Kreis Wesel. Das Naturschutzgesetz denkt den Brutvogelschutz neu und stärkt Windkraft. Um bedrohte Arten zu schützen, benötigt der Kreis Wesel Informationen.

Angesichts der Energiekrise mehr Windräder ermöglichen, um in Zukunft eine sichere Versorgung zu haben – das will das neue Bundesnaturschutzgesetz vom 20. Juli 2022 bewirken. Wie das gehen soll und was das mit dem Artenschutz im Kreis Wesel macht, darüber berichtete Anne Seidler vom zuständigen Fachdienst der Kreisverwaltung jetzt im Naturschutzbeirat. Und sie appellierte an Naturfreunde, die Horste und Nester zu melden, um eine gründliche Kartierung erstellen zu können. „Ich kann für all diese Tiere nichts tun, wenn ich nicht weiß wo der Horst ist“, sagt sie.

Eine Mail mit Ortsangabe, „eine kleine Karte, vielleicht aus dem Internet“ an anne.seidler@kreis-wesel.de, könne da viel für den heimischen Artenschutz erreichen. Und zwar noch bevor das neue Gesetz tatsächlich angewandt werden kann, denn viele Details seien noch vollkommen unklar, so Seidler.

Wildgänse spielen bei der Genehmigung der Windräder keine Rolle mehr

Das Gesetz hantiert mit neuen Begrifflichkeiten und es hat die Liste der zu schützenden Vogelarten auf 16 verkürzt: Weißstorch, Seeadler, Wanderfalke und Uhu etwa stehen neben Rotmilan noch darauf. Heimische Arten, deren Kartierung wichtig wäre. „Auch Störche nisten nicht nur in künstlichen Nestern“, sagt Seidler und bittet darum, auch ihre Nester zu melden.

Sämtliche nordischen Wildgänse sind aus der Liste der planungsrelevanten herausgestrichen, „man nimmt wohl an, dass sie zu intelligent sind, um mit den Windkraftanlagen zu kollidieren“. Für jede jetzt noch geschützte Art sind eigene Schutzräume in Abständen zum Nest gesetzlich definiert. Nach wie vor ist es verboten, diese „planungsrelevanten Arten“ durch den Bau einer Windkraftanlage zu stören oder zu verletzen, doch beim Betrieb eines Windrades ist der Brutvogelschutz neu gedacht worden.

Der Kreis Wesel bittet darum, auch Storchennester zu melden:
Der Kreis Wesel bittet darum, auch Storchennester zu melden: © WAZ FotoPool | Johannes Kruck

Weniger bürokratisch ist die Angelegenheit dadurch nicht geworden. Ausnahmegenehmigungen für den Bau von Windkraftanlagen sind stets möglich, selbst dann, wenn der Erhaltungszustand einer Art darunter leidet – bislang ein K.O.-Kriterium, jetzt aber nicht mehr. Wer eine Ausnahmegenehmigung beantragt, muss mit Auflagen rechnen. Dabei darf der Kreis Wesel nur anordnen, was dem Betreiber auch zuzumuten ist – neu ist, dass die Behörde keinen Ermessensspielraum mehr hat. Was zumutbar ist, gibt das neue Bundesnaturschutzgesetz dem Kreis Wesel mit einem komplizierten Berechnungsweg an die Hand. „Die Formel ist Wahnsinn“, waren sich Naturschutzbeirat und Verwaltung einig.

Die Neuerungen klingen abstrakt, haben aber auch jenseits der vielen noch zu klärenden Details ganz praktische Folgen: Seit dem 29. Juli 2022 dürfen im Radius von 1500 Metern um bestehende Windenergieanlagen und ausgewiesene Gebiete keine Nisthilfen für geschützte Vögel- und Fledermäuse mehr angebracht werden, Störche eingeschlossen. Allerdings gab Klaus Horstmann, Fachdienstleiter Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd, Fischerei des Kreises Wesel, zu bedenken: „Die Gesetzgebung ist noch nicht in Stein gemeißelt. Das landet erfahrungsgemäß alles vor Gericht.“

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