An Rhein und Ruhr. Ein auf sieben Jahre angelegtes Projekt soll Feuchtwiesen-Lebensräume wiederherstellen. Der Niederrhein spielt eine wichtige Rolle.

Für Wiesenvögel müsste es eigentlich so etwas wie eine "knallrote Liste" geben. Die Situation vieler Arten ist dramatisch. In Nordrhein-Westfalen und anders wo leiden Kiebitz & Co., einst weit verbreitet, unter dem Verlust von Lebensräumen. Beispiel Kiebitz: 1970 gab es zwischen Rhein und Weser noch rund 50.000 Brutpaare, heute nach Einschätzung von Fachleuten vielleicht noch ein Zehntel davon. Und die Bekassine - ein langschnäbeliger Schnepfenvogel - gilt mit zuletzt weniger als 50 Brutpaaren ebenso wie der Rotschenkel in NRW als fast ausgestorben.

Ein sogenanntes "Life-plus-Projekt" soll nun helfen, Feuchtwiesen als bitter benötigte Lebensräume wiederherzustellen - EU und das Land NRW stellen insgesamt fast 19 Millionen Euro bereit. Das Projekt ist angelegt auf sieben Jahre, begleitende Forschung inklusive. Neben den Vogelkundlern des niederländischen Verbandes Sovon sind zehn Biologische Stationen in NRW Partner - darunter die Station im Kreis Wesel, das Naturschutzzentrum im Kreis Kleve und die Nabu-Naturschutzstation Niederrhein.

Bestehende Schutzgebiete sollen wachsen

Im Wesentlichen geht es um zwei Dinge: das Wiedervernässen einstmals trockengelegter Wiesen und die Umstellung auf von intensiver auf extensive also ausgedehnte landwirtschaftliche Nutzung. Fürs Wiedervernässen müssen seinerzeit eingebrachte Drainagen aus dem Boden entfernt und Entwässerungsgräben geschlossen werden. Den Rest erledigt das nicht zu tief liegende Grundwasser.

"Man darf sich dann nicht als Moor vorstellen, sondern eben als Wiesen, wo etwas Wasser steht", erläuterte ein Sprecher des Landesumweltamtes (Lanuv) auf Nachfrage der Redaktion. Das Projekt sieht den Angaben zufolge auch vor, zwar nicht neue Naturschutzgebiete zu schaffen, aber immerhin bestehende zu erweitern. Es soll dafür Grundstücksankaufe geben. NRW-weit haben Schutzgebiete laut jüngsten Daten einen Anteil von 8,5% an der Landesfläche. Umweltschützer haben weitere Schutzgebiete gefordert.

Fokus liegt auf wiesenbrütenden Arten

Acht EU-Vogelschutzgebiete sind in dem neuen Life-plus-Projekt vertreten, darunter der gerade auch für Zugvögel so wichtige Untere Niederrhein, die Lippeaue bei Hamm sowie die Moore und Heiden des westlichen Münsterlandes, wo im Zwillbrocker Venn sogar Flamingos brüten. Erste organisatorische Arbeiten für das Projekt sind in diesem Monat angelaufen.

Laut Lanuv liegt der Fokus auf wiesenbrütenden Arten wie Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Rotschenkel, Kiebitz, Bekassine, Löffelente, Knäkente und Wiesenpieper. Ausdrücklich geht es sowohl um Brutvogelarten im Sommer wie auch Rastvögel und Überwinterer. Die im Jahr 2018 neu für NRW vorgelegte Rote Liste der Brutvogelarten hatte auf die dramatische Lage vieler dieser Arten hingewiesen.

Heinen-Esser: Projekt schützt ganze Lebensräume

"Wiesenvögel sind wichtige Indikatoren für den Zustand unseres Grünlandes und der Natur insgesamt“, erklärte Lanuv-Präsident Thomas Delschen. Das Life-plus-Projekt sieht er als Beitrag zur Bestandssicherung; es gelte, einen negativen Trend ins Positive zu kehren. "Das neue Projekt schützt dabei nicht nur Wiesenvögel, sondern erhält ganze Lebensräume inklusive der dort lebenden Pflanzen und Insekten", stellte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) heraus.

In ihrem Ministerium sieht man das Projekt ausdrücklich als Teil des "nordrhein-westfälischen Engagements zur Erhaltung seiner Biologischen Vielfalt". Naturschutzverbände halten der Landesregierung vor, zu wenig im Kampf gegen Artenschwund zu tun. Sie haben deshalb eine Volksinitiative gestartet.