Kreis Wesel. . Flussseeschwalben können nur mit Hilfe des Menschen überleben. Gestern verankerte die Biologische Station ein Floß im Lipperandsee für die Vögel.

Selten ist sie geworden, die Flussseeschwalbe. Der Zugvogel kommt aus Westafrika zu uns, um auf kiesigen Inseln in den Flüssen zu brüten. Bloß: Inseln gibt es in unseren Wasserstraßen nicht mehr. Scherzhaft nennen manche Naturschützer den Vogel deshalb „Floßseeschwalbe“, erläutert Bernd Finke von der Unteren Naturschutzbehörde. Künstliche schwimmende Inseln in den Baggerseen bieten den Tieren jetzt eine Überlebenschance. Die einzige.

Am Mittwoch hat Klaus Kretschmer von der Biologischen Station im Kreis Wesel mit Hilfe eines Kahns der Auskiesungsfirma RMKS ein solches Floß im Lipperandsee verankert, finanziert vom Kreis Wesel und dem RVR. Es ist eines von drei neuen Brutangeboten für die vom Aussterben bedrohten Vögel, die trotz ihres Namens mehr Möwe denn Schwalbe sind.

Die Lippemündung verspricht Futter für die Jungen

200 Brutpaare hat Ornithologe und Diplombiologe Stefan Sudmann, der ehrenamtlich zusammen mit seiner Frau Barbara Meyer unermüdlich die Flussseeschwalben beobachtet und beringt, 2017 in den Kreisen Wesel und Kleve festgestellt. „Mitte der 80er gab es nur noch zehn Paare“, sagt er – eine Erfolgsgeschichte. Die Vögel passen sich an. Bis zu 50 Paare könnten auf dem Floß brüten, das nur vier mal vier Meter misst. Seine Nähe zur Lippemündung verspricht Futter, denn diese Vögel fressen nur Fisch.

„Obwohl sie es von Natur aus nicht gewohnt sind, dass Inseln sich drehen, finden sie immer ihr Nest auf dem Floß wieder“, erläutert Sudmann. Die Kunstinsel hat Vorteile: Sie ist hochwassersicher, Ratten können den hohen Rand zudem nicht erklimmen. Eulen bleiben aber eine Gefahr. „Für sie ist so eine Kolonie ein Fly-In, nachts rufen die Jungen nach ihren Eltern.“ Die Raubvögel haben ein leichtes Spiel. In der Regel ziehen die Flussseeschwalben dann an einen anderen Ort und brüten, wenn möglich, noch einmal.

Manche Vögel werden 30 Jahre alt

Neben dem auf dem Lipperandsee gibt es ein neues Floß im Südbereich des Tenderingssees und im Südteil des Menzelner Sees in Alpen. Im vergangenen Jahr gab es vier besetzte Flöße am Niederrhein – zwei im Kreis Wesel sowie je eines in den Kreisen Kleve und Dorsten. „Es ist ein Angebot“, sagt Sudmann. Manchmal dauere es Jahre, bis die Vögel es annehmen. Wenn überhaupt. Es sind ungewöhnliche Tiere, die im Schnitt sieben Jahre alt werden – und im Ausnahmefall bis zu 30. Im Mai beginnt die Brut, diesen drei Wochen folgen drei bis vier weitere – fertig sind die jungen Flussseeschwalben. Dann ziehen die Vögel in Richtung Afrika. Am Lipperandsee sollten sie recht sicher sein: Der renaturierte Bereich des Baggerlochs hat ein steiles Ufer. Menschen können hier kaum ans Wasser gelangen und die Tiere stören. Und Fisch, den gibt es in der Regel satt.