An Rhein und Ruhr. Bis ein Windrad endlich Strom liefert, kann es viele Jahre dauern, wie ein Investor berichtet. Das Land NRW möchte schneller genehmigen.

Es könnte so einfach und so schnell gehen: „Ein Jahr brauchen wir für Gutachten, ein Jahr bis die Genehmigung vorliegt und ein weiteres Jahr für den Bau“, rechnet Milan Nitzschke vor. Von diesem idealtypischen Ablauf, von der ersten Idee bis zum fertigen und Strom produzierenden Windrad, sei die Realität aber weit entfernt, wie der Geschäftsführer der SL NaturEnergie GmbH im Gespräch berichtet. „In der Regel sprechen wir tatsächlich eher von einem Zeitrahmen von sechs bis sieben Jahren.“

Und selbst diese Spanne könne in Extremfällen noch übertroffen werden, wie der Projektentwickler und Betreiber für Wind- und Solarenergie aus leidvoller Erfahrung zu erzählen weiß. Ein Jahrzehnt lang, von 2012 bis 2022, dauerte es, bis die sechs Windräder auf dem Kohlberg im sauerländischen Neuenrade in Betrieb gehen konnten.

20 Millionen Euro wurden investiert

„Zwischendurch waren wir mit einem gerichtlich verhängten Baustopp konfrontiert“, so Nitzschke. Die 20 Millionen Euro schwere Investition stand auf des Messers Schneide. Eine Initiative hatte gegen die Baugenehmigung geklagt, sah unter anderem Mindestabstände zu Wohnbebauung verletzt, ebenso eine Gefährdung für die Greifvogelart Rotmilan

„Das führte zu massiven Kostensteigerungen. Zwei der sechs Anlagen waren zu diesem Zeitpunkt bereits fertig, durften jedoch nicht ans Netz. Für den Zeitraum des Stopps mussten wir die Baustelle sichern, auch das Material wurde durch den Stillstand in Mitleidenschaft gezogen.“ Als weitergebaut werden durfte, mussten die notwendigen Maschinen erst wieder aufgestellt werden.

Auch heute noch könne sich das Unternehmen nicht sicher sein, dass die Betriebserlaubnis auf dem Kohlberg bestand hat, läuft noch ein Verfahren beim Oberverwaltungsgericht Münster. „Wir sind jedoch zuversichtlich, dass in unserem Sinne entschieden wird.“

Nitzschke möchte dabei keinesfalls unterschlagen, dass es positive Beispiele gibt, gerade am Niederrhein. „Wir haben in Kerken, Issum, Rees oder Schermbeck sehr gute Erfahrungen gemacht.“ Dort vor Ort sehe er eine Bereitschaft, neue Windkraftanlagen zu ermöglichen. „Es sind Investitionen in die Wirtschaft vor Ort, die Kommunen profitieren davon.“

„Risiko des Scheiterns ist extrem groß“

Andere Erlebnisse machte aktuell die Windrad Klein-Netterden Verw. GmbH mit ihrem Ansinnen, im Kreis Kleve ein weiteres Windrad zu errichten. Die beiden dahinterstehenden Investoren aus Emmerich, die im Gespräch ihre Namen nicht nennen wollen, resignieren. „Die Planungszeiten sind enorm lang, das Risiko des Scheiterns ist extrem groß und bei der aktuellen Förderkulisse sagen die Banken auch eher Nein als Ja“.

Die Emmericher Stadtverwaltung habe ihnen signalisiert, dass sie zeitlich zu stark eingebunden sei, um die Planung für ein Windradentscheidend voranzutreiben. Dabei hätten die politischen Ausschüsse vor Ort ihre Zustimmung in Aussicht gestellt.

Langwierige Genehmigungsverfahren sorgen für schleppenden Ausbau

Aus Sicht des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) zeigen diese Fälle, dass es noch an vielen Stellen hake. „Neben den fehlenden Flächen sind die langwierigen Genehmigungsverfahren vor allem mitverantwortlich für den nach wie vor nur schleppenden Ausbau der Windenergie in allen Bundesländern“, so Geschäftsführer Christian Mildenberger.

In NRW werde der Verband in den nächsten Wochen und Monaten darauf drängen, dass die schwarze-grüne Regierung eine Ankündigung aus ihrem Koalitionsvertrag schnell umsetzen wird: Um mehr Tempo bei den Genehmigungen zu machen, sollen nicht mehr die einzelnen Kreisbehörden für die Verfahren, sondern die Bezirksregierungen zuständig sein. „Noch ist die organisatorische Neuerung nicht umgesetzt.“

Wie schnell hierzulande Infrastrukturprojekte angegangen werden können, würden die neuen LNG-Terminals (Flüssigerdgas) an der Nordseeküste zeigen. „Von der Idee über die Genehmigung und den Bau werden bis zur Inbetriebnahme dieser schwimmenden LNG-Terminals Anfang kommenden Jahres weniger als zwölf Monate vergangen sein“, führt Mildenberger an.

„Als Genehmigungsbehörden brauchen die Kreise klare Regelungen von Bund und Land, um eine zügige und möglichst einfache Bearbeitung der Verfahren zu gewährleisten“, führt der Landkreistag NRW aufAnfrage an. „In diesem Sinne erwarten die Kreise von der Landesregierung die Schaffung klarer rechtlicher Vorgaben sowie die Standardisierung und Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungserfordernissen.“

Beispielsweise sollten Bund und Land insbesondere artenschutzrechtliche und fachrechtliche Fragestellungen eindeutig klären. Denn es sind immer wieder langwierige Auseinandersetzungen über Fragen des Artenschutzes, technische Anforderungen oder die Vorlage von Gutachten, die zu komplexen und zeitaufwendigen Genehmigungsverfahren führen würden.

Task Force soll Arbeit aufnehmen

Die Landesregierung habe sich vorgenommen, die Planungs- und Genehmigungsverfahren massiv zu beschleunigen, heißt es auf Anfrage aus dem NRW-Wirtschaftsministerium. Angekündigt wurde nun die Bildung einer „Task Force Ausbaubeschleunigung“. Diese solle Hemmnisse identifizieren und Empfehlungen für Maßnahmen zur Beschleunigung vorlegen.

„Wir arbeiten konkret an Re-Powering-Maßnahmen, an Flächenermöglichung in Industrie- und Gewerbegebieten“, so Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne). Ein Erlass zur Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien sei in Abstimmung. Zusätzlich würden das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium und das Bau- und Kommunalministerium eine Planungshilfe für die Kommunen, die Städte und Kreise beim Windenergieausbau unterstützt, erarbeiten.