Kranenburg. Ukrainische Flüchtlinge bedanken sich mit einem sehr persönlichem Brief bei den Kranenburgern. So ist es ihnen im Jahr des Krieges ergangen.
Seit der russische Präsident Putin im Februar diesen Jahres die Ukraine überfallen hat, ist für Marina, Tetiana, für den kleinen Mikita und viele hunderttausend weitere Ukrainerinnen und Ukrainer nichts mehr wie es war. Teils nur mit dem Allernötigsten bepackt verließen und verlassen sie ihr Land und suchen Zuflucht bei den Nachbarn im Westen. 110 Geflüchtete leben seit März in Kranenburg.
Ukrainer bedanken sich
Die meisten von ihnen kamen zunächst in Gastfamilien unter, einige wurden auch in der Sammelunterkunft in Kranenburg-Wyler untergebracht. Inzwischen haben viele eine Wohnung gefunden. Wie auch schon bei der Flüchtlingswelle 2015 war es für den pensionierten Lehrer Friedhelm Kahm auch jetzt selbstverständlich zu helfen. Gemeinsam mit dem kleinen Team von „Kranenburg-International Runder Tisch“ organisierte er Treffen und ersten Deutschunterricht. „Wir bieten den Menschen handfeste Hilfe und Unterstützung.“ Bei einer Weihnachtsfeier im Caféhaus Niederrhein im alten Bahnhof bedankten sie sich dafür mit einem sehr persönlichen und emotionalen Brief, der in deutscher und ukrainischer Sprache vorgelesen wurde.
„Wir sind Menschen, die ihre Heimat gegen ihren Willen verlassen haben. Viele von uns waren noch nie im Ausland und haben nie daran gedacht umzuziehen“, schreiben die Verfasserinnen Anastasia und Tetiana. Heute verbinde sie eine große Trauer um ihr Land. „Deutschland hat uns ein helfende Hand gereicht, uns mit unseren Stärken und Schwächen, mit Hunden und Katzen, mit Krankheiten und kleinen Kindern aufgenommen. Jetzt gehen ukrainische Kinder gerne in deutsche Schulen und Kindergärten, manche Ukrainer werden auf einer deutschen Entbindungsstation zum ersten Mal die Welt sehen. Unsere Heimat auf Zeit war Kranenburg mit seinen sympathischen und lieben Menschen. Wir spüren ihre Unterstützung und behandeln diese Gemeinde mit Sorgfalt,“ heißt es im Brief.
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„Wir haben uns vor der Einladung zu dieser Feier getroffen und geplant, was wir zu essen mitbringen“, erzählt Tetiana, die mit Tochter Anastasia, 19, und dem vierjährigen Evgeny aus Chernihiv, südlich von Kiew geflüchtet ist. Sie und alle anderen Frauen haben für den Abend ein kleines Buffet aus ukrainischen Spezialitäten gezaubert. Hier seien sie eine Notgemeinschaft. „Wir kannten uns vorher alle nicht, kommen aus Cherson, Mikolajew oder Odessa und sind jetzt wie eine Familie.“
Der Kontakt in die Heimat
Für einige Stunden ließ die gemeinsame Zeit die Sorgen und Ängste um die zurückgebliebenen Männer, Brüder, Väter in Vergessenheit geraten. „Kontakt zu meinem Mann, der in Chernihiv im IT-Bereich arbeitet, habe ich täglich“, berichtet Tetiana. Sie schildert, wie schwierig die Lage vor Ort ist. Oft gebe es keinen Strom. Die Preise für Generatoren und Diesel stiegen genauso wie die für Lebensmittel.
Sie kann sich nicht vorstellen, in die Ukraine zurück zu kehren. „Natürlich möchte ich meine Familie wiedersehen, eine Zukunft für meine Kinder sehe ich dort aber nicht,“ sagt die ausgebildete Bankkauffrau.
Die Angst um die Angehörigen
Etwas anders sieht es Marina, die mit Mann, Mutter und drei Kindern nach Kranenburg gekommen ist. Sie treibt die Angst um Angehörige nicht so sehr um, ihr fehlt allerdings ihr altes Leben. Marina hatte in Odessa ein gut gehendes Nähatelier, hat als Kostümbildnerin für Eiskunstlauf und Tanzen gearbeitet. „Ich möchte den Gedanken, dort eines Tages wieder arbeiten zu können, noch nicht aufgeben“, sagt sie. So ginge es mehr als der Hälfte der Kranenburger Flüchtlinge, weiß Tetiana. „Sie wollen zurück nach Hause, aber niemand weiß, was sie dort erwartet.“
Kämpferisch geben sich beide Frauen. „Wir wachsen in der Ukraine auf mit dem Willen den Russen nicht unser Land zu überlassen“, erklärt Tetiana. Was dort seit Monaten passiere und Tag für Tag in den Nachrichten zu sehen sei, sei sehr schwer zu ertragen für sie. „Wir haben nicht glauben können, dass der Krieg so lange dauern würde.“
Ein Platz im Kindergarten
Und dann erzählt Marina doch noch, dass sie vielleicht ein neues Atelier in Deutschland eröffnet und dass Deutschland so etwas wie eine zweite Heimat für sie geworden ist. Im nächsten Jahr bekommt ihr dann drei Jahre alter Sohn Mikita einen Platz im Kindergarten. Die Töchter Polina, 12, und die achtjährige Diana gehen hier zur Schule. Was aber bleibt, ist Trauer: „Wir vermissen unsere Heimat und sind mental jetzt an zwei Orten.“