Kleve. In den vergangenen Jahren wurden in Kleve viele neue Salons, vor allem „Barbershops“, eröffnet. Etablierte Wettbewerber sind erstaunt.

Bei einem Gang durch die Große Straße in der Klever Innenstadt fällt eines besonders auf: die große Dichte an Friseurläden. Auf wenigen 100 Metern kommen ungefähr ein Dutzend dieser Geschäfte zusammen, viele davon gibt es noch nicht allzu lange, machen einen sehr neuen und modernen Eindruck. Der Trend der sogenannten „Barbershops“ macht sich hier mehr als bemerkbar.

„Generell ist es mittlerweile in jeder Stadt oder sogar in jedem Dorf so, dass mindestens ein oder zwei Kollegen einen Barbershop betreiben. Das sind meist Kollegen, die sich selbstständig machen. Die Vermieter der Gebäude und die Kommunen sind natürlich froh, dass leerstehende Objekte vermietet werden“, meint Karin Ingenillem, Obermeisterin der Friseurinnung Kleve.

Kontrollen sind zu gering

Um sich selbstständig zu machen, müssten die Unternehmensgründer einen Meisterbrief vorweisen. Es bestehe aber auch die Möglichkeit, ein Unternehmen zu gründen und jemanden mit Meisterbrief einzustellen, erklärt Ingenillem, die ihren Betrieb in Geldern hat. Die Handwerkskammer, der Zoll oder auch Sozialversicherungsträger machten zwar Kontrollen, ob alles in Ordnung sei, aber nur in geringem Umfang, weil zu wenig Personal vorhanden sei, schildert die Friseurmeisterin.

Innungs-Obermeisterin Karin Ingenillem (r.) und Kreishandwerksmeiser Ralf Matenaer beglückwünschen hier im Sommer vergangenen Jahres Marlene Schumacher aus Kevelaer zu ihrem 50-jährigen Meisterjubiläum.
Innungs-Obermeisterin Karin Ingenillem (r.) und Kreishandwerksmeiser Ralf Matenaer beglückwünschen hier im Sommer vergangenen Jahres Marlene Schumacher aus Kevelaer zu ihrem 50-jährigen Meisterjubiläum. © Kreishandwerkerschaft Kleve | Anna Walkenbach

Handwerkskammer Düsseldorf sieht Handlungsbedarf

„Ich denke, dass mehr Kontrollbedarf besteht. Ein großes Thema war immer schon die Ausnahmebewilligung.“ Die Handwerkskammer Düsseldorf habe sich erst vor Kurzem mit Unternehmern getroffen, um das Ausnutzen der Ausnahmebewilligung und Schwarzarbeit zu bekämpfen. Dabei sei noch mehr Zusammenarbeit zwischen den Kammern und Unternehmern sowie den Behörden gefordert, betont Ingenillem.

Ich denke, dass mehr Kontrollbedarf besteht. Ein großes Thema war immer schon die Ausnahmebewilligung.
Karin Ingenillem - Obermeisterin der Friseurinnung Kleve

Viele Kunden würden sie darauf aufmerksam machen, dass viele neue Friseurgeschäfte öffnen, zum Beispiel in einer ehemaligen Apotheke oder Leerständen. „Überall sind Kollegen tätig und es sind auch Kunden da. Aber die Läden sind oftmals auch preisgünstiger. Ich verstehe diese Unternehmensführung nicht, dass man die teuerste Miete bezahlt und trotzdem so preiswert arbeiten kann. Die müssen die Tarife einhalten, was über den Zoll kontrolliert wird. Das ist schwer, nachzuvollziehen.“

Barbershops vermeiden Eintritt in die Innung

Richard Thielen, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Kleve, legt dar, dass die Zahl der bei der KH angemeldeten Friseurbetriebe im Kreis Kleve etwa gleich geblieben sei. 2014 gab es 270 gemeldete Betriebe, im vergangenen Jahr 277. Die Zahl der Innungsmitglieder ist allerdings von 95 auf 52 gesunken.

Kreishandwerkerschaft-Geschäftsführer Richard Thielen vor dem Haus des Handwerks in Goch. 
Kreishandwerkerschaft-Geschäftsführer Richard Thielen vor dem Haus des Handwerks in Goch.  © Kleve | Astrid Hoyer-Holderberg

„Leider geben immer mehr alteingesessene Betriebe (aus Altersgründen oder aus wirtschaftlichen Gründen) auf und werden zum Teil durch Barbershops ersetzt, die meist zu günstigeren (eigentlich nicht kostendeckenden) Preisen ihre Leistung anbieten“, erklärt Thielen.

