Kreis Wesel. Fachkräftemangel ist auch ein Nachwuchsmangel am Niederrhein. Die Agentur für Arbeit geht auf Jugendliche und Unternehmer zu. Wo es hapert.
Im Grunde hat inzwischen jeder und jede Jugendliche die Chance auf einen Ausbildungsplatz, 2023 haben sich im Kreis Wesel auf 100 freie Stellen rein statistisch gesehen nur 89 Bewerber gemeldet. Nicht überall ist die Lage für den Nachwuchs so rosig wie am Niederrhein: In Gelsenkirchen beispielsweise kommen 150 Bewerber auf 100 Stellen.
Im Agenturbezirk Wesel, dazu gehören die Kreise Wesel und Kleve, werben Arbeitgeber um die jungen Leute, doch mitunter passen die beiden Seiten einfach nicht zusammen. Und: Rund ein Drittel der Azubis bricht die Lehre vorzeitig ab – das ist zu viel, die Arbeitsagentur will etwas dagegen unternehmen.
Möglichst viele Jugendliche mitnehmen, auch mit Unterstützung
Nicht immer ist die gefundene Lehrstelle auch der Weg in den passenden Beruf, im Kreis Wesel warfen 32,1 Prozent der Auszubildenden vorzeitig das Handtuch, die Mehrzahl im Handwerk, gefolgt von Industrie und Handel.
Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung in der Agentur für Arbeit Wesel, appelliert an die Arbeitgeber, mehr Praktika anzubieten. „Viele argumentieren, das sei zu aufwendig“, sagt sie. Sie sei aber davon überzeugt, dass die Abbrecherquote sinken würde, hätte der Nachwuchs genügend Gelegenheit, in die verschiedenen Berufe hineinzuschnuppern.
Berührungspunkte mit der Arbeitswelt bietet die Agentur bereits vor Ende der Schullaufbahn: Kai Kunzel, Teamleiter Berufsberatung vor dem Erwerbsleben, berichtet, dass die Berater in die Schulen gehen, die bei Jugendlichen besonders beliebten Events wie Karrieremessen anbieten, den Kontakt zu den Eltern suchen.
Nicht alle Lehrstellen gehen über die Arbeitsagentur
Es besteht Handlungsbedarf, wie Ossyra verdeutlicht: „Die Zahl der Schulabgängerinnen und -abgänger geht zurück, es kommen weniger junge Menschen nach und die geburtenstarken Jahrgänge scheiden aus den Betrieben aus.“ Die Gesellschaft könne es sich nicht leisten, junge Menschen zurückzulassen.
99 Jugendliche waren Ende September im Kreis Wesel noch unversorgt und 272 Stellen unbesetzt. Es geht noch was, sagt Ossyra. Sie ermuntert die Jugendlichen, sich auch jetzt noch zu melden. Ein Einstieg in die Ausbildung sei noch immer möglich – gesucht werde in nahezu allen Bereichen. Freie Lehrstellen für 2023 und 2024 finden sich unter www.arbeitsagentur.de/jobsuche.
Jetzt stellte Ossyra die Ausbildungsbilanz vor, betonte aber, dass nicht alle Lehrstellen über die Agentur gehen. Manche Jugendliche und Arbeitgeber werden von sich aus fündig, „wir bilden nur einen Teil des Ausbildungsmarktes ab“.
Einstieg ist noch immer möglich, sagt die Arbeitsagentur
Im Kreis Wesel meldeten sich von Oktober 2022 bis Ende September 2023 bei der Arbeitsagentur 2377 Bewerberinnen und Bewerber, 45 weniger als im Vorjahr. Ihnen standen 2746 Lehrstellen gegenüber. Die meisten Jugendlichen suchten im Bereich Bürokaufleute, Verkauf, medizinische Fachangestellte, Kaufleute im Einzelhandel, Kfz-Mechatroniker. Entsprechende Ausbildungsstellen waren auch im Angebot und sind es noch.
Die Arbeitsagentur bemüht sich, möglichst viele Jugendliche mitzunehmen. Mit knapp 6000 Beratungsgesprächen, 934 Berufsorientierungen in Schulen, aber auch mit 54 Elternveranstaltungen. Auszubildende, die Unterstützung benötigen, bekommen sie auch: 67 Einstiegsqualifizierungen gab es – Langzeitpraktika, um den Ausbildungsberuf zu erkunden. Außerdem 10.700 sogenannte assistierte Ausbildungen, 388 Berufseinstiegsbegleitungen und mehr.