Kleve. Klever Seehunde sind im Zoo an der Ostsee gut angekommen. So ließ Pflegerin Sophie Hakken in Kleve die Tiere in den Transporter robben.

Die drei Klever Seehunde Lisa, Robbie und Robert, die am Dienstagfrüh den Tiergarten Kleve verlassen haben, sind gut angekommen. Die neue Besitzerin Birgit Wilhelm gab dem Klever Tiergartenleiter Martin Polotzek gleich ein Update: Freiwillig seien die drei aus dem Anhänger gerobbt und in das riesige große Becken getaucht. „Sie interagieren schon sehr gut mit den anderen“, freut sich Polotzek. Vor Ort wurden sie von zwei Klever Jungtieren Schnappi und Mogli – die schon länger dort wohnen – und einem Grömitzer Seehund-Jungen begrüßt. Im Nachhinein sieht der Klever Tiergartenleiter: „Der Abschied nimmt einen schon mit. Gerade als die Lisa in den Anhänger robbte, um wegzufahren, musste ich schon schlucken. Aber wir haben es ganz richtig gemacht. Für die Tiere war es auf jeden Fall die richtige Entscheidung.“

Zwei Millionen Liter Platz für acht Tiere – sieben kommen nach und nach aus Kleve

Zootierpflegerin Sophie Hakken (rechts, neben ihr Azubi Jounis Lambrecht) hat seit Monaten die Seehunde trainiert. Am Boden liegen die gelben Schilder am Stock bereit, mit Fisch wird ein letztes Mal in Kleve belohnt.
Zootierpflegerin Sophie Hakken (rechts, neben ihr Azubi Jounis Lambrecht) hat seit Monaten die Seehunde trainiert. Am Boden liegen die gelben Schilder am Stock bereit, mit Fisch wird ein letztes Mal in Kleve belohnt. © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

Dienstagfrüh um acht waren die drei Seehunde in Kleve brav wie Hunde einer nach dem anderen ihrer Lieblings-Pflegerin gefolgt. Sophie Hakken ist zwar erst seit Juni im Tiergarten Kleve, aber die ausgebildete Zootierpflegerin hat sich die vergangenen Monate fast ausschließlich um die Seehunde gekümmert, hat mit ihnen trainiert, dass sie ihr rundum vertrauen. Lisa, Robbi und der kleine Robert folgen ihr auf Kommando, sogar in ihr Umzugsauto hinein. Der Tiergartenverein Kleve hatte sich schweren Herzens entschlossen, die Klever Seehundanlage, Baujahr 1971, endgültig aufzugeben.

Der Tiertransport-Hänger hatte sich zwar zunächst in einem Gehweg-Loch im Klever Zoo festgefahren, wurde dann eben mit Muskelkraft vom Tiergartenteam bis zur Robbenanlage geschoben.

Das Tiergartenteam schiebt den noch leeren Transporthänger hoch zum Seehundbecken – der SUV hatte sich in einem Gehweg-Loch fest gefahren.
Das Tiergartenteam schiebt den noch leeren Transporthänger hoch zum Seehundbecken – der SUV hatte sich in einem Gehweg-Loch fest gefahren. © NRZ | Astrid Hoyer-Holderberg

In ihm haben die Tiere rund 600 Kilometer Fahrt vor sich, vom Niederrhein nach Grömitz an der Ostsee oberhalb von Lübeck.

Tiergartenleiter Martin Polotzek hatte alle robben-haltenden Zoos in und um Deutschland angeschrieben, wer die fünf Tiere aus Kleve kostenlos übernehmen wolle. Der Zoo Arche Noah in Grömitz antwortete. Eine riesige neue Robbenanlage werde gebaut, größtenteils in drei Jahren Eigenleistung. Mit zwei Millionen Litern Platz im Wasser und breiten Sandbänken rundum – im Gegensatz zu den 230.000 Litern Wasser in Kleve und kleiner Fliesen-Terrasse.

Wiedersehen mit zwei jungen Klever Artgenossen

In Grömitz leben bisher nur drei Robben, ein Pascal und bereits die beiden Klever Jungtiere Mogli und Schnappi. Geschwister und Halbgeschwister von Robert. Das wird ein Halbstarken-Treffen.

