Goch. Das Festival „Goch history meets Streetart“ bringt im Sommer inoffiziell Künstler in die Stadt. Wo die ersten Wandgemälde schon zu sehen sind.

Seine Kunst und der niederrheinische Sommer treiben Bobbie Serrano in luftiger Höhe die Schweißperlen auf die Stirn. Der Hamburger Streetart-Künstler steht im kleinen Korb eines ausgefahrenen Teleskopauslegers und bemalt eine circa 30 Quadratmeter große Hauswand an der Roggenstraße in der Gocher Innenstadt, auf die bis zum Nachmittag die pralle Sonne scheint.

Bobbie Serrano ist in Deutschland ein bekannter Urban Artist und einiges gewohnt. Der 39-Jährige sprühte und malte auch schon einmal bei mehr als 40 Grad Celsius in Uganda. Doch über die kleinen Erfrischungen, die ihm die gastfreundlichen Gocher während seiner künstlerischen Arbeit reichen, freut er sich sehr. „Vom Balkon nebenan bekomme ich immer einen Eiscafé, andere Passanten haben schon Eis oder eine kalte Cola vorbeigebracht“, erzählt Bobbie Serrano und lacht. „Sie versorgen mich hier gut.“

Der Streetart-Künstler Bobbie Serrano malt in Goch.
Der Streetart-Künstler Bobbie Serrano malt in Goch. © Instagram bobbie.serrano

Goch ist ein wichtiger Ort in der Streetart-Szene

Der Künstler ist auf Einladung von Benjamin Taag an den Niederrhein gekommen. Taag organisiert seit drei Jahren das Urban-Art-Festival „Goch history meets Streetart“ (GhmS) und hat die Kleinstadt so auf die Landkarte der Kunstszene gesetzt. Mit mehr als 50 Orten in der ganzen Stadt zähle Goch zu den großen Urban-Art-Spots und Streetart-Citys im Westen und könne mit Großstädten wie Köln, Frankfurt und Düsseldorf mithalten. „Es hat sich deutschlandweit herumgesprochen, dass es hier gute und große Handflächen gibt, die nicht nur den namhaften und etablierten Urban Artists vorbehalten sind. Auch talentierte, unbekannte Künstler bekommen hier die Möglichkeit, eine Wand im Innenstadtbereich zu bemalen“, sagt Benjamin Taag.

In diesem Jahr wollte der Kreative das GhmS-Festival, das er zusammen mit dem Heimatverein Goch auf die Beine stellt, auf ein neues Level heben. Das bereits detailliert ausgearbeitete Konzept sah ein komplettes Eventwochenende mit – nachts leuchtenden – Kunstarbeiten an großen Wandgemälden und auf Containern sowie Livemusik und gastronomischen Angeboten vor. „Leider haben wir die Finanzierung nicht zusammenbekommen. Solch ein Vorhaben in diesem Umfang fängt bei einem höheren fünfstelligen Eurobetrag an“, sagt Benjamin Taag. Das bei vielen Sponsoren in diesem Jahr nicht mehr so locker sitzende Geld sei in andere Veranstaltungen geflossen.

Der Streetart-Künstler „Force of nature“ hat dieses Bild an eine Wand an der Ecke Kalkarer Straße/Reeser Straße gemalt.
Der Streetart-Künstler „Force of nature“ hat dieses Bild an eine Wand an der Ecke Kalkarer Straße/Reeser Straße gemalt. © Goch history meets Streetart

Inoffizielles Festival läuft über den ganzen Sommer

„Wir wollten das Festival aber nicht ganz aussterben lassen“, betont Taag, der deshalb gemeinsam mit dem Heimatverein Goch eine inoffizielle Version organisiert hat. Über den ganzen Sommer verteilt werden Künstler an verschiedenen Stellen in der Stadt malen. Unter anderem der Künstler „Force of nature“ hat bereits vor drei Wochen seine Spuren an der Rampenbrücke, am Stadtgraben und an der Kalkarer Straße/Reeser Straße hinterlassen.

Nun ist Bobbie Serrano in Goch. Er hatte Benjamin Taag im vergangenen Jahr beim San-Hejmo-Festival in Weeze kennengelernt, bei dem Taag die Streetartaktionen kuratiert. Serrano mag den Platz am Haus an der Ecke von Roggenstraße und Frauenstraße. Der gebürtige Münsteraner, der sich sozial unter anderem für die Non-Profit-Organisation Viva con Agua stark engagiert, malt auf die vorher weiße Wand einen abstrakten Vogel und Blätter in Erdtönen. „Birdstract Art“, nennt er seine Kunst. Dazu passt, dass er kürzlich eine abstrakte Friedenstaube auf eine Schule in der ukrainischen Hauptstadt Kiew brachte.

Benjamin Taag plant für 2024 einen neuen Versuch für ein größeres Festival

Schirmherr des inoffiziellen „Goch history meets Streetart“-Festivals ist weiterhin der Heimatverein. „Damit machen wir deutlich, dass der Verein nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft schaut“, sagt der stellvertretende Vorsitzende Hermann-Josef Kleinen.

Nach vorne blickt auch Benjamin Taag, der die Idee vom vergrößerten Urban-Art-Festival noch längst nicht aufgegeben hat. „Das Konzept ist erstellt und nicht vom Tisch. Wir werden mit den Sponsoren für das nächste Jahr wieder ins Gespräch kommen“, kündigt er an.