Kreis Wesel/Kreis Kleve. Immer weniger Jugendliche in den Kreisen Wesel und Kleve interessieren sich für eine betriebliche Ausbildung. Warum das ein Problem ist.
Der Fachkräftebedarf ist bekanntlich riesengroß. Die betriebliche Ausbildung sieht Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit für die Kreise Wesel und Kleve, bei dem Thema als „einen ganz wichtigen“ Baustein. Und sie wird immer wichtiger mit Blick auf die Demografie: „In den kommenden zehn Jahren wird jeder vierte Beschäftigte 65 Jahre“, so Ossyra. Auszubildende könnten jetzt noch von ihnen lernen. Das Problem: Der Rückgang der Bewerberinnen und Bewerber für eine Ausbildungsstelle hat sich zuletzt fortgesetzt. Gab es bis vor zwei Jahren noch mehr Ausbildungsstellen als als Bewerber, hat sich dieses Verhältnis nun umgekehrt, wie die Arbeitsagentur bei ihrer Ausbildungsmarktbilanz – betrachtet wird hier der Zeitraum von Oktober 2021 bis September 2022 – herausstellte.
In Zahlen liest sich das so: Im Kreis Wesel registrierte die Agentur für Arbeit im vergangenen Jahr 2422 Bewerberinnen und Bewerber auf 2799 Ausbildungsstellen. Im Jahr davor lag die Zahl der Jugendlichen, die eine Ausbildung machen wollten, mit 2690 noch etwas höher, gemeldet wurden in diesem Zeitraum 2841 Stellen. Davor waren es 2833 Bewerber auf 2801 Plätze. Im Kreis Kleve zeigt sich ein ähnlicher Trend: Hier waren es im vergangenen Jahr 1542 Bewerberinnen und Bewerber, gemeldet wurden der Agentur für Arbeit 1645 Stellen. Im vorangegangenen Berichtsjahr waren es noch 1633 Interessierte auf 1647 Stellen, davor 1726 auf 1832 Stellen.
Arbeitsagentur Kreis Wesel: Wandel zum Arbeitnehmermarkt
Immerhin: „Die Unternehmen in der Region setzen auf die Ausbildung eigener Fachkräfte und haben ein annähernd gleich starkes Angebot an Ausbildungsstellen an unseren Arbeitgeber-Service gemeldet“, berichtet Ossyra. Ebenfalls lautet aber ein Fazit: Junge Menschen interessieren sich weniger für eine betriebliche Ausbildung. Die Gründe seien vielfältig, so die Geschäftsführerin. Es gehe nun darum, zusammenzuarbeiten, das Interesse zu erhöhen: „Wie werbe ich ehrlich für die Berufe? Auch Verdienstmöglichkeiten müssen publik gemacht werden.“
Zudem stellt Ossyra heraus, dass es eine Wandlung zum Arbeitnehmermarkt erfolgt sei. Für junge Menschen bietet das Chancen: „Sie können auswählen.“ Und auf Rahmenbedingungen schauen, die neben der Bezahlungen eine immer größere Rolle für junge Menschen spielten: Kann ich Home-Office machen? Wie sind die Arbeitszeiten? Wie oft muss ich zum Beispiel in der Gastronomie am Wochenende arbeiten?
Netzwerken beim Kickern: Formate sollen fortgeführt werden
Die Arbeitsagentur wirbt weiter für das Praktikum, um jungen Menschen einen Eindruck vom Beruf zu verschaffen. „Selbst wenn dieses nur wenige Tage dauert, bietet es beiden Seiten wichtige Einblicke und kann entscheidend für die Berufswahl oder einen späteren Ausbildungsvertrag sein“, sagt Ossyra. Darüber hinaus wolle man im kommenden Jahr auch verstärkt auf die Eltern zugehen. Denn sie seien wichtige Berater für die Berufswahlentscheidung, führt Gabriel Brandenbusch, Teamleiter Berufsberatung vor dem Erwerbsleben in Kleve, aus. Auch auf die zielgruppenspezifische Ansprache soll gesetzt werden: in den Schulen, durch die verstärkte Nutzung von Online-Medien und das Aufsuchen von jungen Menschen, die nicht in den Schulen anzutreffen seien. Auch Formate wie das gemeinsame Kickerturnier in Straelen, bei dem sich Jugendliche und potenzielle Arbeitgeber in angenehmer Atmosphäre kennenlernen können, sollen fortgeführt werden.
„Das vergangene Jahr war geprägt von dem Übergang von Corona hin zum neuen Normalgeschäft“, fasst Markus Brandenbusch, Bereichsleiter Berufsberatung, zusammen. Man habe versucht, so viel wie möglich nachzuholen – so habe die Ausbildungsbörse in Moers am Mercator Berufskolleg zum Beispiel Open Air stattgefunden. Und: Nach zwei Jahren konnte die große Jobbörse im Kreis Wesel wieder veranstaltet werden. Der Termin fürs 2023 steht bereits fest: am 15. Mai in Dinslaken.
Weiter Chancen für Azubis im Kreis Wesel und Kleve - hier gibt es Infos:
- Weiterhin suchen Unternehmen noch Auszubildende für den Soforteinstieg. Für Interessierte gibt es also noch Chancen. Zum 30. September suchten noch 293 Jugendliche eine Ausbildungsstelle, im Gegenzug blieben bei der Agentur für Arbeit 335 Stellen unbesetzt. Nach gut einem Monat der Nachvermittlung sind laut Arbeitsagentur aktuell noch 44 Jugendliche im Kreis Wesel und 14 im Kreis Kleve auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz.
- Infos zu freien Ausbildungsstellen für 2022 und 2023 gibt es hier: https://www.arbeitsagentur.de/jobsuche/Weitere Anlaufstellen für Interessierte: https://www.arbeitsagentur.de/k/ausbildungklarmachen Die Hotline der Jugendberufsagenturen im Kreis Wesel ist hier erreichbar: 0281/9620-800 (Montag bis Donnerstag 8-15 Uhr, Freitag 8-13 Uhr).