Kreis Wesel. Meist sind es junge Mütter, deren Weg in eine Ausbildung verbaut ist. Wo es im Kreis Beratung gibt und wie Teilzeitausbildungen funktionieren.
Mitten in der Lehre ein Kind zur Welt gebracht – oder noch in der Schulzeit: Meist sind es die jungen Frauen, für die das eine Weichenstellung aufs Abstellgleis bedeutet. Ihre Berufslaufbahn endet, bevor sie begonnen hat. Auch für Unternehmen, die händeringend kluge Köpfe suchen, ist das ein Verlust. Was viele nicht wissen: Bereits seit 2005 gibt es die gesetzliche Möglichkeit zur Teilzeitausbildung. Voraussetzung ist, dass die Arbeitgeber mitmachen – einen Anspruch darauf gibt es nicht.
„Viele Unternehmen scheuen sich davor“, sagt Christiane Naß. Sie ist Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit in Wesel, zuständig für die Kreise Wesel und Kleve. Seit es das Gesetz gibt, kämpfe sie gemeinsam mit Verbündeten darum, es bei den Arbeitgebern bekannter zu machen. Es ist ein zähes Geschäft.
Es geht nicht allein um – häufig alleinerziehende – Mütter: Auch für Menschen, die Angehörige pflegen, selbst ein Handicap haben oder Zeit brauchen, um die deutsche Sprache zu erlernen, kann eine Teilzeitausbildung die richtige Lösung sein. Tatsächlich muss seit 2020 niemand mehr einen speziellen Grund dafür haben, die Möglichkeit steht allen offen. Beispiele sind semiprofessionelle Sportler, die diesen Weg gehen, um ihrer Passion weiter nachzugehen, ohne berufliche Perspektiven aufzugeben.
Skepsis der Arbeitgeber ist unbegründet – hoch motivierte Azubis
Allerdings sei die Nachfrage gering, sagt Naß, etwa zehn Interessierte meldeten sich pro Jahr bei ihr. Teilzeitausbildung sei ein herausfordernder Weg: „Wenn andere Feierabend haben, kommen sie nach Hause, kümmern sich um ihr Kind oder gehen zum Sprachkurs“, sagt Naß. Aber die Skepsis vieler Arbeitgeber sei unbegründet: Es handele sich um sehr motivierte Mitarbeiter, die nicht selten hervorragende Prüfungsergebnisse erzielten.
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Wie funktioniert das mit der Teilzeitausbildung? Die Lehrlinge können den betrieblichen Anteil ihrer dualen Ausbildung auf bis zu 50 Prozent der regulären Zeit reduzieren. Dafür kann sich ihre Ausbildung um maximal 1,5 Jahre verlängern. Eine Hürde: Das System Berufsschule ist darauf nicht eingestellt. Christian Berger ist stellvertretender Abteilungsleiter im Bereich Wirtschaft und Verwaltung am Berufskolleg Wesel. Teilzeit sei nicht an der Tagesordnung sagt er. „Es kommt gelegentlich vor.“ Es gebe keine Extraklassen, die Teilzeitazubis durchliefen den regulären Stundenplan, absolvierten Klassenarbeiten und seien an Prüfungstermine gebunden wie alle anderen auch. Man bemühe sich, sie optimal zu unterstützen.
Ralf Klein von der IHK Niederrhein hilft dabei, Arbeitgeber, Schule und Azubi so zusammen zu bringen, dass es funktioniert. Im Regelfall, sagt er, melden sich Betriebe, die jemanden haben, „sie sagen dann: Erklärt mir das bitte“. Das tut er. Und der Erfolg steht und fällt damit, dass alles bis ins Detail vorab gut vereinbart wird. Auch die Frage der Berufsschule. Im Schnitt drücken Azubis eineinhalb Tage die Woche die Schulbank. Wenn der lange Tag mit acht Stunden zum Problem wird, hilft mitunter ein Wechsel der Schule, denn die Berufskollegs haben unterschiedliche Stundenpläne. Auch mit dem Betrieb müsse klar ausgemacht werden, wann die Auszubildenden nicht verfügbar sind – hier ist absolute Offenheit nötig. „Wenn ich jeden Mittwoch früher gehen muss, sollte ich das vorher sagen“, rät Klein. Vieles lasse sich regeln.
Nur ein Prozent der Ausbildungsverträge bei der IHK in Teilzeit
Rund 120 bis 150 Teilzeitazubis hat die IHK im Jahr - allerdings ist sie zuständig für Duisburg sowie die Kreise Wesel und Kleve. Das mache bei etwa 12.000 Auszubildenden seit Jahren konstant etwa ein Prozent aus. Kommt der Vertrag zustande, sei die Abbrecherquote gering. Häufig gelinge es den Azubis sogar, in der Regelausbildungszeit fertig zu werden. Der Kreis Wesel, selbst Arbeitgeber von Teilzeitazubis, sieht eine Ursache für diese Erfolgsgeschichten: Wer ein Kind zu versorgen hat, kann sich gut selbst organisieren – eine Notwendigkeit, vor die das Leben andere Jugendliche noch nicht gestellt hat.
Beim Kreis fangen 17 Verwaltungsfachangestellte in diesem Jahr ihre Ausbildung in Teilzeit an, weitere neun haben sie bereits begonnen und vier erfolgreich abgeschlossen.
Sind alle Berufe für eine Teilzeitausbildung geeignet? Ja und nein. Generell gilt das Gesetz für alle. Dennoch sei es bei technischen Berufen, oder anderen mit hohem Praxisanteil, schwer umsetzbar, sagt Ralf Klein, der bei der IHK hauptsächlich für Kaufleute der verschiedensten Branchen zuständig ist. Generell gilt aber: Fragen kostet nichts, zumal der Fachkräftemangel die Unternehmen in Bedrängnis bringt. So bietet die evangelische Pflegeschule in Xanten im Kreis Wesel bereits Teilzeitausbildung an,seit Mai auch die Pflegefachschule Bethanien mit der Bildungseinrichtung „FachWerk Kreis Wesel“ in Moers.
Erste Anlaufstelle ist in jedem Fall die Agentur für Arbeit – dort im günstigsten Fall Christiane Naß unter 0281/96 205 52. In Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Kammern findet sich für den Wunschberuf mit etwas Glück ein Arbeitgeber.