Kreis Kleve. Pagonis Pagonakis will die Lebensumstände von Leiharbeitern verbessern. Dazu möchte er im Kreis Kleve eine Anlaufstelle gründen. Was er fordert.

Pagonis Pagonakis, Leiter des NRW-Projektes „Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten“, fordert die Kommunen im Kreis Kleve dazu auf, die neuen rechtlichen Möglichkeiten des Baugesetzbuches zur Unterbindung von menschenunwürdigen Unterkünften in der Leiharbeiterbranche noch stärker auszunutzen: „Die Impulse müssen von den Kommunen kommen“, sagt Pagonakis im Gespräch mit der NRZ. Noch habe er den Eindruck, dass die vielfältigen Zugriffsmöglichkeiten des neuen Gesetzes nicht konsequent ausgeschöpft werden.

Eng verzahnt mit den Ministerien

Pagonakis stellte seine Arbeit jüngst bei der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in Goch vor. Der Projektleiter arbeitet eng mit den NRW-Ministerien zusammen und möchte jetzt auch im Kreis Kleve eine Beratungsstelle für Leiharbeiter in Not anbieten. Die Stelle dafür wurde vom Arbeitsministerium bereits bewilligt. Bis zum Jahr 2026 wird die Beratung von Leiharbeitern in der deutsch-niederländischen Grenzregion einen Schwerpunkt der Landesregierung bilden.

Pagonakis hat ein Interesse daran, dass sich die Kommunen im Grenzgebiet stärker miteinander vernetzen, weil das Muster der Probleme sich häufig gleiche und man daher viel voneinander lernen könne. In der vergangenen Woche führte er unter anderem Gespräche mit dem Kommunalen Integrationszentrum des Kreises Kleve.

Menschenunwürdige Strukturen bekämpfen

Pagonakis, Journalist und beruflich eng verbunden mit Günter Wallraff, möchte die menschenunwürdigen Strukturen der Leiharbeiterbranche aufdecken und bekämpfen. Gerade in der Fleischindustrie müsse man nach wie vor viele Verstöße gegen die Zahlung von Mindestlöhnen, Arbeits- und Wohnbedingungen feststellen. Für seine Recherchen steht er auch im Austausch mit den hiesigen Gewerkschaftsvertretern.

Pagonis Pagonakis: Auch in Kleve gibt es so genannte Leiharbeiterhäuser.
Pagonis Pagonakis: Auch in Kleve gibt es so genannte Leiharbeiterhäuser. © NRZ | Andreas Gebbink

Die großen Razzien in Geldern, Emmerich, Goch, Borken und Nettetal hätten gezeigt, dass die deutschen und niederländischen Behörden gut zusammenarbeiten und dass die Kontrollaktionen auch etwas bringen. Manche Objekte könne man sofort schließen wegen Baufälligkeit. An dieser Stelle sieht Pagonakis die Kommunen noch stärker gefordert. Allerdings ist ihm auch bewusst, dass die Verwaltungen bei der Schließung eines Hauses für eine adäquate Unterbringung der Leiharbeiter zuständig sind.

Neue Beratungsstelle im Kreis Kleve

Eine neue Beratungsstelle im Kreis Kleve soll betroffenen Leiharbeitern schnell und unbürokratisch helfen. Da geht es etwa um die Bereitstellung einer Notschlafstelle, wenn jemand plötzlich entlassen worden ist. Auch kleine finanzielle Hilfen seien in der akuten Phase möglich, weil viele Leiharbeiter absolut mittellos seien. Die Stelle für die Beratung in Kleve ist ausgeschrieben: „Es sollte allerdings jemand sein, der rumänisch spricht.“

Pagonakis hält die aktuelle Lage in der Leiharbeiterbranche für unübersichtlich. Man wisse, dass tausende Menschen in der Grenzregion leben und unter schwersten Bedingungen arbeiten müssen. „Wir bekommen immer wieder krasse Fälle mit“, sagt er. Die Fluktuation in den Wohnungen sei hoch. Das liege auch daran, dass man in Deutschland Personen erst nach drei Monaten beim Einwohnermeldeamt anmelden müsse.

Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung

Die Anwerberstrukturen seien höchst professionell und in machen Bereichen sei das ein Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung. So müsse er immer wieder hören, dass Rumänen oder Bulgaren unter falschen Voraussetzungen nach Deutschland gelockt werden. So werde ihnen mitgeteilt, dass sie in der Verpackungsindustrie arbeiten werden und dann landen sie auf einmal auf einem Schlachthof.

Viele Anwerbungen laufen über Facebook, weiß Pagonakis. In Bukarest gebe es professionelle Verbindungsbüros. „Und man muss sehen, welche Menschen kommen: Das sind funktionale Analphabeten und Menschen mit geringer Bildung“, erzählt er. Sie hätten kaum die Möglichkeit, sich zu wehren. Nach wie vor sei es so, dass die Kosten für Unterkunft und Transport direkt vom Lohn einbehalten werden. Da gehe es um Beträge zwischen 300 bis 400 Euro für die Schlafstätte und 50 Euro für den Transport.

Kommunen sollen gemeinsame Strategie fahren

Wie solche Schlafstätten aussehen, konnte Pagonakis jetzt auch in Kleve-Griethausen beobachten. Ein Haus am Postdeich ist dermaßen heruntergekommen, dass sein spontaner Eindruck ist, dass man dieses Gebäude sofort schließen könne. Der Geruch, der durch die offenen Haustür dringt, sei typisch: „Da funktionieren dann oft die Wasserabläufe nicht richtig und die sanitären Anlagen sind kaputt“, sagt er.

Pagonakis würde sich wünschen, wenn die Kommunen in der Grenzregion - von Borken bis Viersen - eine kreisübergreifende Strategie anwenden würden. „Wir sind angewiesen auf die Kommunen. Wir wissen nicht, welche Gebäude überprüft werden und ob es personelle Engpässe bei den Ordnungsämtern gibt“, so der Projektleiter.