Diese würden dann im Regelfall auch nicht Mitglied im Arbeitgeberverband (Innung), „der ja nicht nur Beratungsleistungen anbietet und die überbetriebliche Ausbildung organisiert, sondern auf Landesebene auch bei den Tarifverhandlungen mit eingebunden ist“, betont der KH-Geschäftsführer, der sich ebenfalls für strengere Kontrollen ausspricht und anfügt: „Man muss Verdachtsfälle auch melden und den entsprechenden Behörden (z.B. HWK Düsseldorf) mitteilen, denn alle routinemäßig zu kontrollieren ist nicht machbar.“

„Friseure haben ein Imageproblem“

Generell hätten Friseure ein Imageproblem, meint Karin Ingenillem. „Wir arbeiten immer an unserem Image, mit höheren Löhnen, vernünftigen Preisen, Preis-Leistung muss stimmen. Wenn jetzt so viele Friseure eröffnen, dann fragen sich die Leute, was da los ist, und das tut unserem Ruf nicht gut“, findet die Geldernerin. Trotz der vielen neuen Läden gebe es Personalprobleme. „Wir haben keinen Nachwuchs. Jahrelang schwinden unsere Auszubildendenzahlen, wobei sich das ja über das gesamte Handwerk zieht.“

Das Schöne an dem Beruf sei der direkte Kontakt mit den Menschen und der künstlerische Aspekt sei auch nicht außer Acht zu lassen. „Für mich persönlich ist auch ganz schön, dass man in seinem Tun relativ schnell ein Erfolgserlebnis hat“, sagt die Innungs-Meisterin.

„Gefühlt alle 100 Meter ein Friseurgeschäft“

„Es ist auf jeden Fall, gerade auf der Großen Straße oder auf der Hoffmannallee hier in Kleve, auffällig, das gefühlt alle 100 Meter ein Friseurgeschäft aufmacht. Das ist schon irgendwie kurios“, findet Friseurmeister Stefan Quinkertz, der in der dritten Generation Haarmode Quinkertz auf der Ringstraße führt.

„Jahrzehntelang war der Bedarf nicht so da und jetzt auf einmal wohl. Womit das genau zusammenhängt, kann ich selber schwer beurteilen. Was mir allerdings auffällt - wenn ich mir die Preisgestaltung und die Auslastung, oder eben Nicht-Auslastung anschaue - da frage ich mich, wie das funktioniert. Wie die Hintergründe sind, kann ich nicht sagen, aber ich finde sehr auffällig, dass meistens keine EC-Karten-Zahlung möglich ist. Es hat einen komischen Beigeschmack.“

Er wisse, wie es sei, jeden Tag elf, zwölf Stunden im Laden zu stehen. „Wir sind gut ausgelastet und ich bin sehr zufrieden, aber es ist nicht so, dass du in dem Bereich Reichtümer anhäufst. Quinkertz findet, wie Ingenillem, dass viele Betriebe zu wenig kontrolliert werden.

Gleiche Bedingungen für alle gefordert

„Meiner Meinung nach ist die Vergabe auch etwas lasch. Man weiß gar nicht, wer dahinter steckt. Wir haben in unserem Beruf immer noch Meisterpflicht. Ein offener Wettbewerb ist vollkommen in Ordnung, nur muss die Chancengleichheit gegeben sein. Etliche Leute haben für ihren Meisterbrief viel Geld bezahlt. Es müsste engmaschiger kontrolliert werden, ich finde das alles sehr seltsam.“

Ein offener Wettbewerb ist vollkommen in Ordnung, nur muss die Chancengleichheit gegeben sein.
Stefan Quinkertz - Friseurmeister

Konkurrenz belebe das Geschäft, „aber es müssen schon gleiche Rechte und gleiche Chancen für alle da sein.“ In den 21 Jahren, seit er das Geschäft seiner Eltern übernommen habe, habe es Höhen und Tiefen gegeben, aber „im Moment haben wir eigentlich eine stabile, gute Nachfrage.“

Unterstützung in der Corona-Zeit

Auch Quinkertz schätzt an seinem Beruf den Kontakt mit den Menschen, kombiniert mit der handwerklichen Komponente, in seinem Fall komme noch der Werdegang der Familie hinzu. „Ich merke, umso länger ich in dem Beruf bin, umso mehr macht es den Umgang mit den Leuten aus. Die Leute sind individuell, das macht den Tag echt bunt.“

Außerdem habe er im Verlauf der Corona-Pandemie sehr viel Unterstützung erfahren. „Es ist verblüffend, wie nett die Leute um einen herum eigentlich sind. Das wird einem danach erstmal bewusst.“ Diese Wertschätzung ihres Handwerks wünschen sich die Friseurinnen und Friseure auch von den Kontrollbehörden.

Über 80.000 Friseurbetriebe in Deutschland

In Deutschland gebe es aktuell 80.399 Friseurbetriebe, sagt Karin Ingenillem, Obermeisterin der Friseurinnung Kleve, die sich dabei auf Zahlen des Bundesverbandes beruft. In der Branche arbeiteten zurzeit rund 223.700 Beschäftigte, davon etwa 14.200 in der Ausbildung. 81 Prozent der Beschäftigten seien Frauen und die Branche generiere bei einer Millionen täglichen Kunden rund sechs Milliarden Euro Umsatz im Jahr, legt die Friseurmeisterin dar.

Außerdem zeigt sie auf, dass nach der Meisterprüfung noch ein Hochschulstudium möglich sei und neben der Arbeit im Salon auch Stellen als Hochschul-Lehrkraft oder bei Zulieferern wie zum Beispiel L‘Oreal erstrebenswert seien.

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