Kleve. Vor zwei Wochen begann die Suche nach einem Blindgänger an der Wasserstraße – doch eine Grube ist immer noch nicht zu sehen. Das hat Gründe.

Etwa dort, wo der Spaten im Erdreich steckt, liegt (vermutlich) eine der letzten Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkriegs in Kleve – ein hochgefährliches Relikt, das von einem der beiden Luftangriffe stammt, die im Oktober 1944 und Februar 1945 Kleve in eine Trümmerwüste verwandelten. Damals regneten Hunderte von Bomben auf die Stadt nieder, die meisten von ihnen detonierten und zerstörten die Stadt.

Aber nicht alle Sprengsätze gingen hoch. Oftmals wurden sie in den Jahrzehnten danach bei Bauarbeiten entdeckt und mussten entschärft werden. Mittlerweile ist der Krieg seit 77 Jahren vorbei, und immer noch beschäftigen die Hinterlassenschaften der beiden Bombardierungen die Fachleute: An der Wasserstraße, unmittelbar vor der Worcesterbrücke, wird derzeit nach einer Fünf- oder Zehn-Zentner-Bombe gesucht.

In sieben Metern Tiefe verborgen

Bis es zur Entschärfung kommt, sind komplexe und riskante Erdarbeiten durchzuführen. Die Bombe, die vor Jahren bei Kanalbauarbeiten zufällig entdeckt und dann erst einmal wieder zugeschüttet wurde, liegt etwa sieben Meter tief im Erdreich verborgen. Jetzt baggert das Spezialunternehmen Tauber (Nürnberg, 550 Mitarbeiter) nach dem verborgenen Sprengsatz im Klever Untergrund.

Seit zwei Wochen sind die Mitarbeiter an der Wasserstraße zugange, aber immer noch ist die Grube nicht ausgekoffert. Das hat seine Gründe: Zu Beginn waren die Arbeiter in den vergangenen Tagen damit beschäftigt, eine alte Kanalleitung umzuleiten. Ohne diese Maßnahme wäre die Grube voll Wasser gelaufen. Mittlerweile verläuft ein provisorischer Kanal um die fragliche Fundstelle.

Phase zwei der Operation

Jetzt ist die Phase zwei der Unternehmung erreicht. Rings um das Areal, in dem die Bombe liegt, werden Spundwände gesetzt. Ohne die Spundwände würde das lockere Erdreich von den Seiten der Baugrube nachrutschen. Erst wenn die Spundwände stehen, kann der portugiesische Baggerführer Alexandre Silva ganz vorsichtig mit der Baggerschaufel das Erdreich abtragen, bis der Sprengsatz in sieben Metern Tiefe freigelegt ist und die Fachleute von der Kampfmittelbeseitigung mit der Entschärfung beginnen können.

Offiziell handelt sich bei dem Fund immer noch um einen „Verdachtsfall“, und so könnte theoretisch am Ende der Baggerarbeiten auch die Entdeckung einer Metallwanne stehen wie noch im Sommer in Emmerich. Doch da es an der Wasserstraße vor einigen Jahren Arbeiten gegeben hat, bei denen die Arbeiter auf den Metallkörper gestoßen waren, gehen die Fachleute zurzeit davon aus, dass dort tatsächlich eine Weltkriegsbombe aus britischer Produktion liegt. Damals fiel die Entscheidung, die Fundstelle erst einmal wieder zuzuschütten.

Entschärfung beträfe die gesamte Klever Innenstadt

Bei der Entschärfung wäre, wie bei der Serie von Funden im Mai 2021 an der Kapitelstraße, die komplette Klever Innenstadt betroffen. Damals wurden auf einem Baugebiet in der Größe von 2500 Quadratmetern innerhalb von 43 Tagen drei alte Fliegerbomben entdeckt. Dreimal mussten 4500 Klever ihre Wohnungen und Heimplätze verlassen, dreimal hatten Feuerwehr, Notdienste und Katastrophenschützer einen Großeinsatz.

Sollte sich der Verdachtsfall an der Wasserstraße bestätigen, müssten auch dort gelegene Wohnungen verlassen und Geschäfte geschlossen werden. Doch welcher Art die Sicherheitsmaßnahmen sein werden, kann frühestens in einigen Tagen festgelegt werden – wenn die Arbeiter bis zu der Bombe vorgedrungen sind.

Zwei Luftangriffe zerstörten Kleve 1944 und 1945

Bei den zwei Luftangriffen auf Kleve am 7. Oktober 1944 und 7. Februar 1945 starben Hunderte von Menschen, die Stadt glich einer Trümmerwüste.

335 Flugzeuge führten den ersten Angriff aus, sie warfen 1728 Tonnen Sprengbomben und 4,5 Tonnen Brandbomben auf die Stadt. Das Bombardement dauerte nur eine halbe Stunde. Ein abstürzender Bomber zerstörte den Schwanenturm.

Am zweiten Angriff waren 285 Flugzeuge beteiligt, die 1384 Tonnen Sprengbomben und 12,3 Tonnen Brandbomben abwarfen. Beim Vergleich des Zerstörungsgrades aller deutschen Städte steht Kleve an elfter Stelle. Nur 178 Häuser waren nach den Angriffen noch intakt.