Kleve. Eine Weltkriegs-Bombe wurde am Donnerstag in Kleve entschärft. Dafür musste die halbe Innenstadt evakuiert werden. Wie die Aktion verlief.

Um 17 Uhr meldete der Feuerwerker: Entschärfung gelungen! Ein dramatischer Tag in der Klever Innenstadt hatte ein glückliches Ende gefunden.

Begonnen hatte der Einsatz gegen halb zwölf am Donnerstag, als Mitarbeiter des Ordnungs- und Sicherheitsdienstes der Stadt Kleve viele Bürger aufforderten, ihre Häuser und Wohnungen sofort zu verlassen. Der Grund: Der Verdacht, dass es es sich bei dem in acht Meter Tiefe an der Wasserstraße georteten Objekt um einen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg handelte, hatte sich am Morgen bestätigt.

Evakuierung sofort eingeleitet

Sofort leitete die Stadt die Evakuierung ein. Erst in der unmittelbaren Zone um die Fundstelle, die seit Mitte November durch zwei Spezialfirmen abgesichert und auf eine mögliche Entschärfung vorbereitet worden war, dann in einem von der Bezirksregierung festgelegten Radius von 350 Metern. Das bedeutete: Die halbe Klever Innenstadt glich ab dem frühen Nachmittag einer Geisterstadt.

Die großen Kaufhäuser wie Saturn und Kaufhof wurden geschlossen, ebenso zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte in der Großen Straße und in der Herzogstraße. Das Amts- und Landgericht stellte seinen Betrieb ein, der Lokalsender Antenne Niederrhein musste sein Studio an der Hagschen Straße räumen. Auch viele Tagestouristen, die an dem Parkplatz an der Stadthalle ihr Fahrzeug abgestellt hatten, konnten nicht mehr dorthin zurück – sie hingen stundenlang in Kleve fest.

Notunterkünfte eingerichtet

„Die Evakuierung schreitet super voran“, berichtete Stadtsprecher Niklas Lembeck am Nachmittag. In dem fraglichen Gebiet leben 2500 Menschen, die ihr Zuhause verlassen mussten. Notunterkünfte wurden in der Mehrzweckhalle Materborn und in er Karl-Kisters-Realschule eingerichtet.

Nachdem die städtischen Ordnungsbehörden ihr OK gegeben hatten, dass die Evakuierung abgeschlossen ist, schritt der Feuerwerker zur Tat. Der Mann war schon seit dem Morgen vor Ort, da der Fund eines Verdachtsobjektes seit Wochen bekannt war und die Auskofferung eines etwa fünf mal fünf Meter großen Gebiets am Königsgarten seit Anfang der Woche weit genug fortgeschritten war.

Sprengsatz mit tückischem Zünder

Bei der Bombe handelt es sich um eine Fünf-Zentner-Sprengbombe mit Langzeitzünder – tückisch, weil deren Einsatz so konzipiert war, dass die erst explodieren, wenn schon Rettungsarbeiten im Gange waren. Die Bombe wurde entweder am 7. Oktober 1944 oder am 7. Februar 1945 auf Kleve abgeworfen. Die beiden Angriffe hatten die Stadt in eine Trümmerwüste verwandelt

So berichtete die NRZ am Mittag:

Der Kampfmittelverdacht an der Wasserstraße in Kleve hat sich bestätigt. Es wurde eine Fünf-Zentner-Bombe mit Langzeitzünder gefunden. Das bestätigt die Stadtverwaltung. Am Donnerstagvormittag wurde dort eine Fünf-Zentner-Bombe gefunden. Aktuell wird in engem Umkreis um den Fundort evakuiert. Die weiteren Maßnahmen zur Kampfmittelräumung befinden sich in der Abstimmung.

Weitere Informationen erfolgen umgehend, sobald sie feststehen. Es wird zeitnah unter der Adresse kleve.de/bombe ein Liveticker eingerichtet.

Die Polizei bestätigt der NRZ: „Wir wissen seit gerade, dass es sich tatsächlich um eine Bombe handelt und nicht etwa um eine alte Badewanne“ oder ähnliche metallene Gegenstände, so eine Polizeisprecherin.

+++ Das hat die NRZ bisher berichtet +++

Seit 53 Tagen nun ist die Wasserstraße in der Klever Unterstadt halbseitig gesperrt. Passanten erblicken hinter den Bauzäunen allerlei Baumaschinen, zurzeit allein zwei Bagger und einen Radlader, doch das mit Spundwänden abgegrenzte Karree, in dem aller Wahrscheinlichkeit nach eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg liegt, ist immer noch nicht ausgeschachtet – im Gegenteil, es wurde sogar ein kleiner Erdhügel darauf aufgeschichtet.

Für die Bombensuche an der Wasserstraße waren zwei Spezialunternehmen im Einsatz.
Für die Bombensuche an der Wasserstraße waren zwei Spezialunternehmen im Einsatz. © NRZ | Ralf Daute

Ursprünglich sollte die Überprüfung bis Mitte Dezember abgeschlossen sein, doch die Suche nach dem Sprengsatz gestaltet sich weitaus komplizierter als gedacht. Dass eine Kanalleitung umgelegt werden musste, war schon vorher bekannt. Auch war klar, dass Spundwände gesetzt werden mussten, damit sich das Loch überhaupt graben ließ.

Weit unter dem Grundwasserspiegel

Doch die Bombe liegt weit unter dem Grundwasserspiegel. Ursprünglich ging man von siebeneinhalb Metern aus, nun werden sogar achteinhalb bis neun Meter vermutet. Dieser Umstand machte nun – neben den Experten vom Kampfmittelräumdienst – den Einsatz einer zweiten Spezialfirma erforderte. Aus dem Emsland wurde die Firma Hölscher Wasserbau herangezogen.

Philipp Schmid, Sprecher des Unternehmens: „Nur durch die Absenkung des Grundwasserspiegels können die Spezialisten der Kampfmittelräumung die Bombe trocken und sicher bergen. Das Absenken passiert mit vier Brunnen mit jeweils 14 Metern Tiefe, und den entsprechenden Pumpen. Diese sind um die Baugrube angeordnet und pumpen das Grundwasser ab.“

Vorsichtig die Grube auskoffern

Das Unternehmen Tauber aus Nürnberg, auf die Bergung von Bomben spezialisiert, soll von Montag wieder im Einsatz sein und vorsichtig die Grube auskoffern, bis die Bombe (oder was auch immer) zum Vorschein kommt. Sollte sich der Verdacht einer Bombe bestätigen, stünde Kleve erneut eine stundenlange Evakuierung bevor, bei der große Teile der Innenstadt geräumt werden müssten.

Die mutmaßliche Bombe ist eine Hinterlassenschaft der beiden Luftangriffe, die am Ende des Zweiten Weltkriegs Kleve dem Erdboden gleichmachten. Am 7. Oktober 1944 warfen 335 Flugzeuge 1728 Tonnen Sprengbomben und 4,5 Tonnen Brandbomben auf die Stadt, am 7. Februar 1945 waren es 285 Flugzeuge mit 1384 Tonnen Sprengbomben und 12,3 Tonnen Brandbomben. Nach den beiden Angriffen waren in Kleve nur noch 178 Häuser unbeschädigt.