Kreis Kleve/Kranenburg. Acht Windräder im Reichswald würden heute reichen. Kranenburgs Bürgermeister regt an: unter Klimaschutzgesichtspunkten noch mal neu nachdenken.

Sollte man nicht doch noch einmal über Windräder im Reichwald nachdenken? In zunehmend windigen Zeiten bittet Günter Steins, Bürgermeister von Kranenburg, darum. „Die Welt hat sich seit der Ablehnung 2016 weiter gedreht. Und in der öffentlichen Meinung hat sich etwas geändert. Klimaschutz bekam mehr Bedeutung.“ Günter Steins, schrieb seine Gedanken den Parteien im Kreistag, den Fraktionsvorsitzenden in Kranenburg und Fraktionsvorsitzenden im Regionalrat.

Im Herbst endet er seine Amtszeit und unternimmt hiermit einen letzten Vorstoß. „Für mich persönlich steht im Vordergrund: Ich möchte in zehn Jahren sagen können, dass ich alles versucht habe, alternative Energien durch Überzeugung voran zu bringen“, sagt Steins.

Mit einem Windmesser hatte die Firma AboWind am Kartenspielerweg getestet, ob sich Windanlagen lohnen – sie täten es.
Mit einem Windmesser hatte die Firma AboWind am Kartenspielerweg getestet, ob sich Windanlagen lohnen – sie täten es. © NRZ

2016 unterlag er mit seinem Ziel, Windräder im Reichswald durch die Firma AboWind errichten zu lassen. Die haben „Wahnsinnsgeld in die Gutachten gesteckt“, wie es das Gesetz verlangte, aber letztlich „wurde die zukunftsfähige Technik von der Politik torpediert“, so Steins. Aber die Gutachten sind noch da und noch gültig.

„Das lasse ich grüner Politik nicht durchgehen“

„Mich interessiert, ob neue Erkenntnisse die Meinungen ändern“, sagt der CDU-Mann. „Insbesondere interessiert mich, wie sich die Grünen positionieren, die in Bund und Land Windkraft fordern, sie hier vor Ort aber abgelehnt haben. Das lasse ich grüner Politik nicht durchgehen. Es ist Zeit, den Rücken gerade zu machen.“ Er kritisiert auch die eigenen Leute, dass „die Zahl der Windkraftanlagen in NRW dramatisch zurück gegangen ist.“

Im ersten und zweiten Entwurf des Landesentwicklungsplanes war der Kartenspielerweg im Reichswald noch Wind-Vorranggebiet für die Kommune, im dritten Anlauf dann nicht mehr. Der neue LEP von Juli 2019 schließt zwar immer noch Windanlagen im Wald aus, „es sei denn, die Gemeinde habe keine anderen geeigneten Standorte, was bei uns zwei Potenzialanalysen glaubhaft nachweisen“, so Steins. Es handele sich um kein FFH-Gebiet, keinen Mischwald, und Artenschutz sei gewährleistet. Die ausgesuchten Standorte beträfen nur Monokulturen – Kiefern, die mittlerweile der Borkenkäfer obendrein schädige. Es gehe um keinen wertvollen Mischwald, keine Naturschutzzellen. „Außerdem würden heute acht Windräder der neuen Generation reichen“, vor vier Jahren ging es noch um elf Rotoren.

Beeinträchtigung des Landschaftsbildes abwägen gegen CO2-Problematik

Für das Allgemeinwohl tätig zu sein, heißt für ihn, „im wahrsten Sinne des Wortes abzuwägen. Eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist unbestritten. Sie muss aber abgewogen werden gegen die CO2-Problematik“, die vor vier Jahren noch keine Rolle gespielt habe. Für Steins ist Windenergie ohnehin eine rückbau-bare Brückentechnologie, bis etwas Besseres gefunden wurde. „In 50 Jahren sind die Windräder wieder weg. Aber es geht darum, jetzt etwas zu tun.“

Für Günter Steins, Bürgermeister von Kranenburg, fangen Umweltschutz und Klimaschutz im Kleinen an -- zum Beispiel beim begrünten Flachdach für die Dienstwagen-Garage, die er von seinem Büro-Balkon aus sieht. 
Für Günter Steins, Bürgermeister von Kranenburg, fangen Umweltschutz und Klimaschutz im Kleinen an -- zum Beispiel beim begrünten Flachdach für die Dienstwagen-Garage, die er von seinem Büro-Balkon aus sieht.  © Astrid Hoyer-Holderberg

Er regt an, Erträge aus der Wind-Energiegewinnung in eine Stiftung einzustellen, etwa 250.000 Euro im Jahr, die man als Zuschuss für private Haushalte für Photovoltaikanlagen auf dem Dach geben könnte.

Und wenn bei starkem Wind zu viel Strom erzeugt wird, müsste man die Räder nicht wie bisher wegen Überkapazität abschalten, sondern könnte in private „Wall-Boxen“ für Elektrofahrzeuge einspeisen. „Oder man installiert fünf Wall-Boxen im Gewerbegebiet, bei hohem Windaufkommen kann dort jeder Sturm zu fünf Cent tanken“, so stellt es sich Christdemokrat Steins vor.

Er als Chef der Verwaltung hatte bereits seit 2017 ein Klimaschutzkonzept für Kranenburg erstellen lassen. Nun sieht er sich verpflichtet, den Ratsbeschluss (22 Ja-Stimmen, eine nein, zwei Enthaltungen) vom 19.9.19 umzusetzen: u.a. bis 2050 Co2-Ausstoß minus 80 Prozent, Senkung des Energiebedarfs um 40 Prozent, und Co2 neutral zu sein schon bis 2030. „Das können wir ohne Windkraftanlagen nicht“, meint Steins. Die Gemeinde überlege, im nächsten Bebauungsplan Ölheizungen nicht mehr zuzulassen.

Das sagen die Windrad-Gegner aus der Bürgerinitiative

Die NRZ fragte bei der Gegner-Initiative Gegenwind im Reichswald nach. Sprecherin Katja Eis aus Nierswalde: „Wir sind noch da und wir sind noch wach. Grundsätzlich halten wir erneuerbare Energien für sehr wesentlich, aber nicht in Regionen, die besonders schützenswert sind. Dazu gehört der Kartenspielerweg.“