan Dieren (SPD).

Lob für friedlichen und demokratischen Protest

Ministerin Gorißen stärkt die Bauern in ihrem Protest, lobt, dass er friedlich und demokratisch ablaufe. „Der Ruf muss nach Berlin gehen“, sagt sie, nennt Ernährungssicherheit und die Sorge hoch qualifizierter junger Leute um ihre Zukunft als Grund dafür. „Bauern müssten an sieben Tagen die Woche 24 Stunden abrufbar sein, wo andere über die Viertagewoche diskutieren“, so die Ministerin. Agrardiesel auf Raten abzuschaffen, sei falsch. Den Bauern werde zu viel zugemutet, aus Brüssel und von der Bundesebene.

Landrat Ingo Brohl bedankt sich für die Art des Protests und er dankt auch der Polizei – dafür gibt es Beifall. Vielen sei nicht klar, dass die meisten Leute in Deutschland im ländlichen Raum lebten, so Brohl. Es sei instinktlos von der Bundesregierung, so auf die Subventionen zuzugreifen. „Ich persönlich, die Kreisverwaltung und die Kreispolizei stehen auf Ihrer Seite“, versicherte Brohl den Bauern.

Pfiffe für die Bundestagsabgeordneten der Ampel

Wenig freundlich fällt der Empfang für die Grüne Bundestagsabgeordnete Ulle Schauws und Jan Dieren (SPD) aus: Die Mitglieder der Ampel ernten Pfiffe, Buhrufe und Zwischenrufe, wenn auch gemäßigt. Schauws kritisiert die Abhängigkeit der Lebensmittelerzeuger von den Discountern und ihren Machtmonopolen. Auch die Auflagen aus EU, Bund und Land. Sie werde dennoch für den Bundeshaushalt stimmen. Die ursprünglichen Sparpläne seien nicht gerechtfertigt gewesen, der Kompromiss sei es aber, „viele Gruppen der Bevölkerung sind von Kürzungen betroffen“.

Jan Dieren will wissen: „Geht es bei den Protesten um die Landwirtschaft oder um grundsätzliche Kritik an der Ampel?“ – er erntet ein schallendes „Beides!“ Man könne der Ampel die Schuld an vielem geben, so Dieren, aber nicht an der Politik der letzten 30 Jahre. „Es ist absurd, die Zahl der Höfe hat sich halbiert und wir müssen aus dem Ausland importieren.“ Es gehe um mehr als Agrardiesel, es gehe um die Zukunft der Landwirtschaft. Der SPD-Bundestagsabgeordnete hat es erwartungsgemäß nicht leicht bei den Bauern, willkommener sind da die Solidaritätsbekundungen der heimischen Landtagsabgeordneten Charlotte Quik (CDU) und ihr Seitenhieb auf die Erhöhung des Bürgergeldes.

Man wird niemals aus einem Hundehaufen einen Schokokuchen backen
René Schneider - agrarpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion NRW

René Schneider, SPD-Landtagsabgeordneter, kritisiert die mangelnde Diskussion vor der Sparentscheidung und räumt ein: „Man wird niemals aus einem Hundehaufen einen Schokokuchen backen.“ Die Zukunftspläne für die Transformation der Landwirtschaft lägen auf dem Tisch, schließt er sich der Argumentation von Johannes Leuchtenberg an. Die Ergebnisse der Borchert-Kommission blieben aber in der Schublade. Sie müssten Schritt für Schritt umgesetzt werden, „zu lange ist gesagt worden, alles wird irgendwie so weiter gehen“.

Zufrieden sehen die Gesichter nach der Kundgebung nicht aus. Die Bauern werden weiter auf die Straße gehen, wichtigster Termin ist die Großdemo in Berlin am Montag.