Die Verwandtschaft vom Niederrhein hatte mit Sophie Hakken seit Wochen für diesen großen Tag geprobt. In eine Drahtkiste robbten sie hinein und wieder heraus. Für Lisa, Robbie und Robert hat Sophie Hakken jeweils einen bestimmten Gegenstand am langen Stock befestigt, klopft damit auf die Bodenfliesen, lockt sie aus dem Wasser, stupst gegen die Seehund-Nasen, gibt den Belohnungspfiff und einen Fisch.

Und am Dienstag gab es zwei, drei, vier… zehn Fische. Die Robben robbten ihr hinterher durch die Küche, aus der Anlage heraus, die Rampe hoch in den Hänger hinein.

Auch die fast blinde Lisa folgt dem gelben Dreieck und dem Lockruf

Maja Wilhelm (Zoo Grömitz; v.l.), Tiertransporteur Markus Köchling, Birgit Wilhelm (Zoo Grömitz), Tiergartenleiter Martin Polotzek.
Maja Wilhelm (Zoo Grömitz; v.l.), Tiertransporteur Markus Köchling, Birgit Wilhelm (Zoo Grömitz), Tiergartenleiter Martin Polotzek. © NRZ | Astrid Hoyer-Holderberg
Zootierpflegerin Sophie Hakken (r.) zeigt der neuen Seehundbesitzerin Birgit Wilhelm noch einmal die drei unterschiedlichen Kommando-Gegenstände für drei Seehunde.
Zootierpflegerin Sophie Hakken (r.) zeigt der neuen Seehundbesitzerin Birgit Wilhelm noch einmal die drei unterschiedlichen Kommando-Gegenstände für drei Seehunde. © NRZ | Astrid Hoyer-Holderberg

Dort wartete Markus Köchling. Der Bachelor professional of Animal Care and Management ist spezialisiert auf Tiertransporte. Während sich Robbie auf die Gummimatte legt, schließt Köchling eine Metall-Zwischenwand.

Sophie Hakken geht zurück zum Becken und lockt diesmal mit dem gelben Dreieck am langen Stock Mutter Lisa an. Sie ist fast blind, eine Folge des Süßwassers im viel zu kleinen Becken in Kleve, ist Tiergartenleiter Martin Polotzek überzeugt. Aber Lisa ist skeptisch, nimmt den Fisch und rutscht direkt auf dem runden Bauch wieder zurück.

Lisa lässt sich dreimal locken

Dreimal geht das so, bis sie dann doch ihrer Pflegerin in den grauen Transporthänger folgt. Klappe zu – der nächste. Der kleine Robert, eineinhalb Jahre jung, will erst nach längerem Anlocken aus dem Becken kommen, legt sich dann aber auch problemlos in die Nachbar-Abteilung neben seine Mutter.

Sophie Hakken erlebt den Abschied mit gemischten Gefühlen. „Ich freue mich, dass die Tiere in eine viel, viel größere Anlage kommen, aber natürlich bin ich traurig, dass sie uns verlassen. Ich kenne sie von klein auf. Da ist schon eine Bindung entstanden,“ sagt die Zootierpflegerin.

Zwei Robben bleiben zur wissenschaftlichen Stimmforschung

Seehund Robbie liegt im Transporthänger auf einer Gummimatte.  
Seehund Robbie liegt im Transporthänger auf einer Gummimatte.   © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

Die ältere Robbe Elektra findet das Unternehmen an der Anlagen-Tür sehr spannend und würde sofort in die Küche durchwatscheln. Aber sie ist heute noch nicht dran. Zusammen mit Jannick ist Elektra Teil einer wissenschaftlichen Arbeit einer deutschen Doktorandin vom Max-Planck-Institut in Nimwegen: Diandra Düngen schreibt ihre Doktorarbeit über die Rufe der Seehunde – und braucht zum Abschluss noch vier Wochen Zeit. Danach aber reisen auch diese beiden Seehunde nach Grömitz.

