Aus den Niederlanden. In den Niederlanden gibt es große Empörung über den Vorschlag, Bauernbetriebe für Stickstoffreduzierung aufzukaufen. Doch nicht alle sind dagegen.

Sie sind stinksauer. „Wir werden niemals akzeptieren, dass 500 unschuldige Bauernfamilien für eine Scheinlösung enteignet werden“, so die Bauernvereinigung Farmers Defence Force (FDF) am Mittwochabend in den niederländischen Medien – ein wütender Kommentar zur offiziellen Empfehlung an die Regierung, innerhalb eines Jahres zur Not bis zu 600 Betriebe aufkaufen, um die Stickstoffkrise in den Griff zu bekommen. Gegen derartige Maßnahmen demonstrieren Landwirtinnen und Landwirte im Nachbarland schon seit Monaten – teils mit Gewalt.

Gleichzeitig ist aber klar: Es müssen endlich Lösungen her. Nach einem höchstrichterlichen Urteil muss der Stickstoff-Ausstoß in den Niederlanden zugunsten des Naturschutzes stark reduziert werden. Das könnte Berechnungen zufolge das Aus für etwa 30 Prozent der Viehbetriebe bedeuten, einer der größten Verursacher von Ammoniak.

Niederlande: Landwirtschaft muss Stickstoffwerte reduzieren

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„Ich habe nicht die Illusion, dass dieser Bericht beim Agrarsektor, Naturorganisationen und der Regierung für große Freude sorgen wird“, sagte Johan Remkes. Der eigens für die Stickstoffkrise eingesetzte Vermittler sollte die Interessen der Landwirtschaft, Naturschutzorganisationen und Regierung zusammenbringen, um eine Empfehlung zu erarbeiten. Wie zu erwarten war, sorgte deren Bekanntgabe dann auch für Wirbel im Nachbarland.

Zwar betonte Remkes, dass neben der Landwirtschaft auch andere Sektoren wie Industrie und Verkehr stärker berücksichtigt und im Zweifel aufgekauft werden müssten. Doch es ist absehbar, dass mögliche Käufe vor allem Betriebe aus der Landwirtschaft treffen würden.

Landwirtschaft in Niederlanden: Einige Betriebe wollen aufgeben

Immerhin: Vor einem Aufkauf sollte Remkes zufolge betroffenen Betrieben aber die Möglichkeit zur Regulierung der Emissionen, freiwilligen Aufgabe oder eines Umzugs gegeben werden. Doch das stimmt viele Beschäftigte aus der Landwirtschaft nicht zufrieden. Kommt also nun eine neue, heftigere Welle an Bauernprotesten?

Nicht zwangsläufig. Selbst die FDF hatte am Mittwochabend neben ihrer Kritik angekündigt, mit neuen Demonstrationen noch bis zur Entscheidung der Regierung über die Empfehlungen zu warten. Sollten Zwangsverkäufe dann weiter auf der Tagesordnung stehen, könnten allerdings wieder Aktionen folgen.

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Doch die Reaktionen im Agrarbereich sind nicht nur negativ. So wollen einige Landwirtinnen und Landwirte offenbar schon jetzt freiwillig gegen Entschädigung seitens der Regierung Betriebe aufgeben. Laut der Regionalzeitung „de Gelderlander“ stünde bereits 70 Landwirtschaftsbetriebe aus der Grenzregion dafür bereit.

Auch Johannes Leuchtenberg, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Wesel sagt zu der Empfehlung im Nachbarland: „Ich finde das Herauskaufen von Betrieben nicht verkehrt. Es ist besser 600 Betriebe für ihre Aufgabe angemessen zu entschädigen, als die ganze Landwirtschaft mit übertriebenen Restriktionen zu belasten.“ Letzteres würde für für sehr großen Unmut sorgen und der Landwirtschaft „insgesamt die Luft zum Atmen nehmen.“

Empfehlung: Stickstoffziele wie geplant bis 2030 umsetzen

Ein weiterer Streitpunkt, um den zuletzt in der Regierungskoalition unter Premier Mark Rutte gerungen wurde: Vermittler Remkes hatte sich am Mittwoch auch dafür ausgesprochen, die Stickstoffziele wie geplant bis 2030 umzusetzen – allerdings mit Zwischenschritten, die die Einhaltung des Ziels wiederum untergraben könnten, wie Kritiker aus dem Naturschutz nun fürchten.

Ansonsten äußerten sich Naturschutzorganisationen zur Empfehlung Remkes durchaus positiv. Auch die Bauindustrie zeigte sich optimistisch. Aufgrund der hohen Stickstoffwerte liegen aktuell zahlreiche Bauprojekte auf Eis.

Niederländische Politik: Lösungen müssen schnell her

Die Regierung will nun über das weitere Vorgehen beraten. Noch im Oktober soll über die Umweltauflagen entschieden werden. Was durch die unterschiedlichen Reaktionen nur noch deutlicher geworden ist: Es wird unangenehm, politisch wie gesellschaftlich. Die Niederlande stehen vor der Lösung eines Konflikts, dem sie nicht weiter aus dem Weg gehen können.

Die Regierung zumindest gelobt schnelles Handeln. Kurz nach Bekanntgabe der Empfehlung meldete sich die progressiv-liberale Koalitionspartei D66 zu Wort: Man müsse nun so schnell wie möglich mit der Umsetzung beginnen.