Kleve/Kranenburg. NRW-Umweltminister Oliver Krischer hält einen grenzüberschreitenden Nationalpark in Kleve und den angrenzen Niederlanden für möglich.
Die schwarz-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalen möchte einen zweiten Nationalpark gründen. Umweltminister Oliver Krischer hat im September auch den Reichswald in Kleve und Kranenburg ins Spiel gebracht. Die NRZ sprach mit dem Minister über die Erfolgsaussichten des Reichswaldes. Spätestens im ersten Quartal 2024 müsste der Kreis Kleve dafür eine formlose Bewerbung eingereicht haben.
NRZ: Herr Krischer, warum haben Sie den Klever Reichswald als möglichen Nationalpark ins Spiel gebracht?
Oliver Krischer: Wir haben als Landesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir einen zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen wollen. Wir wollen aber als Land nicht vorgeben, wo er entstehen soll und haben ein Bewerbungsverfahren auf den Weg gebracht. Natürlich haben wir auch geschaut, welche eigenen Landesflächen wir einbringen können. Und da bietet sich der Reichswald als größter zusammenhängender Staatswald des Niederrheins an. Der Reichswald ist eine interessante Fläche mit wertvollen Naturwälder und Naturschutzgebieten, die nationalparkwürdig sind. In den Niederlanden schließen sich weitere wertvolle Waldflächen an.
Sicherlich gibt es im Reichswald nicht nur wertvolle Naturschutzflächen, aber ein solches Naturgebiet kann sich entwickeln. Der Nationalpark Eifel hat hier auch eine gute Entwicklung genommen.
NRZ: In der politischen Diskussion im Kreis Kleve wird von Skeptikern angeführt, dass der Reichswald mit 5100 Hektar zu klein für einen Nationalpark sei. Wie sehen Sie das?
Krischer: Das Bundesnaturschutzgesetz sieht keine Mindestgröße vor. Dort heißt es, dass ein Nationalpark „großräumig, weitgehend unzerschnitten und von besonderer Eigenart“ sein soll und dass „in einem überwiegenden Teil“ des Gebietes die Voraussetzungen für ein Naturschutzgebiet erfüllt sein müssen.
Wir haben in Deutschland 16 Nationalparke, der größte ist das Wattenmeer, aber wir haben auch den Nationalpark Kellerwald-Edersee in Hessen mit 7688 Hektar oder den Nationalpark Jasmund in Mecklenburg-Vorpommern mit 3100 Hektar. Die Flächengröße ist also nicht entscheidend.
NRZ: Die Naturschutzverbände haben einen grenzüberschreitenden Nationalpark ins Spiel gebracht, weil es auf niederländischer Seite die Waldbestände um den Sint Jansberg und das Niedermoor Koningsven gibt. Diese Gebiete sind bereits im Besitz von Naturschutzverbänden. Wäre das für Sie eine Option: ein grenzüberschreitender Nationalpark?
Lesen Sie auch diese Nachrichten aus Kleve und Umland
Krischer: Das kann ich mir gut vorstellen. Nun haben die Niederlande sicherlich ein anderes Naturschutzrecht als Deutschland. Da kann man keine einheitliche Rechtsverordnung machen. Aber man kann Vereinbarungen treffen. Der Nationalpark Bayerischer Wald grenzt etwa auch an den tschechischen Nationalpark Šumava und beide zusammen bilden die größte Waldschutzfläche Mitteleuropas. Also grundsätzlich ist das vorstellbar und das wäre ein schönes Zeichen für den europäischen Naturschutz.
NRZ: Warum ist der Reichswald für Sie nationalparkwürdig?
Krischer: Der Reichswald ist ein großes zusammenhängendes Waldgebiet. Er ist zwar durch Straßen und Wege zerschnitten, Teile des Reichswaldes sind bereits aber wertvolle Naturwaldzellen oder als Wildnis- und Naturschutzgebiet geschützt. Wir haben hier einige 100 Hektar alte Laubwaldbestände und der Wald wird immer mehr zu einem Mischwald umgebaut. Es gibt auch eine große Artenvielfalt, allein elf Fledermausarten kommen hier vor, selten gewordene Hirschkäfer und Schwarzspechte.
NRZ: Skeptiker befürchten, dass mit einem Nationalpark auch die Nutzung des Waldes eingeschränkt wird.
Krischer: Hier gilt die klare Botschaft: Wir werden keinen Eigentümer enteignen oder zum Verkauf von Flächen zwingen. Ein Nationalpark kann letztlich nur auf landeseigenen Flächen entstehen oder Dritte geben Flächen freiwillig dazu. Wichtig ist, dass wir das im Einvernehmen mit den Menschen vor Ort tun.
NRZ: Welche touristischen Vorteile bietet ein Nationalpark?
Krischer: Das Schöne ist: Tourismus und Naturschutz lassen sich in einem Nationalpark gut verbinden. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht sogar ausdrücklich vor, dass Nationalparke auch dem Naturerlebnis der Bevölkerung dienen sollen. Aber in erster Linie natürlich der ungestörten Entwicklung der Natur.
Im Nationalpark Eifel wurde viel für den Tourismus getan und investiert. Es gibt den Eifelsteig, den Wildnis-Trail und viele Wanderwege. Die Naturschönheiten wurden besonders zugänglich gemacht und Nationalparktore mit Informationen über die Eifel eingerichtet. Diese Entwicklung braucht natürlich Zeit.
NRZ: Wer wird in den Nationalpark investieren?
Krischer: Es ist eine Landeseinrichtung. Das Land Nordrhein-Westfalen wird entsprechend investieren. Es wird Ranger geben, die dort unterwegs sind, das sind Landesbedienstete. Es wird auch die Möglichkeit geben, touristische Förderprogramme zu nutzen.
NRZ: Ist es für die Bewerbung des Reichswaldes ein Problem, dass der Nationalpark Eifel bereits im Westen des Landes liegt? Ist jetzt nicht der Osten des Landes an der Reihe?
Krischer: Das ist nicht der Fall. Wir sind zwar ein Bindestrichland, in dem sich Rheinland und Westfalen gerne die Waage halten, aber man kann das auch anders sehen: Der Nationalpark Eifel ist schon ein klassischer Mittelgebirgs-Nationalpark. Ganz anders der Reichswald bei Kleve, ein Gebiet in der niederrheinischen Tiefebene. Dass der Reichswald im Westen liegt, muss für den Kreis Kleve kein Nachteil sein.
NRZ: Muss es denn immer Wald sein? Am Niederrhein haben wir mit der Gelderse Poort eine einzigartige Flusslandschaft, die auch sehr reizvoll ist.
Krischer: Nein, Nationalparke müssen nicht immer Waldflächen sein. Entscheidend ist, dass wir eine große Fläche haben, auf der natürliche Prozesse ungehindert ablaufen können. Die Grünlandflächen müssten dauerhaft bewirtschaftet werden. Das wird schwierig. Aber es ist durchaus denkbar, dass wertvolle Schutzgebiete, die an den Reichswald angrenzen, in den Nationalpark integriert werden.