Kreis Wesel. Eher skeptisch nahm die Politik das RVR-Haldenkonzept auf, Tenor: Thema verfehlt. Warum touristische Visionen auf Kritik im Ausschuss stießen.
71 Halden gibt es in NRW, 46 gehören dem Regionalverband Ruhr (RVR), zwölf weitere wird er bis 2035 von der Ruhrkohle AG übernehmen. Und der RVR hat Großes mit ihnen vor, wie er jetzt dem Umwelt- und Planungsausschuss des Kreises vorstellte. Der reagierte skeptisch, Tenor: Thema verfehlt. 58 Standorte hat der Verband untersucht, vier davon im Kreis Wesel. Was lässt sich daraus machen? Anlass zur Kritik gab, dass der Blick in erster Linie auf Freizeit, Erholung und Stärkung der regionalen Identität liegt. Neben dem Naturschutz ist auch das Thema Produktion regenerativer Energien eher lieblos abgehandelt, in Zeiten der Energiekrise für die Politik ein Problem.
Die Halden sind teils touristisch entwickelt, manche zugänglich, andere nicht, einige stehen noch unter Bergaufsicht. Susanne Brambora-Schulz vom RVR stellte das Konzept vor. Sie betonte, dass es durch Fördermittel und teils Investoren/Sponsoren entwickelt werden soll, nicht über die RVR-Umlage. Das bedeutet, dass die Haushalte der Kreise und somit Kommunen geschont werden sollen. Die Haldenlandschaft ist einmalig in Deutschland und ein Alleinstellungsmerkmal der Region, sie verbindet Urbanität, Natur und Landschaft – Pfunde, mit dem sich weiter wuchern lässt, so die Idee.
Gastronomie, Sport und Spiel auf den Halden im Kreis Wesel
Jede Halde soll einen besonderen Namen erhalten, „Die Erhabene“, „Die Geheimnisvolle“, „Die Leuchtende“. Und sie sollen einander keine Konkurrenz im Angebot machen: Lohberg Nord, Norddeutschland und Rheinpreussen. Eingangsportale mit Stelen in Edelrost sollen die Besucher willkommen heißen, Brambora-Schulz stellte Gastronomie-Decks vor, an denen Foodtrucks stehen können, autarke WC-Container, die keine Wasser- und Abwasserleitungen benötigen und gegen Vandalismus geschützt sind. Versorgungsleitungen im Haldenkörper zu verlegen, wäre zu aufwendig und zu teuer.
Während die Halde Kohlenhuck in Moers nicht für den Tourismus vorgesehen ist, sondern zur Energiehalde ausgebaut werden solle, gibt es für die übrigen drei bereits Vorstellungen. Rheinpreussen, „Die Leuchtende“, in Moers, soll einen Bergwerk-Spielplatz bekommen und Relaxkugeln in der Nähe des Geleuchts, in denen Besucher gemütlich den Ausblick genießen können. Norddeutschland in Neukirchen-Vluyn, „Die Erhabene“, wäre dem Sport gewidmet, unter anderem mit mehr Mountainbiking, Wandern und Klettern. Und Hünxes Halde Lohberg Nord, „Die Geheimnisvolle“, würde einen Schatzwald, Rätselrunden, Spielwiesen und einen Waldhochseilpark bieten.
Im Februar lagen diese Vorschläge auf dem Tisch, nun gehe es darum, Fördermittel zu generieren – verschiedene Programme kommen dafür in Frage, so die RVR-Referentin. Zudem müssten Prioritäten gesetzt werden, freie und Bezahlangebote entwickelt werden. Bereits im kommenden Jahr soll ein erster Foodtruck auf der Halde Norddeutschland in die Testphase treten und die Eingangsportale konkret geplant werden. Der Rest der Umsetzung werde fünf bis zehn Jahre dauern.
Potenzialanalyse für regenerative Energien ist noch nicht angestoßen
Neben den touristischen Visionen ist eine Potenzialanalyse zu regenerativen Energien angedacht, Photovoltaik und Windenergie. Alle Halden zusammen, mit regenerativen Energien bestückt, würden 750 Gigawatt Strom produzieren und 175.000 Haushalte versorgen, so die Prognose. Das werde im Dialog mit den beteiligten Kommunen geschehen, bei denen auch die Bauleitplanung liegt. Auf allen Kreis Weseler Halden wäre das denkbar, auf einigen gibt es bereits Windenergieanlagen. Allerdings: Wie immer beim Thema Energie geht auch hier nichts von heute auf morgen. Laut RVR dauert es allein drei bis fünf Jahre von der Planung bis zum Bau einer Windkraftanlage, drei Jahre bei einer Photovoltaikanlage.
Energiegewinnung muss jetzt Priorität haben
Arnd Cappell-Höpken (CDU) stellte fest, dass sich die Energiewelt seit Entstehen des Konzeptes geändert hat. Nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine müsse Energiegewinnung jetzt an erster Stelle stehen, nicht der Tourismus. „Wenn alle Photovoltaik- und Windkraftanlagen auf den Halden stehen, könnten wir eine Stadt wie Moers versorgen.“ Weil der Kreis Wesel Wasserstoffregion werden möchte, um Sonnenenergie speicherbar zu machen, müsse das auf den Weg gebracht werden. Cappell-Höpken weiter: „Das muss Vorrang haben. Ich möchte dringendst bitten, mit Kommunen und Kreis über Energie zu sprechen und Wasserstoff auf den Weg zu bringen. Dafür sind die Halden ideal, weil keine Agrarflächen dafür verloren gehen.“
Dem widersprach niemand, Andreas Köhler (Grüne) wollte wissen, ob das Konzept bereits überarbeitet werde. Brambora-Schulz reagierte auf die Kritik, beim RVR sei nun eine Taskforce eingerichtet, die schaue, was umsetzbar sei. Das geschehe in Zusammenarbeit mit den Kommunen, die für die Bauleitplanung zuständig sind.