„Wir finden es sehr schön, dass diese Familie zusammenbleiben kann“, sagt Tiergartenleiter Martin Polotzek. Es ist die ideale Zeit für einen Transport dieser Art. Mit ihrer dicken Fettschicht wäre es den Tieren im Sommer zu heiß. Im Transporter liegen die drei auf Gummimatten auf dem Trockenen, denn in einem Wasserbecken bestünde während der Fahrt die Gefahr des Ertrinkens. „Ins Wasser gehen sie hauptsächlich zum Jagen. Wir stehen ja auch nicht den ganzen Tag in der Küche, um dreimal täglich zu essen,“ vergleicht Birgit Wilhelm.

Einen Trainingsplan bekommen die Robben mit ins neue Zuhause

Das alte Becken im Zoo Kleve, Baujahr 1971, fasst 230.0000 Liter Wasser.
Das alte Becken im Zoo Kleve, Baujahr 1971, fasst 230.0000 Liter Wasser. © NRZ | Astrid Hoyer-Holderberg

Sie leitet zusammen mit Ehemann Ingo und Tochter Maja den Zoo Arche Noah in Grömitz. Seit Sonntag sind die beiden Frauen hier und haben das Training der Seehunde mit großem Staunen miterlebt. „Wir waren geflashed“, sagt Birgit Wilhelm: Wie sich die Tiere wiegen lassen, das Maul öffnen, die Flosse geben, auf Kommando auf die Seite legen – das ist für eine Ultraschalluntersuchung eine wichtige Fähigkeit, weiß Tierarzt Martin Polotzek. Er hat zusammen mit Sophie Hakken einen Trainingsplan geschrieben und gibt ihn den neuen Besitzern mit. „Robert ist glücklich, wenn er beschäftigt wird. Er braucht noch nicht einmal einen Fisch zur Belohnung“, beschreibt Sophie Hakken.

Die neue Seehund-Anlage im Zoo Grömitz fasst zwei Millionen Liter Wasser.
Die neue Seehund-Anlage im Zoo Grömitz fasst zwei Millionen Liter Wasser. © Zoo Arche Noah Grömitz

Der erste Seehund-Kuss bleibt unvergesslich

Der Abschied ist für Martin Polotzek „ein bewegender Moment. Es sind eben Charaktertiere. Wie an meinem ersten Arbeitstag mir Lisa den ersten Kuss gegeben hat – den Moment vergesse ich nicht“, sagte der junge Zoodirektor.

Wie berichtet, hatte er sich sehr gewünscht, dass die Hundsrobben künftig artgerecht in Salzwasser leben könnten. Tatsächlich werden sie auch nahe der Ostsee im Zoo Arche Noah in Süßwasser schwimmen, „aber mit neuester Filtertechnik,“ betont Polotzek die nahezu keimfreie Umgebung. „Eine Leitung zum Meer quer durch den Ort hätte viel mehr Geld gekostet als der moderne Filter,“ erklärt Birgit Wilhelm. Für die kleine Anlage in Kleve hätte sich solch ein teurer Filter nicht rentiert.

Immer mehr Zoos geben die Seehundhaltung auf

Im Tiergarten Kleve werden drei der fünf Seehunde verladen.
Im Tiergarten Kleve werden drei der fünf Seehunde verladen. © NRZ | Astrid Hoyer-Holderberg

Der Klever Zoodirektor träumt in seinem Masterplan von einer großen Salzwasser-Seehundanlage in Kleve, die jedoch mit 10 bis 15 Millionen Euro kalkuliert und deshalb vom Tiergartenverein vorläufig abgelehnt wurde (wie berichtet).

Im Tierpark in Grömitz war der älteste Seehund Deutschlands, die Dolly, 45 Jahre alt geworden. Es gibt im Zoo Arche Noah Grömitz 300 Tiere aus 44 Arten, darunter auch Löwen und Schimpansen.

Weil nach neuen Erkenntnissen artgerechte Seehundhaltung stets schwieriger und teurer wird, beenden immer mehr Zoos die Robben-Haltung, zum Beispiel auch Duisburg, jetzt Kleve.