Kreis Wesel. Jährlich blickt die Biologische Station im Kreis Wesel auf die Entwicklung in den Naturschutzgebieten. Auch 2021 hat sich viel getan.
16.956 Hektar Naturschutzgebiet gibt es im Kreis Wesel, dazu knapp 4000 Hektar Flora Fauna Habitat (FFH) Gebiete – der höchste Naturschutz, den es in der EU gibt. Plus 5288 Hektar Vogelschutzgebiet unterer Niederrhein: Viel Arbeit für den Verein Biologische Station im Kreis Wesel, der jetzt seine Bilanz für das Jahr 2021 im Orsoyer Rheinbogen vorstellte.
18 Gebiete standen im vergangenen Jahr im Fokus der Naturschützer, die sich Jahr für Jahr Schwerpunktgebiete in der Betreuung setzen. Wie Geschäftsführer Klaus Kretschmer erläuterte, geht jährlich ein Bericht an die Landesregierung, in dem die Biologische Station den Zustand der Schutzgebiete mitteilt und bewertet. „Die meisten Gebiete sind in der Mitte angesiedelt“, sagt Kretschmer, „da ist noch Luft nach oben“.
Zwölf von 18 Naturschutzgebieten liegen im Mittelfeld
Als beste bewertet sind der Diersfordter Wald inklusive umgebender Staatsforste und der Dämmerwald. Im Mittelfeld verortet die Biostation 12 der 18 Gebiete, die Drevenacker Dünen etwa, Dingender Heide, die Lippeaue in Hünxe und Schermbeck, der Orsoyer Rheinbogen, das Rheinvorland zwischen Mehrum und Emmelsum, um nur einige zu nennen. Doch in vier Naturschutzgebieten sehen die Biologen erkennbare Negativeinflüsse: Auf der Bislicher Insel, in der Rheinaue zwischen Haus Lüttingen und Reeser Schanz und zwischen Wesel und Bislich sowie in den Kaninchenbergen.
Paul Schnitzler, Vorstandsmitglied der Biologischen Station, erläutert einige der zahlreichen Kriterien, die zur Einordnung führen. Gibt es nur Gras oder eine Wiese mit Kräutern? Im Orsoyer Rheinbogen ist es definitiv Wiese, „im Mai sehen Sie hier ein Blütenmeer“. Allerdings blüht hier wie in allen Kreis-Weseler Naturschutzgebieten auch Unwillkommenes: das für Weidevieh giftige Jakobskreuzkraut. Weil die Wiese auch landwirtschaftlich genutzt wird – sie wird gemäht – wird das zum Problem. Wie also die giftige Pflanze loswerden, ohne auch die anderen, wertvollen, zu schädigen? „Das Jakobskreuzkraut macht sich überall in den Kreis-Weseler Naturschutzgebieten breit“, sagt Schnitzler. Eine perfekte Lösung gibt es noch nicht, man arbeite aber daran.
Jede Art hat besondere Bedürfnisse, die es zu erfüllen gilt
Bereiche mit stehendem Wasser sind für seltene Vögel überlebenswichtig, die Biostation legt daher flache Tümpel an, sogenannte Blänken. Sie müssen „stocherfähige“ Böden haben, damit Rot- und Grünschenkel beispielsweise am Grund Futter finden. Auch Zugvögel legen an den Blänken gern Pausen ein.
Gut beweidete Heidelandschaften, Streuobstwiesen, Auenwälder, Gänseschlafplätze – schützenswerte Tier- und Pflanzenarten bevorzugen sehr unterschiedliche Lebensräume, die es im Rahmen des Natura 2000-Projektes der Europäischen Union zu erhalten gilt.
So grasen im Orsoyer Rheinbogen Wasserbüffel, die die Gewässerränder frei halten, Kiebitz und Uferschnepfe schätzen das. Der Kiebitz nistet in den Kreis-Weseler Naturschutzgebieten immer erfolgreicher: in der Momm-Niederung beispielsweise, Dingender Heide, Isselbruch in Hamminkeln oder der Xantener Wardt. Das freut die Naturschützer.
Eine weitere Erfolgsgeschichte ist die Rückkehr der Flussseeschwalbe: Sie brütet mangels natürlicher Gelegenheiten auf künstlichen Flößen, beispielsweise im Auesee. Ein Problem ist die Größe dieser Flöße, die sich bei Hochwasser schonmal losreißen und zur Gefahr werden, erläutert Paul Schnitzler. Im Rahmen des Projektes „Wohnen am See“ hat die Biostation in Orsoy eine neue Floßart in einem vom Kiesabbau hinterlassenen Wasserlauf ausprobiert: kleine, mobile Flöße aus Holz, die kurz vor Brutbeginn zu Wasser gelassen werden. „Die waren kaum da, da hat ein Paar darauf gebrütet.“ Schnitzler hofft, dass aus dem einen mal 15 bis 20 Paare werden. Nach der Brut werden die Flöße bis zur nächsten Saison wieder an Land geholt.
Eine Hauptaufgabe der Biostation ist es, die Rekultivierung der Abgrabungsfolgenlandschaften positiv zu begleiten, erläutert Klaus Kretschmer. Kaum eine Landschaft der Region sei natürlichen Ursprungs, Kiesbaggerei und Kohleabbau haben das Gesicht des Kreises nachhaltig verändert und tun es noch.
Informationen zur Biologischen Station im Kreis Wesel
Die Biologische Station im Kreis Wesel hat 13 Angestellte und machte im Jahr 2021 einen Umsatz von 1,1 Millionen. 84 Prozent der Vereinsarbeit ist gemeinnützig, die Betreuung der Naturschutzgebiete beispielsweise. Finanziert wird das vom Regionalverband Ruhr (RVR), Land NRW und Kreis Wesel. Darüber hinaus gibt es noch neun Prozent Wirtschaftsbetrieb: Die Biologen untersuchen und kartieren, was in bestimmten Gebieten wächst und lebt, beispielsweise im Auftrag von Amprion, wenn an den Hochleitungsmasten gebaut werden soll.