Kreis Kleve. Bunte Kunst an Wänden und Türmen beim Musik-Event „San Hejmo“ in Weeze. Das haben sich die Künstlerinnen und Künstler dabei gedacht.
Überall schießen 2022 große Feiern aus dem Boden. Schon wieder steht ein Festival vor der Tür. San Hejmo in Weeze. Haben die Leute noch so viel Geld, es zum Feiern auszugeben? Bernd Dicks, einer der drei Macher von Parookaville und San Hejmo, stimmt zu: „Die Festivalwelt und die Volksfeste stecken in der Krise.“ Potenzielle Besucher müssten erst sehen, „wie sie die Gasrechnung bezahlt bekommen“. Trotzdem wagt er sich an ein ganz neues Event.
Ist noch Geld zum Feiern da? Das Event war schon lange geplant
Geplant war es schon länger, seit Jahresanfang ging es ans Feintuning. „Parookaville hat vieles überstrahlt“, weiß Dicks. Deshalb geht er jetzt „nur“ von 15.000 bis 20.000 Besuchern aus. Anhand der Ticketbestellungen sieht er: Viele kommen vom Niederrhein. Aber es sind auch bundesweit und international Fans bestimmter Rapper, Sänger, Bands, die Lust haben auf San Heimo, auf Musik mit Kultur. San Hejmo macht Platz für Street Art und Platz für mehrere Generationen. Und nutzt den Platz im Kalender, den ein früheres Hardstyle-Fest am Flughafen frei gemacht hatte.
25 Street Art-Künstler*innen hinterlassen feine Linien und schnelle Tags
25 Street Art-Künstler*innen verwandeln ein Areal am Flughafen Weeze seit einer Woche in eine neue kleine Stadt. Kunterbunt. Hera von Herakut hält die graue Malerrolle am langen Stab. „Mit meinen 40 Jahren bin ich eine Graffiti-Oma. Als ich anfing, gab es Graffiti noch gar nicht“, sagt sie. Aber nach ihrem ersten Konflikt mit der Polizei gab es sofort in Wiesbaden den ersten öffentlichen Auftrag zur Wandgestaltung. „Seitdem ging es bergauf.“
International sind Fabelwesen ihr Thema. In Weeze lässt Hera von Herakut nahe dem kleinen Wäldchen malerisch ein Kind mit Wolfskopf entstehen, das ein Mond-Mädchen umarmt. „I’m so Glad she Likes my Song“, lautet der Titel.
Neben ihr gestaltet gerade Mr. Woodland aus Erding bei München eine Wand. Das Wort Graffiti mag er sogar nicht. Es geht um Straßenkunst, findet er. Seine Fabelwesen-Nachbarin verteidigt: „Dass Graffiti im Mainstream angekommen ist und Street Art heißt, ändert nichts. Früher sind die Leute dafür gejagt worden.“ Heute werden sie gebucht. Voriges Jahr in Goch, jetzt vom Team aus Weeze. Hier wie da ist Benjamin Taag der Ko-Kurator.
Bis auf die Lichterketten ist alles ganz anders als bei Parookaville
Bis auf die Lichterketten ist alles ganz anders als bei Parookaville.
Einige Street Art-Künstler sind 72 Stunden vor Beginn der Show auf dem Flughafengelände in Weeze noch aktiv und fertigen ihre Unikate. Akribisch genau auf große hölzerne Tower und Wände sowie schnell gesprayte Tags und Throw-Ups auf gespannte Leinwände.
Dass die wabbelige Folie auf den Towern nachgeben, machte zum Beispiel „Art by Opus“ aus Leverkusen das Arbeiten schwer. Der Nachteil wurde vollendet aber zum stylischen Vorteil: Sein riesiges Portrait vom Rapper und San-Hejmo-Headliner Marteria hat er Punkt für Punkt schattiert, was seine anamorphe Wirkung unterstreicht.
Eine Fortsetzung des Festival San Hejmo ist fürs nächst Jahr fest geplant
Jedes Einzelstück wird in den Besitz von San-Hejmo übergehen und soll auch in Folgejahren weiter verwendet werden. Denn eine Fortsetzung ist fest geplant. Damit das Publikum beim bunten Treiben mitmachen kann, trägt Kölns riesiger Kostümverleiher Deiters Accessoires und anspruchsvolle Kostüme – „kein Karneval“, so Bernd Dicks – herbei. In sechs Hairstyling- und Marke-up-Stationen kann man sich aufhübschen lassen. Eine kleine Kirmes bietet Bungee Jumping, Autoscooter, Süßigkeiten. Ausgewähltes Streetfood bringt die kulinarische Welt nach Weeze. Im Wäldchen („Weltchen“) stehen
Chill-Out-Sitze, Tagesbetten, Liegestühle bereit. Originell strickte die 33köpfige Seniorengruppe „Dorfmasche“ aus Neukirchen-Vluyn die Möbel einer Wohngemeinschaft ein und bringt sie mit.
Riesig Platz auf der Mainstage, mehrere LED-Wände und drei weitere Bühnen
Das alles ist Kulisse für tolle Musik-Acts (wie berichtet). Wo vor vier Wochen Bill’s Factory stand, macht nun eine Mainstage, 65 Meter breit, 18 Meter hoch, mit 20 mal 16 Metern reiner Auftrittsfläche Platz für Live-Bands. Links und rechts und mittendrin wird es große LED-Leinwände geben. Die anderen drei Stages stecken in den Bunkern. Elektro vom Stil her clean und techniklastig, bunt sind die 90er.
Knossi streamt 11 Stunden
Der europaweit aktive Streamer Knossi bespielt Bühne und Vorplatz als „Fanblast Village“ mit elf Stunden live Übertragung auf Twitch. „Wir bringen das Festival zu Leuten, obwohl sie zu Hause sitzen“, erhofft sich Bernd Dicks.