Kleve. Um mehr Klimaschutz zu erzielen, möchte Kleve die Anzahl der Bäume verdoppeln. Die Mithilfe des Bürgers ist aber nicht immer selbstverständlich.

Die Warnungen vor der „Klima-Hölle“ werden immer dringlicher. António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat zum Auftakt der Klimakonferenz in Ägypten mit eindrücklichen Worten beschrieben, was auf dem Spiel steht. Doch Klimaschutz ist nicht nur etwas für die große Politik, Klimaschutz wird auch vor Ort gemacht. Die Stadt Kleve hat vor gut einem Jahr einen neuen Fachbereich für Klimaschutz, Umwelt und Nachhaltigkeit ins Leben gerufen. Leiter Dirk Posdena und Klimaschutzmanager Christian Bomblat erzählen der NRZ, was sie alles in Vorbereitung haben.

Klimaschutz gelingt auch im Kleinen

Dirk Posdena weiß, dass es noch ein weiter Weg ist, bis man die Klever davon überzeugt hat, dass man mehr für den Klimaschutz und vor allem auch mehr für die Biodiversität in der Stadt tun muss. Die kleine Blumenwiese vor dem Rathaus sei ein Beispiel, wie Bürger und Politik aneinander vorbeidenken können. Während man sich im Rathaus über das kleine Habitat für Insekten und Vögel freut, gibt es einige Bürger, die den für sie unansehnlichen Anblick kritisieren: „Habt ihr keine Rasenmäher mehr“, wird Posdena gefragt.

Dirk Posdena leitet den Fachbereich Klimaschutz.
Dirk Posdena leitet den Fachbereich Klimaschutz. © NRZ | Andreas Gebbink

Die Bürger würden auch nicht mehr nur murren, sondern leider sofort „motzen“, so Posdena. Es werde erst gar nicht mehr gefragt, warum man die verblühten Pflanzen stehen lasse. Denn dann hätte man erklären können, dass sich auf so einem Grünabschnitt unglaublich viele Insekten tummeln und dass Vögel im Winter hier Futter finden. „Dennoch zeigen diese kleinen Projekte, dass man nicht ohnmächtig dem Artensterben zusehen muss. Man kann etwas bewegen“, sagt Posdena, der sich nicht entmutigen lässt. Das Baumscheibenprogramm der Stadt habe immerhin 40 Bürger dazu bewogen eine Patenschaft zu übernehmen und regelmäßig den Straßenbaum vor der Haustür zu wässern.

Mehr Bäume für die Innenstadt

„Langfristig wollen wir den Baumbestand in Kleve verdoppeln, aber dafür benötigen wir die Akzeptanz der Bürger“, sagt Posdena. Denn mehr Bäume bedeuten mehr Kühlung für eine sich immer schneller aufheizende Stadt. Die vergangenen Sommer haben gezeigt, wie wichtig es ist, in Kleve kühle Regionen zu haben. Ein Park könne hier einen wichtigen Beitrag leisten: „Die Leute müssen verstehen, dass ein Parkplatz vor der Haustür nicht das einzige ist, was mir guttut“, sagt Klimamanager Bomblat.

Aktuell arbeite der Fachbereich Klimaschutz an einem Stadtklimamodell. Mit Hilfe dieses Modells könne man künftige Neubaugebiete viel besser planen und Vorhersagen darüber treffen, welche Auswirkungen ein Neubau oder eine Neubausiedlung auf das städtische Kleinklima haben wird. „Wir hatten bislang noch keine Datengrundlagen, um die Frage zu beantworten, wie sich der Klimawandel denn konkret auf Kleve auswirken wird. Reden wir bei uns über Dürre? Reden wir über Hochwasser? Droht uns der Hang abzurutschen? Brennt der Wald künftig? Mit welchen Folgen müssen wir konkret rechnen und wie reagieren wir darauf“, fragt sich Posdena.

Hitzeschutz ist auch für Kleve ein wichtiges Thema

So viel haben die vergangenen Sommer schon gezeigt: Hitze wird auch für Kleve ein Thema sein. Die Stadtverwaltung wird sich Gedanken darüber machen müssen, wie man Hitzeinseln vermeidet und wie man bei Extremtemperaturen alle Bevölkerungsgruppen schützt. Dazu könne die Errichtung von Berieselungsanlagen in der Fußgängerzone gehören oder die Schaffung von kühlen Orten für Obdachlose.

Christian Bomblat ist Klimamanager in Kleve.
Christian Bomblat ist Klimamanager in Kleve. © NRZ | Andreas Gebbink

Ein wichtiger Punkt werde die Wasserversorgung darstellen. Heute tue man alles, um Wasser einfach abzuleiten. Die Sprache verrät uns: „Wir reden von ‘Abwasser’ und ‘Abwasserbeseitigungskonzepten’“, sagt Bomblat. Dabei müsse es doch Ziel sein, Regenwasser so lange wie möglich vor Ort zu halten oder für die Toilettenspülung oder fürs Wäsche waschen zu nutzen. Hier müsse ein Umdenken erfolgen. Es gebe mittlerweile schon überzeugende Bespiele, wo Mehrfamilienhäuser gänzlich ohne Kläranlage auskommen: Die Fäkalien werden über eine Pflanzenkläranlage vor der Haustür gereinigt. In Nimwegen gibt es ein Referenzmodell.

Dieses Mehrfamilienhaus in Nimwegen-Lent kommt bereits seit mehreren Jahren ohne Kanalanschluss aus. Die Fäkalien werden von einer Pflanzenkläranlage vor der Haustür gereinigt.
Dieses Mehrfamilienhaus in Nimwegen-Lent kommt bereits seit mehreren Jahren ohne Kanalanschluss aus. Die Fäkalien werden von einer Pflanzenkläranlage vor der Haustür gereinigt. © NRZ | Andreas Gebbink

Bei Bebauungsplänen muss mehr auf Nachhaltigkeit geachtet werden

Bei den Bebauungsplänen werde man künftig viel genauer auf das Thema Nachhaltigkeit achten müssen: Wie kann man noch schadlos bauen? Posdena ist sich sicher, dass es auch in Zukunft noch Einfamilienhäuser geben werden, da das individuelle Bauen nach wie vor ein Wunsch von vielen Menschen ist. Aber man könne vielleicht über die überbaubare Fläche nachdenken. Muss das Einfamilienhaus noch auf einem 500 Quadratmetergrundstück mit 120 Quadratmetern Wohnfläche errichtet werden?

Posdena und Bomblat denken auch über neue „Klimaquartiere“ nach, die man in Kleve schaffen könne. So müsse man sich fragen, ob jeder noch eine eigene Heizung benötige oder ob man dies zentral organisieren könne. Für Kleve sei es wichtig, widerstandsfähiger auf die kommenden Klimaereignisse zu werden. Das zwei Grad-Ziel sei schon fast nicht mehr einzuhalten: „Es wird also schlimmer werden“, so Bomblat. Und das heiße beim Sektor Bauen, dass man sich gut überlegen müsse, wo man künftig Flächen zubaue und wo nicht.